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Für den guten Zweck zusammenspannen

Einst die Wiege einer Hochkultur, leidet Kambodscha heute nach wie vor unter den Folgen der Terrorherrschaft der Roten Khmer. Die drei gemeinnützigen Organisationen mit Davoser Bezug Child’s Dream, Traum­fänger und Kamboo Project helfen vor Ort mit Hilfe zur Selbsthilfe im Schul- und Bildungssektor.

Davoser
Zeitung
30.05.23 - 12:00 Uhr
Menschen & Schicksale
Ursina und Roli Brändli sowie Marc Jenni (vorne, v.r.) haben mit ihrem Einsatz schon einiges erreicht.
Ursina und Roli Brändli sowie Marc Jenni (vorne, v.r.) haben mit ihrem Einsatz schon einiges erreicht.
zvg

Die Zahlen sprechen Bände: Die Stiftung Child’s Dream, gegründet vom Davoser Marc Jenni und seinem Kollegen Daniel Siegfried, hat seit 2004 in vier Ländern Südostasiens, darunter auch Kambodscha, mehr als eine Million Bedürf­tige erreicht und über neunhundert Projekte realisiert. Dies vor allem – aber nicht ausschliesslich – durch Schulbauten, Schulsanierungskonzepte und Ausbildungsfinanzierungen (sogenannte «Scholarships»).

Traumfänger seit 2009 im Einsatz

Fast im Gleichschritt dazu hat die Traumfänger-Stiftung unter Federführung des Davoser Ehepaars Roland und Ursina Brändli Aktivitäten im Bildungsbereich durch professionelles Fundraising, fokussierte Projektauswahl und grossen persönlichen Einsatz unterstützt. Seit der Gründung im Jahr 2009 sind nicht weniger als 1.4 Millionen Franken an Spenden in etwa 30 zumeist grössere Schulprojekte nach Südostasien geflossen. Dies mit einer perfekten «Sozialrendite» von 100 Prozent, da die Traumfänger-Stiftung ihren gesamten Verwaltungs-, Administrations- und Reiseaufwand ohne Spenden und in Eigenregie schultert. Dabei wurden auch 20 Projekte von Child’s Dream co-finanziert und mitrealisiert.

Thomas Gilbert arbeitet unter anderem als Chemielehrer am «Sportgymi» Davos.
Thomas Gilbert arbeitet unter anderem als Chemielehrer am «Sportgymi» Davos.
zvg

Engagement von Kamboo Project

Die vom Wahldavoser Thomas Gilbert mitgegründete und etwas jüngere NGO Kamboo Project hat ihrerseits seit 2014 mehr als 30 000 Schülerinnen und Schülern vermittelt, wie wichtig Zähneputzen, Händewaschen und der reinliche Toilettengang ist, sie mit Fahrrädern versorgt und ihnen beigebracht, wie man Obst, Blumen und Gemüse pflanzt. Gleichzeitig zeigt man inzwischen fast 250 Lehrpersonen an mehr als 30 Schulen im Prasat-Bakong-Distrikt, wie sie Schul-mediotheken einrichten, Laptopunterricht durchführen, eigenhändig eine Wasserpumpe reparieren, das Dach flicken oder die Wand streichen können.

Allen drei NGOs stehen demzufolge engagierte Davoserinnen und Davoser vor. Während der Pandemie hat man zusammengespannt und die sich ergänzenden Kompetenzen gebündelt. Ende April wurden die Früchte dieser Kooperation geerntet: Die sanierte «Phum Pheak»-Primarschule im Distrikt Prasat Bakong konnte feierlich eröffnet werden. Marc Jenni, Ursina Brändli und Roli Brändli weilten persönlich vor Ort, während Thomas Gilbert – selbst in seiner gewohnten Rolle als Chemielehrer an der SSGD und der Bündner Kantonsschule Chur im Einsatz – im Juli nach Asien reisen wird, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Er hatte die Schule 2019 mit seinem Team auf einer ihrer Inspektionsfahrten auf dem Motorrad entdeckt. Mit ihm hat die DZ gesprochen:

DZ: Thomas Gilbert, warum braucht es drei Organisationen?

Thomas Gilbert: Child’s Dream, Traum­fänger-Stiftung und Kamboo Project sind komplementär, sowohl was Aufgabenbereich als auch Kernkompetenzen anbelangt. Während Traumfänger sich auf Fundraising konzentriert und zu 100 Prozent aus Davos operiert, sind Child’s Dream und Kamboo Project zum grossen Teil «Implementierinnen». In der Hauptsache identifizieren, analysieren und setzen wir Projekte mit lokalen Teams vor Ort um. Wir verfolgen aber das gleiche Ziel– Bildung und Gesundheit stärken – im ­selben Zielgebiet– dem ländlichen Raum von Südostasien. Wir haben sehr ähnliche Visionen. Das passt gut zusammen.

Worin unterscheiden sich die drei NGOs?

Der grosse Unterschied liegt in der Grösse- – und diese bestimmt die genauen Arbeitsfelder: Child’s Dream ist eine Stiftung und setzt mit inzwischen über 70 Angestellten jährlich Projekte im Wert von 10 Millionen Franken um. Marc, Daniel und Team decken dabei die ganze Sub-Mekong-Region ab. Das ist eine irrsinnig tolle Entwicklung und verdiente Ernte des nicht ganz unriskanten Entscheids vor 20 Jahren, nämlich alles auf die Karte Entwicklungsarbeit zu setzen. Da kann ich als Angestellter an zwei Schulen und können wir als Verein Kamboo Project mit wenigen, ehrenamtlich Tätigen in der Schweiz und einem kleinen, fünfköpfigen Team vor Ort nicht mithalten. Ich lege pro Woche einen bis eineinhalb Tage Zeit auf die Seite, meistens frühmorgens wegen der Zeitverschiebung oder am Wochenende. Den anderen Vorstandsmitgliedern geht es nicht anders – ausser Somalita Keo, denn sie leitet das operative Geschäft in Siem Reap. Sie ist unsere einzige Hauptangestellte und mit ihrer Erfahrung aus grösseren NGOs ein Riesenglücksfall für uns. Unsere Programme legen ihr Augenmerk auf Aspekte wie Hygieneprogramme, Beseitigung von Ungleichheiten und Menschenrechte. Das soll so sein und wird aller Vorausschau nach auch so bleiben. Die Traumfänger-Stiftung wiederum ist noch einmal anders aufgestellt. Es handelt sich um eine Stiftung, die sehr gezielt von Davos aus operiert, für ihre Donatoren sorgsam Projekte ausliest und dazu Partnerschaften vor Ort eingeht – wie eben mit Child’s Dream oder jetzt mit uns. Das führt zu unterschied­lichem Ressourcenbedarf und verschiedenen Rechtsformen.

Wie arbeiten die drei NGOs zusammen, und was haben sie im Rahmen der Zusammenarbeit voneinander gelernt?

Child’s Dream und Kamboo Project als «Groundhandler» in den Ländern funktionieren nur, wenn man Geldgeber wie die Traumfänger-Stiftung hat. Die Traumfänger-Stiftung funktioniert nur, wenn man einen «Implementierer» wie Child’s Dream hat. Eine unabdingbare Symbiose! Die Wirkung ist die genau gleiche wie die der implementierenden NGOs. Zusammenarbeiten dieser Art sind sogar ausgesprochen effizient. Die Traumfänger-Stiftung braucht keine «Implemen-tierungskompetenz», und Organisationen wie Kamboo Project oder Child’s Dream brauchen weniger Fundraising-Aufwände. Jeder konzentriert sich also auf das, was er am besten kann. Wir von Kamboo Project haben zudem von den beiden anderen viel lernen dürfen – wir sind ja doch fünf beziehungsweise zehn Jahre jünger. Sie können sich nicht vorstellen, was alles danebengehen kann. Wir haben von einer anderen NGO gehört, die eine Schule saniert hat – und einen Monat nach Fertigstellung wird eine Strasse geschlossen oder umgeleitet – und alles ist anders. Man kann viel Geld wirkungslos verpuffen lassen, wenn man im Vorfeld seine Hausaufgaben nicht ordentlich macht. Von Roli und Ursina habe ich schliesslich gelernt, wie man im Entwicklungsbereich eine langfristige Partnerschaft vertrauensvoll gestaltet. Marc, Daniel und die Brändlis – das ist so eingespielt. Alle ziehen an einem Strang. Da hat es einfach Freude gemacht, sich beteiligen und einbringen zu dürfen. Wir von Kamboo Project haben dann 20 Prozent der Schulsanierung mitfinanziert und die Verantwortung für den kapitalintensiven Teil in die Hände von Child’s Dream und Traumfänger gelegt. Die Arbeit von Kamboo Project mit den Lernenden, dem Lehrerteam und den Eltern beginnt ab sofort, mit dem ersten Schultag nach der Einweihung.

Das Engagement von NGOs in Südostasien hat einen wichtigen Anteil daran, dass zum Beispiel Kambodscha von den Vereinten Nationen zum Zweitweltland hochgestuft wurde.
Das Engagement von NGOs in Südostasien hat einen wichtigen Anteil daran, dass zum Beispiel Kambodscha von den Vereinten Nationen zum Zweitweltland hochgestuft wurde.
zvg

Sind die Tätigkeiten von NGOs wirklich wirksam? Ist nicht doch vieles vergebene Liebesmüh?

Schauen Sie, wenn Menschen wie Ursina, Roli, Marc oder ich ein Projekt aufsetzen, sind wir sicherlich irgendwo alle Idealisten und voller Hoffnung. Aber sobald das Projekt implementiert, ausgeführt und dann nachverfolgt und ausgewertet wird, wird es ein recht nüchternes Geschäft: NGO-Gütesiegel-Lizenzgeberinnen wie die Zewo in der Schweiz und professionelle Geldgeber erwarten Nachweise sowohl der Effektivität als auch der Nachhaltigkeit der von uns geleisteten und von ihnen finanzierten Hilfestellung. Wir legen alles in Jahresberichten transparent offen. Zweitens verfolgen alle drei NGOs eine konsequente Strategie der Mitbeteiligung der Bevölkerung, um die Eigenverantwortung und die Entwicklung der Gemeinschaft zu fördern. Im Grunde ist es wie bei uns in der entwickelten Welt: Wenn Du mit Deinem eigenen Geld «drinhängst» oder eigenen Schweiss vergossen hast, dann willst Du auch, dass es klappt.

Was halten Sie den Kritikern entgegen?

In den Regionen, in denen Child’s Dream und Traumfänger tätig sind, gingen vor Beginn ihres Engagements 40 Prozent und weniger der Kinder in die Primarschule. Heute stehen die Einschulungsraten dort bei über 90 Prozent. Da, wo Kamboo Project an Primarschulen Hygienetraining durchführt und Mobilität durch den Gebrauch eines Schulvelos fördert, sind die krankheits- oder wetter­bedingten Abwesenheitsfälle von Kindern um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Als Folge der Aktivitäten aller drei Organisationen sinkt die Zahl analphabetischer Lernender spürbar, und die Zahl der Kinder, die schlussendlich in höhere Schulen gehen, steigt kontinuierlich an. Natürlich können wir nicht eins zu eins messen, was der Impact unserer Gesamtaktivitäten auf das Bruttosozialprodukt und die soziale Gerechtigkeit des ganzen Landes ist. Das wäre vermessen. Dennoch ist klar: Das langjährige, beharr­liche Engagement von NGOs in Südostasien hat einen wichtigen Anteil daran, dass zum Beispiel Kambodscha von den Vereinten Nationen kurz vor der Pandemie zum Zweitweltland – statt wie bisher Drittweltland – hochgestuft wurde. Leider hat der lange Lockdown in Asien uns wieder etwas zurückgeworfen. Wir alle drei bleiben mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit an unserer Mission dran.

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