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Die Steuern werden nicht weiter gesenkt

Das Bündner Parlament tagt bis am Donnerstag in Chur. Die Aprilsession steht im Zeichen von zahlreichen Aufträgen und Anfragen.

Philipp
Wyss
20.04.22 - 16:32 Uhr
Politik
Noch bis am Donnerstag findet im Grossratsgebäude in Chur die Aprilsession statt. Im Bild die Regierungsbank.
Noch bis am Donnerstag findet im Grossratsgebäude in Chur die Aprilsession statt. Im Bild die Regierungsbank.
Bild Livia Mauerhofer

Ticker

Am zweiten Tag der Aprilsession hat der Grosse Rat:

  • Die dringliche Anfrage zu Sanktionen gegen Russland für erheblich erklärt.
  • Den kantonalen Gesetzen über Härtefallmassnahmen für Unternehmen und über Massnahmen für Publikumsanlässe im Zusammenhang mit Covid zugestimmt.
  • Diverse Vorstösse diskutiert.

Die Session wird am Donnerstag ab 8.15 Uhr fortgesetzt. Die Debatten sind öffentlich. Wie bei jeder Session tickern wir auch von der Aprilsession für euch.

Wärmeerzeugungsanlagen sollen einfacher realisierbar sein

Als nächstes geht es um einen Auftrag von Grossrat Philipp Wilhelm (SP, Davos) betreffend rascher Abbau von regulatorischen Hürden beim Förderprogramm im Bereich von Wärmeerzeugungsanlagen. Wilhelm sieht für den raschen Umbau auf erneuerbare Wärmeversorgung aber kurzfristig teilweise regulatorische Hürden im Weg. Das aktuelle Energiegesetz des Kantons Graubünden etwa macht die Zusicherung von Beiträgen für Neubauten und Ersatzbauten mit Vorbildcharakter davon abhängig, dass mit der Ausführung erst nach der Zusage begonnen werden darf und dass die Gültigkeitsdauer auf zwei Jahre beschränkt ist. In seinem Auftrag schreibt Wilhelm aber von einer anderen Realität, sodass ganze Quartiere mit einem Verteilnetz aus erneuerbarer Energie versorgt werden könnten. Das setze aber meist grössere Vorinvestitionen voraus, die weit über die zeitliche Beschränkung von zwei Jahren, meist erst über mehrere Jahre hin abgeschlossen sein werden. Wilhelm fordert eine rasche Regelung, die die Fristen verlängert oder gar offenlässt. In diesem Sinne will der von knapp drei Vierteln der Ratsmitglieder unterzeichnete Auftrag die Regierung beauftragen, dem Grossen Rat eine Anpassung vorzulegen, um regulatorische Hürden beim Förderprogramm im Bereich von Wärmeerzeugungsanlagen abzubauen und Förderbeiträge zugunsten erneuerbarer Wärmeerzeugung auch bei den Clusterbildungen bereits in der ersten Etappe des Aktionsplans «Green Deal Graubünden» auszulösen.

Das sieht die Regierung jedoch anders, wie sie in ihrer Antwort schreibt. Regierungsrat Mario Cavigelli (Mitte, Domat/Ems) sagt einleitend, dass er sich in einer nicht komfortablen Lage befinde. So schreibt die Regierung in ihrer Antwort, dass die Förderprogramme des Kantons seit Jahren praxiserprobt und sind und sich bewährt haben. Durch die gemäss Auftrag angedachte Verlängerung der Fristen wird eine erhöhte zeitliche Flexibilität beim Einreichen von Gesuchen im Bereich von Wärmeerzeugungsanlagen erwartet. Diese Einschätzung teilt die Regierung nicht. Längere Realisierungsfristen bewirken im Ergebnis eine verzögerte Umsetzung der jeweiligen Vorhaben und tragen im Konkreten dazu bei, die Förderwirkung abzuschwächen und den Eintritt der Wirkung hinauszuschieben. Einer solchen Verzögerung wirkt die Fristenregelung entgegen. Dies entspricht auch dem politischen Willen bei der Diskussion des Gesetzes sowie der Debatte im Jahr 2021 zum Aktionsplan «Green Deal Graubünden» im Grossen Rat.

Trotz des Antrages der Regierung, den vorliegenden Auftrag abzulehnen, überweist ihn das Parlament mit 88:1 Stimmen bei 1 Enthaltung.

Keine weiteren Mitarbeitendenbefragungen

In der kantonalen Verwaltung finden nicht flächendeckend und regelmässig Personalbefragungen statt. Die SP-Fraktion stellt darum nach der Nachmittagspause in einem Auftrag Fragen zu regelmässigen Mitarbeitendenbefragungen. Erstunterzeichner Conradin Caviezel (SP, Chur) sagt, dass das Parlament die Oberaufsicht über die Verwaltung hat. «Darum liegt dieser Auftrag auf dem Tisch», so Caviezel. Regelmässige Mitarbeitendenumfragen sind ein einfaches, unkompliziertes Mittel, um Verbesserungspotenzial zu identifizieren und ein attraktives (Zusammen-)Arbeitsumfeld sicherzustellen, schreibt die SP. Im Personalmanagement gehören regelmässige Personalumfragen heute zu den Basics. Nur wenn sich eine Arbeitsorganisation dauernd verbessert, besteht langfristig die Chance, talentiertes Personal gewinnen respektive halten zu können. Daher verlangen Caviezel und 19 Mitunterzeichnende, dass künftig in regelmässigen Abständen professionelle Mitarbeitendenumfragen in der gesamten kantonalen Verwaltung durchgeführt werden.

Das sieht die Regierung anders. Sie beantragt dem Grossen Rat, den Auftrag abzulehnen. Mitarbeitendenbefragungen sind ein wichtiges Instrument, schreibt die Regierung in ihrer Antwort, um die Sicht der Mitarbeitenden abzuholen. Die Führungsverantwortlichen nehmen aber aus den jährlich durchgeführten Mitarbeiterbeurteilungsgesprächen Anliegen der Mitarbeitenden zum Arbeitsverhältnis auf. Diese Gespräche haben sich in der Vergangenheit bewährt, so die Regierung.

Im vergangenen Jahr wurden, nebst einer Umfrage beim Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit, sämtliche Mitarbeitende mittels Onlinebefragungen, Interviews oder Workshops befragt. Dabei wurden die Rahmenbedingungen, die Prozesse, die Sichtweise der Führung und die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu den Themen Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben erhoben. Die Rücklaufquote beträgt 57 Prozent und zeigt das Interesse der Mitarbeitenden, sich einzubringen. Im Weiteren sind im laufenden Jahr gezielte Befragungen in einzelnen Dienststellen geplant.

«Die Legislative sollte nicht in die Personalführung eingreifen und diesen Auftrag überweisen. Damit bringen wir die Zuständigkeiten durcheinander», sagt Grossrat Reto Loepfe (Mitte, Rhäzüns). Für Grossrat Bruno W. Claus (FDP, Chur) geht Kollege Loepfe zu wenig weiss. «Wir müssen trennen und dürfen uns in diesem Gebiet nicht profilieren. Andernfalls schaden wir den Institutionen.» Damit sage er aber nichts über den Inhalt des Auftrags, so Claus.

Der Regierung ist der Nutzen von Mitarbeitendenbefragungen für die Kantonale Verwaltung in Ergänzung zu spezifischen Befragungen oder Mitarbeitergesprächen bewusst. Dieses Instrument möchten die Führungsverantwortlichen jedoch gezielt und nach Bedarf einsetzen. Die Regierung will sich auch vorbehalten, den Kreis der Teilnehmenden frei zu bestimmen. Trotz der positiven Würdigung in der Sache braucht es – was auch ein interkantonaler Vergleich bezüglich dieses Instruments zeigt – entsprechende Flexibilität in der Ausgestaltung und Durchführung, welche der Auftrag in seiner Vorgabe bezüglich Teilnehmerkreis und Kadenz nicht zulässt, schreibt die Regierung.

Das Parlament lehnt den Auftrag mit 76:19 Stimmen bei 1 Enthaltung ab.

Tag 2 der Aprilsession: mit zahlreichen, interessierten BesucherInnen und einer engagierten Fraktion

Posted by Valérie Favre Accola on Wednesday, April 20, 2022

Kaffeepause am Rande der Churer Altstadt

Nachdem das Bündner Kantonsparlament mit der Abarbeitung von Anfragen und Aufträgen zügig vorangekommen ist, schwirren die Parlamentarierinnen und Parlamentarier vom Grossratsgebäude in die naheliegenden Cafés aus und geniessen die Nachmittagspause.

Steuern werden vorerst nicht gesenkt

Die FDP fordert mit einem Fraktionsauftrag Steuersenkungen für einen attraktiven Kanton. Grossrat und Erstunterzeichner Norbert Mittner (FDP, Igis) hat mit dem Auftrag ein heisses Eisen aufgegriffen. Zahlreiche Redner aus der Wirtschaftspartei begründen den Zeitpunkt der Thematisierung mit den in den vergangenen Jahren immer wieder guten Rechnungsabschlüssen des Kantons. Wohl alle würden gerne weniger Steuern bezahlen, als Privatpersonen wie auch als Geschäftsbesitzer, sagt etwa Grossrat Thoms Gort (SVP, Küblis). Vorsichtiger sieht das Grossrat Martin Bettinaglio (Mitte, Serneus). Er möchte zunächst anstehende Leistungen überprüfen. Mittner fordert von der Regierung zu Handen des Grossen Rats Handlungsempfehlungen zur Senkung der Steuerbelastung für natürliche wie auch juristische Personen. Dabei sei darauf zu achten, dass mittels jedes eingesparten Steuerfrankens die grösstmögliche Wertschöpfung für den gesamten Kanton erzielt wird, heisst es im Auftrag der FDP.

Regierungsrat Christian Rathgeb (FDP, Chur) zeigt sich erfreut über die intensive Debatte. «Wir haben in dieser Legislatur mehr über Steuern diskutiert und auch Steuersätze justiert als in vorangegangenen Legislaturen», so Rathgeb. Wir haben sehr viel unserer Hausaufgaben gemacht, so Rathgeb. Und die Regierung schreibt, dass in der laufenden Legislaturperiode 2019 bis 2022 bereits erhebliche steuerentlastende Massnahmen für natürliche und für juristische Personen beschlossen und umgesetzt worden sind. Auswirkungen auf die Kantonserträge werden sich dabei jedoch erst in den nächsten Jahren zeigen, so die Regierung. Zudem würden die finanzpolitischen Szenarien für die Planjahre 2023 bis 2025 zeigen, dass die mittelfristigen Finanzperspektiven mit relativ grossen Unsicherheiten behaftet sind. Insbesondere die optimistisch eingesetzte Gewinnausschüttung der Nationalbank bis 2025 mit jährlich 93 Millionen ist keineswegs gesichert, da die Höhe der effektiven Auszahlungen der SNB in den kommenden Jahren massgeblich von der Entwicklung der Finanzmärkte abhängt.

  • 2019 verabschiedete der Grosse Rat die Erbschaftssteuerreform. 2021 wechselte der Kanton von der Nachlass- zur Erbanfallssteuer und vereinheitlichte damit Erbschafts- und Schenkungssteuern von Kanton und Gemeinden. 
  • 2019 verabschiedete der Grosse Rat die Steuerreform und AHV-Finanzierung. Die kantonalen Sonderregelungen für Domizil-, Holding- und gemischte Gesellschaften wurden auf 2020 abgeschafft und durch steuerentlastende Massnahmen ersetzt. Der kantonale Gewinnsteuersatz wurde von 5,5 auf 4,5 Produzent und damit die Gewinnsteuerbelastung für juristische Personen mit 14,73  beziehungsweise ab 2021 mit 14,77 Prozent unter den Schweizer Durchschnitt von 14,87 Prozent gesenkt. Dividenden aus qualifizierenden Beteiligungen im privaten Vermögen unterliegen seit 2020 der Teilbesteuerung im Umfang von 50 Prozent. Der Steuerfreibetrag bei den natürlichen Personen wurde von 15'000 Franken auf 15'500 Franken erhöht, was jährliche Steuerausfälle für den Kanton von 6 Millionen Franken und für die Gemeinden von 5 Millionen Franken bewirkt. Aus der Steuerreform und die AHV-Finanzierung resultieren für den Kanton und die Gemeinden jährliche Steuerausfälle von je gut 18 Millionen Franken. Der Bund beteiligt sich daran mit je 7 Millionen Franken.
  • 2020 beschloss der Grosse Rat, den Maximalsatz der Sondersteuer auf Kapitalleistungen aus Vorsorge von 4,0 auf 2,0 Prozent zu senken. Damit wurde die Konkurrenzfähigkeit Graubündens bei Kapitalbezügen gesteigert. Seit 2021 nimmt er im interkantonalen Vergleich einen Spitzenplatz ein.

Der Finanzdirektor weist weiter auf die Möglichkeit hin, dass der Grosse Rat bei der jährlichen Festlegung der Steuerfüsse im Rahmen des Budgets auf das aktuelle Umfeld reagieren kann. Aus diesen Gründen erachtet die Regierung die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für Steuersenkungen als nicht opportun. Und sie beantragt dem Grossen Rat, den vorliegenden Auftrag abzulehnen. Was dieser in der nachfolgenden Abstimmung mit 59:49 Stimmen bei 0 Enthaltungen auch macht.

Kindergartenobligatorium, Lektionen statt Stunden und mehr Lohn für Kindergartenlehrpersonen

In ihrer Anfrage ortet Grossratsstellvertreterin Barbla Conrad-Roner (Mitte, Suot Tasna) ei den Löhnen der Kindergartenlehrpersonen Handlungsbedarf. Diese sind die tiefsten der Schweiz und haben seit längerem negative Auswirkungen auf die Rekrutierung der Kindergartenlehrpersonen im Kanton, schreibt Conrad-Roner.

Um weiterhin genügend Kindergartenlehrpersonen für alle Schulen in unserem dreisprachigen Kanton, vor allem auch in den romanischsprachigen Schulen, zu haben, ist es unerlässlich, die Anstellungs- und Lohnbedingungen im Kanton zu verbessern und sie dem Rest der Schweiz anzupassen. Es erscheint wenig sinnvoll, in Graubünden eine Pädagogische Hochschule zu haben, wenn dann viele austretende, angehende Kindergartenlehrpersonen in andere Kantone abwandern, heisst es in der Anfrage. 

Im Lichte der gemachten Ausführungen stellten knapp 50 Unterzeichnende der Regierung vier Fragen, die diese wie folgt beantwortet hat:

Mit welcher Begründung wird der niedrigere Lohn bei den Kindergartenlehrpersonen mit derselben Ausbildung, bei gleichem Lehrauftrag und Tätigkeitsfeld, dem gleichen Arbeitsaufwand und den gleichen Aufgaben gerechtfertigt? Ist mit der Teilrevision des Schulgesetzes eine Anpassung vorgesehen?

Die benötigte Bachelorausbildung auf Stufe Kindergarten, die Einführung des Lehrplans 21 sowie ein vergleichbares Tätigkeitsfeld mit der Primarlehrperson, gepaart mit der Tatsache, dass im Kanton Graubünden die Löhne der Kindergarten­lehrpersonen schweizweit die tiefsten sind, veranlasst die Regierung im Rahmen der bevorstehenden Teilrevision des Schulgesetzes die Lohnsituation für Lehrpersonen der Kindergartenstufe zu prüfen.

Die Schule ist obligatorisch und nur in Graubünden, als schweizweit einziger Kanton, der Kindergarten nicht? Faktisch besuchen bereits 98 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwei Jahre den Kindergarten. Die restlichen zwei Prozent überspringen oder besuchen während drei Jahren den Kindergarten. Ein Obligatorium ändert nichts an der bereits gelebten Praxis. Das Recht auf eine lückenlose und gute Bildung sollte für alle Kinder gelten.

Es ist vorgesehen, das Thema Kindergartenobligatorium im Rahmen der bevorstehenden Teilrevision des Schulgesetzes zu prüfen.

Sieht die Regierung auch den Anpassungsbedarf bei der Klassenleitungsfunktion, wenn diese bei den Kindergartenlehrpersonen nicht gleichwertig wie bei den anderen Lehrpersonen des Zyklus 1 entschädigt wird, auch wenn die Leistungen identisch sind? Einige Gemeinden haben das erkannt und entschädigen entsprechend, nun sollte dies auch vom Kanton honoriert und gesetzlich verankert werden.

Es ist vorgesehen, anlässlich der geplanten Schulgesetzrevision die Ausdehnung der Entlastungslektion für Klassenlehrpersonen von der Primar- und Sekundarstufe I neu auch auf die Kindergartenstufe zu prüfen.

Wie erklärt man sich die ungleichen Arbeitszeiten, konkret die Abrechnung in Stunden bei Kindergartenlehrpersonen und in Lektionen bei Primarlehrerinnen und Primarlehrern? Umgerechnet sind es bei den Kindergartenlehrpersonen aktuell drei Lektionen pro Woche mehr.

Gestützt auf den zyklusgebundenen Lehrplan 21 sowie auf die Bachelorausbildung auf Stufe Primar und der damit einhergehenden grösseren strukturellen Nähe der beiden Schulstufen Kindergarten und Primar ist es für die Regierung angezeigt, die Einführung von Lektionen (statt bisher Stunden) auf der Kindergartenstufe zu prüfen. Dies nicht nur infolge systemischer, sondern auch aufgrund organisatorischer Aspekte.

Abschliessend, so die Regierung, lässt sich festhalten, dass Handlungsbedarf in allen vorgebrachten Punkten der Fragen bereits erkannt ist. Sämtliche vorgebrachten Anliegen der Unterzeichnenden werden im Rahmen der laufenden Teilrevision zum Schulgesetz behandelt und entsprechende Umsetzungsvorschläge im Vernehmlassungsverfahren präsentiert.

Ier havein nus astgau visitar il Plantahof - in menaschi multifar e fetg interessant. Oz ha ei allura cuntinuau el Cussegl grond cun il secund di dalla sessiun da primavera.

Posted by Diego Deplazes on Wednesday, April 20, 2022
BIld Pixabay

Kampf gegen die Kriminalität im Cyberraum

Die Aprilsession wird nach der Mittagspause mit der Anfrage von Grossrätin Valérie Favre Accola (SVP, Davos) betreffend statistische Erfassung von Cybergrooming fortgesetzt («suedostschweiz.ch» berichtete). Cybergrooming liegt vor, wenn Erwachsene in sozialen Netzwerken, Diskussionsforen oder auf Videospiel-Webseiten mit Jugendlichen oder Kindern in Verbindung treten, um einen späteren Missbrauch vorzubereiten, schreibt Favre Accola in der Anfrage. Sie stellte der Regierung vier konkrete Fragen zum Kinderschutz. Nach einer niederschwelligen Meldestelle, wo auch anonym Vorfälle online erfasst werden können. Weiter sollen alle Schulgemeinden beauftragt werden, eine niederschwellige Anlaufstelle zu definieren. Weiter fragt Favre Accola, welche interkantonalen Kooperationen es gibt und ob die Regierung bereit ist, die Aufstockung der personellen Ressourcen bei der Kantonspolizei zu prüfen, sollte der Bedarf für ein verstärktes Vorgehen in der Bekämpfung der sexualisierten Gewalt im Cyberraum gegen Jugendliche und Kinder notwendig sein.

Für die Schulsozialarbeit sind die Schulträgerschaften zuständig, sagt Regierungsrat Peter Peyer (SP, Trin). Von aktuell 87 Schulträgerschaften kennen nur 23 oder 20 Prozent eine Schulsozialarbeit. Diese würden aber 11'000 von insgesamt 18'000 Schülerinnen und Schüler Zugang zu einer Schulsozialarbeit ermöglichen, so Peyer.

In ihrer Antwort schreibt die Regierung, dass eine Meldestelle, die auch anonym angegangen werden kann, vor allem hilfreich sei, um sich ein Bild über Häufigkeit und Ausgestaltung von Cybergrooming machen zu können. Allerdings seien anonym gemeldete Vorfälle strafprozessual schwierig weiterzuverfolgen. In der Schweiz bestehen im Bereich der Bekämpfung von Cyberkriminalität das Netzwerk Ermittlungsunterstützung digitaler Kriminalitätsbekämpfung. Ebenfalls existiert eine Informationsaustauschplattform für serielle Onlinekriminalität der Westschweizer Kantone. Diese steht der Kantonspolizei Graubünden ab Frühling zur Verfügung. Weiter seien die Polizeikorps der Schweiz am Aufbau von Informations- und Datenaustauschplattformen in verschiedenen Themenbereichen. Und abschliessend schreibt die Regierung in ihrer Antwort, dass die Verlagerung in den Cyberraum von der Staatsanwaltschaft und der Polizei personelle und organisatorische Anpassungen sowie Investitionen in Weiterbildung und Infrastruktur erfordert. Die Budgetkompetenz dazu liegt beim Grossen Rat.

Auf der Homepage des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit finden sich Informationen und Links zur Thematik Aufklärung im Bereich Cybergrooming für Jugendliche und Kinder. Unter anderem den Hinweis auf Pro Juventute Beratung + Hilfe 147, die als Anlaufstelle fungiert, bei welcher Kinder und Jugendliche rund um die Uhr vertraulich und kostenlos anrufen können. Weiter bieten Stellen wie Adebar, der Schulpsychologische Dienst, die Kinder- und Jugendpsychiatrie oder die Schulsozialarbeit für Kinder und Jugendliche im Einzelfall als Anlaufstelle konkrete Unterstützung an. 

An Guata

Kurz vor 12 Uhr entlässt Standespräsidentin Aita Zanetti (Mitte, Suot Tasna) die Parlamentarierinnen und Parlamentarier in die Mittagspause.

Auch wir melden uns ab 14 Uhr zurück.

SP-Fraktionsauftrag abgelehnt

Mit 55:53 Stimmen bei 1 Enthaltung wird der SP-Fraktionsauftrag betreffend Fachkräfteinitiative abgelehnt. Die SP schrieb darin: Die übergeordneten politischen Ziele und das Regierungsprogramm 2021 bis 2024 sehen vor, Graubünden nicht nur als Erholungs- und Wirtschaftsstandort, sondern auch als Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsort bekannter zu machen und seine Standortattraktivität besser zu vermarkten. Damit soll die Abwanderung gestoppt und die Zuwanderung von Familien und Fachkräften gefördert werden. Aufgrund der Pandemie zeigt sich aktuell in vielen Branchen eine Beschleunigung der Fachkräfteproblematik. Der Fachkräftemangel-Index Schweiz der Universität Zürich zeigte Ende November, dass sich die Lage gegenüber einer leichten Entspannung im Jahr 2020 in den Bereichen Ingenieurwesen, Technik, Informatik sowie im Gesundheitswesen noch einmal verschlechterte. Aus diesen Gründen wollte die SP die Regierung beauftragen, dem Grossen Rat eine Fachkräfteinitiative vorzulegen. Diese sollte an die Fachkräftepolitik des Bundes anschliessen, laufenden Bemühungen berücksichtigen und gezielt erweitern.

Auf diesen Auftrag antwortete die Regierung, dass sie mit konkreten Projekten und Massnahmen Anstrengungen zur Steigerung der Attraktivität Graubündens als Ort zum Leben und Arbeiten unternehme. Auch habe der Kanton im Kontext der Fachkräftepolitik des Bundes bereits konkrete Massnahmen umgesetzt wie die Aufhebung der Kostenpflicht für Angebote der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung oder der Berufsabschluss für Erwachsene. Die Regierung sieht das Thema als langfristige und komplexe Herausforderung.

Die von der Regierung beantragte Abänderung des Auftrags wurde obsolet: Die Regierung erarbeitet unter Einbezug der relevanten Akteure einen Bericht zur Situation bezüglich des Fach- und Arbeitskräftemangels in Graubünden und zum möglichen Handlungsbedarf, wobei allfällige Massnahmen die Vielzahl von laufenden Bemühungen von Bund und Kanton gezielt ergänzen und verstärken sollen.

FDP zieht Fraktionsauftrag zurück

Weiter geht es nach der Pause. Und wie: Eine sichtlich erboste Fraktionspräsidentin Vera Stiffler (FDP, Chur) zieht den Fraktionsauftrag betreffend Raumplanung zurück. Dabei ging es um das neue Raumplanungsgesetz, das die Gemeinden verpflichtet, ihre Raumpläne an die neue Gesetzgebung anzupassen oder zu revidieren. Gemeinden, so schreibt die FDP, die nicht mehr wachsen, müssen auszonen. Gemeinden, die wachsen, dürfen Bauland einzonen. Die Gemeinden erarbeiten ihre Planung mit der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung gemäss Gemeindedatenblatt von 2018  mit der Datenbasis von 2016. Wie verschiedentlich bei der Erarbeitung der regionalen Richtpläne Siedlung festgestellt werden kann, wird dafür eine neue Datenbasis mit Stand 2019 verwendet, welche ein noch kleineres Wachstum erlaubt. Diese Basis macht die Situation insbesondere für Gemeinden, die auszonen müssen, noch schwieriger, wenn nicht gar gefährlich. Das Bauland wird knapper und damit teurer.

Die FDP-Fraktion forderte von der Regierung, dass sie aufzeigen soll, wo im Rahmen der übergeordneten Gesetzgebung Freiraum im Zusammenhang mit der Raumplanung besteht. Und sie soll überprüfen, ob die kantonale Gesetzgebung diesen Spielraum ausnützt und, falls angebracht, Änderungsvorschläge unterbreiten. Darauf antwortete die Regierung: Wir stehen der Evaluation allfälliger noch nicht erkannter Freiräume im Rahmen der Umsetzung der ersten Etappe der Revision des Bundesgesetzes über die Raumplanung kritisch gegenüber. Weil die Anforderungen an die Richt- und Nutzungsplanung im Bereich Siedlung deutlich erhöht wurden. Dies hat zu einer Schmälerung der Handlungsspielräume geführt. War die Raumplanung in Graubünden bisher von einer hohen Gemeindeautonomie geprägt, hat durch das Bundesgesetzes über die Raumplanung eine Kompetenzverschiebung in Richtung Kanton und Bund stattgefunden. Weiter schreibt die Regierung in ihrer Antwort, dass eine beantragte Untersuchung im Rahmen eines externen Gutachtens durchzuführen wäre. Vor dem Hintergrund der Konsequenzen gibt die Regierung zu bedenken, dass auch geringere Handlungsspielräume festgestellt werden könnten als bisher angenommen. Solche Freiräume wären dann öffentlich. So wurde ein Rechtsgutachten im Kanton Luzern zum Thema Bauzonendimensionierung als «sehr zurückhaltend und pragmatisch» beurteilt. 

Weiter verlangte der Auftrag eine Antwort auf die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die Interessen der Gemeinden priorisiert werden. Dazu schreibt die Regierung: Die Interessenabwägung ist die wohl wichtigste Methodik in der Raumplanung. In der Raumplanungsverordnung werden die notwendigen Schritte vorgegeben: die im konkreten Fall ermittelten und beurteilten Interessen sind im raumwirksamen Entscheid zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise schliesst eine kategorische Priorisierung von kommunalen Interessen aus. Die Interessenabwägung liegt im Übrigen in der Kompetenz des jeweils zuständigen Planungsträgers. Bei Ortplanungen also bei den Gemeinden. 

Von diesen Antworten ist Fraktionspräsidentin Stiffler alles andere als begeistert. «Die Antwort der Regierung ist die erste Enttäuschung des Tages», sagt sie. «Die zweite kommt von der SP-Fraktion.». Sie habe den Fraktionsauftrag so stark abgeändert, dass er nichts mehr mit dem ursprünglichen Fraktionsauftrag zu tun hat. «Ein solches Gebaren habe ich in zwölf Jahren in diesem Parlament noch nie erlebt», so Stiffler. Aus diesem Grund zog sie den Fraktionsauftrag zurück. Die Regierung beantragte dem Grossen Rat zuvor, den Auftrag abzulehnen.

Die Bündner SP nimmt dazu wie folgt Stellung: «Bei der Vorbereitung der Session war grosser Konsens über die Parteigrenzen hinweg feststellbar, dass in Graubünden ein akutes Problem besteht in Sachen genügend erschwinglichem Wohnraum für die Bündner Bevölkerung.» Wie Grossrat Philipp Wilhelm (SP, Davos) schreibt, waren sich SP, Mitte und Regierung einig, dass der Weg im Auftrag falsch bis kontraproduktiv ist. «Daher haben wir in überparteilichen Gesprächen den untenstehenden Änderungsantrag formuliert und ich hätte diesen eingereicht. Die FDP hat daraufhin die Debatte darüber verweigert, was sehr schade ist.» Weiter schreibt die SP: Die FDP hat das Wohnraum-Thema auf den Tisch gelegt, ist aber offenbar nicht bereit, die Diskussion darüber in aller Breite zu führen. Die SP plant, einen neuen Auftrag zum Thema einzureichen. 

Änderungsantrag zum Fraktionsauftrag FDP betreffend Raumplanung
«(...)
Der Grosse Rat beauftragt hiermit die Regierung:
Die Regierung legt dem Grossen Rat mit hoher zeitlicher Dringlichkeit einen Wohnraumbericht vor, mit einer Auslegeordnung von konkreten Massnahmen, mit denen sichergestellt werden kann, dass in Graubünden kurz- wie langfristig genügend erschwinglicher Wohnraum für die Bündner Bevölkerung bereitsteht. Der Bericht liefert Fakten, Grundlagenmaterial, mögliche Vorgehensweisen und Praxisbeispiele und zeigt im Sinne eines Werkzeugkastens auf, wie die jeweiligen Massnahmen durch welche Akteure und Akteurinnen (Kanton, Gemeinde, Private) vorangetrieben werden können und wie der Kanton diese dabei unterstützen kann.»

Obige Formulierung ersetzt folgenden Bestandteil des Fraktionsauftrags:
Die FDP-Fraktion beauftragt hiermit die Regierung:
1. Die Regierung soll aufzeigen, wo im Rahmen der übergeordneten Gesetzgebung Freiraum im Zusammenhang mit der Raumplanung besteht.
2. Die Regierung soll überprüfen, ob die kantonale Gesetzgebung (inklusive Verordnungen) diesen Spielraum ausnützt und, falls angebracht, Änderungsvorschläge unterbreiten.
3. Die Regierung soll aufzeigen, sofern unterschiedliche Interessen zu wahren sind und Interessenkonflikte bestehen (z. B. Naturschutz, Schutz des Waldes, Gewässerraum, Gefahrenzonen, Heimatschutz, usw.), wie solche Konflikte im Interesse der Gemeinden gelöst werden können beziehungsweise wie sichergestellt werden kann, dass die Interessen der Gemeinden priorisiert werden.

Philipp Wyss ist Chefredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Damit zeichnet er für das Team und für den Inhalt dieser Produkte verantwortlich.

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