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Sein Bagger bleibt neun Monate lang spurlos verschwunden

Im Jahr 2016 machte die Geschichte von einem verschollenen Bagger der Firma Pfeiffer die Runde. Jetzt ist der Mann, der ihn hat verschwinden lassen, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Daniel
Fischli
04.04.23 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Viel Geld: Landmaschinenhändler Markus Pfeiffer hat aus der Geschichte nach eigenen Angaben einen Schaden in der Höhe eines grossen fünfstelligen Betrags zu tragen.
Viel Geld: Landmaschinenhändler Markus Pfeiffer hat aus der Geschichte nach eigenen Angaben einen Schaden in der Höhe eines grossen fünfstelligen Betrags zu tragen.
Archivbild Sasi Subramaniam

Das Glarner Obergericht hat einen 54-jährigen Mann aus dem Kanton Glarus in zweiter Instanz zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Sündenregister des Mannes ist lang und umfasst Betäubungsmitteldelikte, die Fälschung von Ausweisen, das Fahren ohne Berechtigung oder Gewalt gegen Polizisten. Am eigenartigsten ist aber ein Sachverhalt, der von der Justiz unter dem Begriff «Veruntreuung» abgehandelt wird.

Die «Glarner Nachrichten» titelten im August 2016: «2,6-Tonnen-Bagger spurlos verschollen.» Der Landmaschinenbetrieb Pfeiffer in Niederurnen vermisste seit dem Februar einen Mietbagger mit einem Neuwert von 50 000 Franken. Einen Kontakt mit dem Mieter herzustellen war nicht möglich, Telefonanrufe, Briefe und E-Mails blieben unbeantwortet. Sogar an seinem Wohnort versuchte der Landmaschinenhändler den Mieter zu finden. Also nahm er Facebook zu Hilfe: Falls jemand die Maschine sehe, solle er sich doch melden, schrieb er.

Postwendend meldete sich der Mieter per E-Mail und versprach, den Bagger eine Woche später zurückzubringen. Dann schindete er noch eine Woche heraus und überwies eine Anzahlung von 2800 Franken. Dann passierte wieder nichts mehr und der Bagger blieb verschwunden.

Per Zufall in Tuggen gefunden

Drei Monate nach dem Zeitungsartikel und mehr als neun Monate nach der Übernahme hat die Ehefrau des Landmaschinenhändlers den Bagger per Zufall in Tuggen auf einem Abstellplatz gefunden. Der zu diesem Zeitpunkt fällige Mietpreis betrug 12 302 Franken. Und der Bagger war beschädigt. Im erstinstanzlichen Urteil des Glarner Kantonsgerichts wird der verurteilte 54-jährige Baggermieter dazu zitiert. Der Bagger habe «übliche Gebrauchsspuren» aufgewiesen: Es sei ein bisschen Farbe weggekommen, die Ventilklemme des Hauptzylinders des Baggerarms sei gebrochen, das Schutzblech des Hauptzylinders des Baggerarms sei abgebrochen, und allenfalls habe es noch eine Beule oder so gegeben. Auch die Feder des Lasthakens sei kaputt.

Bei der Einvernahme bei der Polizei hat der Baggermieter offenbar auf den Zeitungsartikel Bezug genommen. Er habe erfahren, dass der Vermieter öffentlich behaupte, der Bagger sei gestohlen worden. Und er habe im Mietvertrag gesehen, dass der Bagger pro Tag nur zehn Franken koste und sich gedacht, dass er den Bagger nicht zurückbringe. «Der Spass sei es ihm wert gewesen», wird er im Urteil zitiert.

Weiter erklärte der Mieter, er habe nicht die Absicht gehabt, sich den Bagger anzueignen, und hätte der Vermieter ihm nicht gedroht, hätte er ihn «schon längst zurückerhalten». Schliesslich behauptete er sogar, der Bagger sei ihm vom Vermieter in Tuggen gestohlen worden.

Die «Glarner Nachrichten» titelten im August 2016: «2,6-Tonnen-Bagger spurlos verschollen.»

Wie sein Eigentum behandelt

Das Glarner Kantonsgericht kommt in seinem erstinstanzlichen Urteil zum Schluss, die «lange Dauer der Nichtrückgabe sowie die Tatsache, dass der Bagger nicht freiwillig retourniert, sondern nur zufällig gefunden wurde», seien Indizien dafür, «dass der Beschuldigte den Willen zur dauernden Enteignung und zumindest vorübergehenden Aneignung hatte». Auch die Schäden am Bagger würden darauf hindeuten, dass der Mieter die Maschine wie sein Eigentum behandelt habe.

Der Mieter habe den Bagger sich also aneignen wollen und er habe sich damit bereichern wollen. Denn er sei hoch verschuldet, und es sei nicht davon auszugehen, dass er hätte den vollen Mietpreis bezahlen oder den Bagger ersetzen können. Damit habe sich der Mieter der Veruntreuung schuldig gemacht. Laut seiner Verteidigerin lebt er «in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen». Womit er seinen Lebensunterhalt verdient, bleibt auch für das Gericht schleierhaft.

Einschlägig vorbestraft

Da der Bagger einen Neuwert von 50 000 Franken habe, stelle die Veruntreuung einen «bedeutenden» Eingriff in das Vermögen des Vermieters dar, so das Kantonsgericht. Ausserdem sei der Mieter schon wegen mehrfacher Veruntreuung vorbestraft. Deshalb sei eine Freiheitsstrafe auszusprechen, «um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Vergehen abzuhalten». Gesamthaft liege aber «noch eher leichtes Verschulden» vor, eine Freiheitsstrafe von neun Monaten für die Veruntreuung sei angemessen.

Der Mann sei bereits vorher zu unbedingten Gefängnisstrafen verurteilt worden und «ein deutlich positiver Lebenswandel» des Beschuldigten sei «nicht aktenkundig», so das Gericht. Ausserdem zeige der Mann keine Einsicht. Die Gefängnisstrafe sei deshalb unbedingt auszusprechen.

«Verwerflicher Beweggrund»

Vor dem Obergericht war die Veruntreuung an sich nicht mehr strittig, aber das Strafmass. In seinem Urteil hält das Obergericht fest, die kriminelle Energie sei als «nicht mehr leicht» einzustufen, denn der Beschuldigte habe eine nicht mehr existierende Firma als Mieterin angegeben. Ausserdem habe er sich für den Zeitungsbericht rächen wollen, «womit sein Handeln von einem verwerflichen Beweggrund geleitet wurde», so das Obergericht. Es bestätigt in seinem Urteil dasjenige der Vorinstanz im Wesentlichen.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert.

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