×

Der «Neujahrsbote» unterhält mit Dorfgeschichten aus Glarus Süd

Seit bald sechs Jahrzehnten unterhält der «Neujahrsbote» von Glarus Süd mit alten und neuen Geschichten – und ist aus dem Hinterland nicht mehr wegzudenken.

Martin
Meier
26.06.23 - 16:39 Uhr
Menschen & Schicksale
Diesmal im geschichtsträchtigen Hotel «Tödi»: Einmal pro Jahr treffen sich die Chronistinnen und Chronisten des «Neujahrsboten Glarus Süd» zum gemütlichen Zusammensein.
Diesmal im geschichtsträchtigen Hotel «Tödi»: Einmal pro Jahr treffen sich die Chronistinnen und Chronisten des «Neujahrsboten Glarus Süd» zum gemütlichen Zusammensein.
Bild Martin Meier

Sie schreiben in der Gegenwart über die Vergangenheit, für ein Buch, das auch in Zukunft als Nachschlagewerk noch Bestand hat. Die rund 20 Chronistinnen und Chronisten des «Neujahrsboten von Glarus Süd», die sich einmal pro Jahr zum gemütlichen Stelldichein und Festschmaus treffen. Wie am vergangenen Freitag zu Cordon bleu und Gemüse, standesgemäss im geschichtsträchtigen Hotel «Tödi».

Wenn sie nicht gerade gemütlich beisammensitzen, sammeln die Chronistinnen und Chronisten des Neujahrsboten aus ihrem Dorf Schönes (Geburten) und weniger Schönes (Todesfälle). Für die Nachwelt aufgeschrieben wird alles, was das Jahr hindurch in ihrem Umfeld so passiert ist. Wobei in der Berichterstattung auch das Dorf- und Vereinsleben nicht zu kurz kommt.

 «Zu seinen besten Zeiten erreichte der ‘Neujahrsbote von Glarus Süd’ eine Auflage von 5000 Exemplaren», so Stiftungsrat Thomas Spälti.
«Zu seinen besten Zeiten erreichte der ‘Neujahrsbote von Glarus Süd’ eine Auflage von 5000 Exemplaren», so Stiftungsrat Thomas Spälti.
Bild Martin Meier

Hinzu kommen grössere Geschichten, wahre Highlights, die in irgendeiner Form mit dem Glarner Hinterland etwas zu tun haben. «Wie etwa der Bericht über die in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts geplante Kistenpassstrasse», erklärt Thomas Spälti, Stiftungsrat des «Neujahrsboten». «Die Route hätte von Linthal hoch zur Baumgartenalp, weiter durch die Limmernebene und dann durch einen Tunnel ins bündnerische Brigels geführt.»

Was ein Vierfachmörder mit Glarus Süd zu tun hat

Geklärt wurde in einem «Neujahrsboten» auch, was Glarus Süd mit dem inzwischen verstorbenen Amokläufer Günther Tschanun zu tun hat. Der Chef der Zürcher Baupolizei erschoss im Frühling 1986 vier seiner Untergebenen. Nach dreiwöchiger Flucht wurde er in einer kleinen Pension in Frankreich verhaftet. Von einem Polizisten einer Spezialeinheit der Zürcher Stadtpolizei – vom Glarner Heiri Schiesser.

Die erste Ausgabe des Neujahrsboten erschien im Jahre 1967. «Zu seinen besten Zeiten erreichte er eine Auflage von 5000 Exemplaren», weiss Thomas Spälti. «Heute sind es noch deren 1600.» Das sind allerdings immer noch genug, dass der «Neujahrsbote» selbst noch lange nicht Geschichte ist. Übrigens: Der «Neujahrsbote 2023» erscheint anfangs Dezember.

Die Interkantonale

Brigitte Herger berichtet über ausserkantonale Themen – über den Urnerboden.
Brigitte Herger berichtet über ausserkantonale Themen – über den Urnerboden.
Bild Martin Meier

Brigitte Herger verleiht dem «Neujahrsboten von Glarus Süd» einen Hauch von Interkantonalität. Seit über zehn Jahren ist die 61-Jährige als Chronistin für den Urnerboden verantwortlich. Dort lebt sie auch, seit 1990, der Liebe wegen. Sie sei zwar eine Urnerin, aber geografisch bedingt mehr mit Glarus verbunden, erzählt Herger. Ihr Fachgebiet seien die Wettergeschichten. «Da konnte ich mich jahrelang auf Insiderwissen abstützen», meint die Chronistin. «Weil mein Mann Strassenmeister war und er über Wind und Wetter Bescheid wusste, da er darüber immer Buch geführt hat. Auch über die Schneehöhen», erzählt Herger, die sich noch genau ans Rekordjahr 1999 erinnert. «Damals fielen auf dem Urnerboden kumulierte 17 Meter.» Ans Aufhören denkt Herger (noch) nicht: «Dafür schreibe ich einfach zu gerne.»

Der alte Hase

Hans Luchsinger ist seit 24 Jahren Chronist beim «Neujahrsboten».
Hans Luchsinger ist seit 24 Jahren Chronist beim «Neujahrsboten».
Bild Martin Meier

Hans Luchsinger zählt zu den alten Hasen unter den Chronistinnen und Chronisten. «Ich bin ein Herr Wiederkehr», scherzt der 69-Jährige. Erstmals sei er als Gemeindeschreiber von Nidfurn zwischen 1978 und 1989 für den «Neujahrsboten» tätig gewesen, ein zweites Mal von 2012 bis 2023. Das verrückteste Jahr sei mit Abstand 2019 gewesen. «Damals ereigneten sich in Nidfurn innert kürzester Zeit drei Unglücksfälle», erinnert sich Luchsinger. «Zuerst brannte an der Hauptstrasse der ehemalige Dorfladen, wenig später krachte ein Auto in die 'Krone' und zu guter Letzt fiel auch noch ein Bub aus dem ersten Stock seines Hauses auf die Hauptstrasse.» In allen drei Fällen wurde aber glücklicherweise niemand gravierend verletzt.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Menschen & Schicksale MEHR