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Nach einem halben Jahr heisst es: Vaarwel Nederland, grüezi Mühlehorn

Ronja Dürst aus Mühlehorn hat für ein halbes Jahr in den Niederlanden auf einem Campingplatz gearbeitet. In dieser Kolumne erzählt die 20-Jährige, wie schwer ihr der Abschied fiel.

Südostschweiz
26.10.23 - 04:30 Uhr
Menschen & Schicksale
Wieder im alten Zuhause: Ronja Dürst ist nach ihrem Aufenthalt in den Niederlanden zurück in Mühlehorn.
Wieder im alten Zuhause: Ronja Dürst ist nach ihrem Aufenthalt in den Niederlanden zurück in Mühlehorn.
Bild Archiv/Ronja Dürst

von Ronja Dürst

Der Kofferraum ist gefüllt mit Gepäck, Geschenken für die Familie zu Hause, Karten und Aufmerksamkeiten der Gastfamilie und von Bekanntschaften aus der Region. Ich habe keine Lust, zurück in die Schweiz zu gehen. Ich denke wieder an den schweren Abschied heute Morgen.

Wir haben alle geweint und ich habe meine Gastschwestern dreimal «zum letzten Mal» umarmt. Die Familie stand winkend auf dem Hof, als ich im Regen wegfuhr. Ein letztes Mal sah ich den Camping und das Familienhaus.

Eigentlich sind die Tränen ein gutes Zeichen, denke ich. Es war eine schöne Zeit für uns alle und darauf können wir noch lange mit einem guten Gefühl zurückblicken.

Rückblick auf ein halbes Jahr Niederlande

Es ist ruhig auf der Autobahn. In Deutschland ist heute ein Feiertag und die Fahrt zurück in die Schweiz verläuft verhältnismässig ruhig. In meiner Melancholie gehe ich durch die Fotogalerie und schaue die Bilder des vergangenen halben Jahres an. Laute Regentropfen knallen gegen die Windschutzscheibe des Autos. Mir fällt auf, dass es in der Landschaft immer mehr Berge hat. Auf der Strasse sind kaum noch gelbe Nummernschilder zu sehen, denn die Grenze zu den Niederlanden liegt inzwischen schon ein grosses Stück zurück.

Ich stosse auf ein Foto vom ersten Tag in der Provinz Zeeland und erinnere mich noch gut an das Gefühl, das ich damals hatte. Eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität machte sich breit. Obwohl es sich so anfühlt, als ob das halbe Jahr innert Kürze vorbeiging, ist es, als hätte eine andere Person die Anfangszeit in den Niederlanden erlebt.

Durch den Umgang mit fremden Menschen und das Lernen einer neuen Sprache bin ich auf einmal auf ganz neue Eigenschaften und auch Grenzen von mir selbst gestossen. Ich habe mich in neuen Situationen kennengelernt und erfahren, welche Stärken und Schwächen ich habe.

Die Zeit in den Niederlanden war prägend und lehrreich. Gerade im Nachhinein bestätigt sich meine Vermutung, dass man während Auslandsaufenthalten enorm wächst. Dass man sich in einer neuen Umgebung einleben und aus seiner Komfortzone treten muss, macht es möglich, sich in einem wahnsinnigen Tempo zu entwickeln.

Blick in die Zukunft

Es fühlt sich an, als würde ich mich auf der deutschen Autobahn zwischen zwei Welten befinden. Mit 120 km/h nähere ich mich der Grenze zur Schweiz und frage mich, wie ich mich mit all den persönlichen Veränderungen wieder im alten Umfeld einleben werde.

Wie wird es in der Schweiz weitergehen? Welche Auswirkungen wird die Distanz im Nachhinein auf meine Beziehungen haben? Werden sich die Freundschaften anders anfühlen? Wie geht es mit der Familie in den Niederlanden weiter? Werden wir den Kontakt aufrecht erhalten? Eine Frage jagt die nächste und die Antworten darauf lassen sich nur in der Zukunft finden.

Ein neues Kapitel beginnt

Ich scrolle weiter und mein Herz wird ganz warm, wenn ich die Fotos mit den Familienmitgliedern in den Niederlanden ansehe. Mit einem wehmütigen Gefühl nähere ich mich der Schweizer Grenze. Ein neues Kapitel beginnt demnächst für die Familie und für mich. Die Saison auf dem Camping ist bald zu Ende und wir müssen uns nun alle umstrukturieren.

Ich schaue aus dem Fenster, das noch immer eine Vielzahl an Regentropfen abfängt. Mein Blick schweift über die Berge. Es ist inzwischen schon eingedunkelt und vereinzelt zeichnen sich Sterne am Himmel ab. Es ist ein halbes Jahr her, dass ich den Anblick der Berge aufnehmen konnte. In diesem Moment realisiere ich, dass es eigentlich wirklich schön ist, wieder bei den Bergen zu sein, wieder Schweizerdeutsch zu sprechen und vor allem bald wieder Familie und Freunde zu sehen, sie fest in die Arme zu nehmen und mit ihnen über alles zu reden, was im letzten halben Jahr geschehen ist.

Hinter uns liegt eine schöne Zeit, auf die wir zurückblicken dürfen. Doch auch in Zukunft wartet etwas Neues, was uns sicherlich bereichern wird. Mit geringer werdender Distanz zu meinem Heimatdorf wächst meine Neugierde, was das nächste Kapitel bringt.

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