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Umfassende Strategie über zehn Jahre

In einer Mitteilung vom Mittwoch informiert der Kleine Landrat (KL) über die Verabschiedung der Wohnraumstrategie der Gemeinde. Mit ihr soll auf die anhaltende Verknappung des Wohnraums reagiert und eine positive Bevölkerungsentwicklung ermöglicht werden. Dabei setzt man auf ein gutes Zusammenspiel der auf dem Wohnungsmarkt Handelnden.

Barbara
Gassler
25.08.23 - 06:21 Uhr
Politik
Ein Ersatzneubau an der Jörg-Jenatsch-Strasse soll nicht nur wieder einen Kindergarten, sondern auch Familienwohnungen beherbergen.
Ein Ersatzneubau an der Jörg-Jenatsch-Strasse soll nicht nur wieder einen Kindergarten, sondern auch Familienwohnungen beherbergen.
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«Die zunehmende Attraktivität von Davos als Wohnort, die Herausforderung des demografischen Wandels und die anhaltende Teuerung erfordern dabei gezielte Massnahmen zur Sicherung von Wohnraum für Ortsansässige und zum Erhalt einer vielfältigen Bevölkerungsstruktur», stellt der KL in seiner Mitteilung fest und resümiert die verschiedenen Vorstösse, die in dieser Sache schon gemacht wurden. «Der KL hat den Handlungsbedarf erkannt und auf Basis einer Wohnraumanalyse am 15. August die Wohnraumstrategie verabschiedet.»

Hintergrund ist, dass sich in Davos die Zahl der Erwerbstätigen erhöht hat, während jene der Wohnbevölkerung zurück gegangen ist. «Heute pendeln gut 1200 Personen zur Arbeit nach Davos.» In den letzten beiden Jahren sei die Leerwohnungsziffer auf den niedrigsten Stand seit 1998 gefallen, und die Mietpreise seien zwischen 2019 und 2022 um etwa 9 Prozent gestiegen, heisst es weiter. Aus der Wohnraumanalyse wurde ausserdem deutlich, dass sich diese Situation noch weiter verschärfen wird. Bis in rund zehn Jahren soll etwa ein Drittel der Wohn­bevölkerung älter sein als 65 Jahre. «Diese Personen werden Wohnraum nachfragen, jedoch nicht mehr als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.» Dazu komme, dass mit neuen Trends wie Homeoffice, New Work und Work-Life-Balance die Nachfrage nach Wohnraum weiter steigen und in Konkurrenz zu Erstwohnungen für Ortsansässige trete werde.

Vier Ziele

Angesichts dieser Herausforderungen für den Wohn- und Wirtschaftsstandort hat sich der KL vier Ziele gesetzt, um dem fortschreitenden demografischen Wandel zu begegnen und genügend sowie geeigneten Wohnraum zu schaffen. Die Umsetzung dieser Ziele sei auf zehn Jahre angesetzt und habe bereits begonnen, schreibt der KL in seiner Mitteilung. Ziel eins ist es, genügend Wohnraum entstehen zu lassen, um eine positive Bevölkerungsentwicklung zu ermöglichen und dem demografischen Wandel und der Personalknappheit zu begegnen. Um das zu erreichen, braucht es in Davos je nach Szenario bis 2032 zwischen 650 bis 1000 neue Erstwohnungen. Beim zweiten Ziel geht es darum, dass dieser Wohnraum auch geeignet sein soll, eine ausgewogene Entwicklung der Bevölkerung zu fördern. «Dabei zeigt die Analyse, dass insbesondere auf die Bedürfnisse von Familien und jungen Erwachsenen, der älter werdenden Bevölkerung und von alleinstehenden (auch temporär angestellten) Fachkräften geachtet werden muss», schreibt der KL. Drittens soll dieser Wohnraum auch für unterschiedliche Einkommensschichten wirtschaftlich tragbar sein. Dazu will die Gemeinde in ihrem direkten und indirekten Einflussbereich auch Wohnungen zur Kostenmiete fördern. Zuletzt sei für die Erreichung dieser Ziele, und das ist das Ziel Nummer vier, eine gute Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und privaten sowie gemeinnützigen Handelnden zwingend.

Übersichtsplan potenzielle Wohnraumproduktion bis 2032 (Hintergrundkarte: Siedlungsgebiet [gelb] und Innenentwicklungsgebiete [rosa] gemäss Kommunalem räumlichem Leitbild).
Übersichtsplan potenzielle Wohnraumproduktion bis 2032 (Hintergrundkarte: Siedlungsgebiet [gelb] und Innenentwicklungsgebiete [rosa] gemäss Kommunalem räumlichem Leitbild).
zVg

Konkrete Massnahmen

Der KL setzt den Hauptschwerpunkt seiner Massnahmen auf die Schaffung von neuen Erstwohnungen. Durch vier bereits aufgegleiste private Initiativen (Zentrum Guggerbach, Färbi, Valbella und Ortszentrum Davos Dorf) sind in den nächsten Jahren rund 325 Erstwohnungen im Entstehen. Vorbehältlich, die Bevölkerung stimmt den dazugehörigen Teilrevisionen der Ortsplanung zu. Vonseite der Gemeinde sind nächstes Jahr zwei eigene Projekte geplant: «Am heutigen Standort des Kindergartens Jörg Jenatsch sollen Familienwohnungen mit einem Kindergarten im Erdgeschoss entstehen,  und im Zuge der Arealentwicklung Val. Meisser sind Wohnungen für Fachkräfte geplant.» Für vier weitere Grundstücke würden Baurechtsverträge vorbereitet und Ersatznutzungen für heutige Mietende gesucht, lässt die Gemeinde weiter verlauten. «Beispiele sind der Werkhof des EWD an der Riedstrasse oder die gewerblichen Nutzungen an der Bolgenstrasse 1», erklärt Landammann Philipp Wilhelm auf Nachfrage der DZ. 125 Wohnung könnten auf diese Weise entstehen, rechnet die Gemeinde.

Private miteinbeziehen

Damit ist es allerdings nicht getan. «Zur Erreichung der Ziele wird es darüber hinaus eine weiterhin hohe private Bautätigkeit benötigen», heisst es vonseiten KL. Finanzielle Anreize soll diese in die richtigen Bahnen lenken. Das Geld dafür soll aus dem bestehenden Fonds zur Förderung von Erstwohnen und Gewerberaum kommen, der gemäss Auskunft von Wilhelm aktuell mit 5,5 Millionen Franken dotiert ist. Weitere Anreize sollen die Gesamtrevision der Zonenplanung bringen. «Basierend auf der Auswertung der Anzahl Baugesuche vergangener Jahre wird mit einer privaten Bautätigkeit von rund 500 neuen Erstwohnungen bis 2032 gerechnet», stellt der KL in Aussicht. Daneben seien gezielte Massnahmen zum Erhalt von bestehendem Erstwohnraum notwendig, fährt er fort. Sanierungsbeiträge für altrechtliche Wohnungen sollen hier helfen. Vorausgesetzt, diese werden anschliessend dauerhaft als Erstwohnung genutzt. Das Geld dazu soll aus dem bereits erwähnten Fonds kommen, der aktuell aus einem Anteil an der Handänderungssteuer um rund 1,4  Millionen Franken pro Jahr wächst. «Zudem soll die Gemeinde über einen Rahmenkredit die Möglichkeit erhalten, Liegenschaften zum Erhalt von Erstwohnungen zu erwerben.»

Eigentumsrechte schützen und Gesetze anpassen

«Grosse Zurückhaltung übt der KL hingegen mit regulatorischen Massnahmen», schreibt die Gemeinde weiter. Den Eigentumsrechten sei hohes Gewicht beizumessen. So soll eine Anpassung des kommunalen Zweitwohnungsgesetzes geprüft werden, mit der bei Ersatzneubauten und Auskernungen von Mehrfamilienhäusern in den zentral gelegenen Zonen ein gewisser Anteil an Erstwohnungen erhalten werden soll. «Eine Ersatzabgabe soll Eigentümern und Eigentümerinnen Spielraum lassen und zur Finanzierung der Wohnraumstrategie beitragen.» Diese sei in der aktualisierten Finanzplanung des KL abgebildet und auf den weiteren Investitionsbedarf abgestimmt, versichert dieser. «Es wird erwartet, dass durch die Umsetzung der Strategie unter Berücksichtigung der Umnutzung von altrechtlichen Wohnungen (circa 250 bis 300 Wohnungen) bis 2032 zwischen 650 und 700 zusätzliche Erstwohnungen geschaffen werden können, womit der Bedarf für eine positive Bevölkerungsentwicklung gedeckt werden kann.» Allerdings werden zur Erreichung dieses Zieles verschiedene gesetzliche Anpassungen notwendig sein. Im besten Fall können Parlament und Stimmbevölkerung bereits schon dieses Jahr ein erstes Mal Stellung nehmen.

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