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Die ungewöhnliche Berufswahl einer Klosterserin

Mit den Händen etwas erschaffen: Patricia Flütsch vereint ihren Lehrberuf mit ihrem Traumberuf als Sattlerin

Bündner Woche
04.11.23 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
Patricia Flütsch an ihrem Arbeitsplatz als Innendekorateurin.
Patricia Flütsch an ihrem Arbeitsplatz als Innendekorateurin.
Yanik Bürkli

Ein wacher Blick, schön, grosse, braune Augen strahlen. Patricia Flütsch sitzt auf einem Stuhl in der gemütlich eingerichteten Küche im Haus ihrer Eltern. Klosters ist schon seit jeher ihre Heimat und das solle auch so bleiben, sagt sie mit einem strahlenden Lachen. «In Klosters fühle ich mich Zuhause, hier ist alles, unser Bauernhof, meine Familie und Freunde», so Patricia Flütsch.

Schon früh wusste sie, dass ihr Traumberuf einer ist, den man mit den Händen ausübt. «Etwas erschaffen irgendwie für die Ewigkeit, wenn man das so sagen kann.» Überall wo man hinschaut, sieht man selbst gemachte Dekoration, alles mit viel Liebe zum Detail. So verwundert es nicht weiter, dass Patricia Flütsch Innendekorateurin lernte und nun bei einem Sattler arbeitet. Das Handwerkliche begleitet Patricia Flütsch schon ihr ganzes Leben lang. «Ich nähte so oft es ging mit meinem Nani und meiner Mutter schöne Dinge.» Patricia Flütsch erinnert sich noch gut an diesen Moment, als sie wusste, was sie später mal werden möchte. «Es war mir klar, dass ich eines Tages bei einem Sattler arbeiten möchte. Das Material Leder hat mich schon als kleines Kind fasziniert, als ich die Zäume und Geschirre von unseren Kühen und Pferde in den Händen hielt. Man kann so viele schöne Sachen daraus herstellen.» Unter anderem auch Schellenriemen für die Kühe. «Der Gedanke daran, dass ich irgendwann unsere Kühe mit den eigenen Riemen ausstatten kann, löst in mir Glücksgefühle aus.»

Durch einen grossen Zufall kam Patricia Flütsch zu einem pensionierten Sattler, der in Klosters immer noch eine kleine Werkstat führt. «Meine Eltern brachten ab und zu kaputte Ledersachen zu ihm, um es flicken zu lassen. Ich habe ihn eines Tages gefragt, ob ich zu ihm schnuppern kommen kann. Er war begeistert, dass so eine junge Dame diesen Beruf noch spannend findet und willigte sofort ein. Ja, so begann die Zusammenarbeit mit Hans Mani.» Er brachte Patricia Flütsch die Grundlagen mit dem Material Leder Schritt für Schritt bei. Ihre Augen funkeln bei der Erzählung über diese Zeit. Als ihr klar wurde, dass sie diesen Beruf nicht in Graubünden lernen kann, musste sie sich Gedanken machen, ob sie bereit ist, für diese Ausbildung aus dem Kanton zu gehen.

Eine Arbeit, die Patricia Flütsch als Innendekorateurin gemacht hat.
Eine Arbeit, die Patricia Flütsch als Innendekorateurin gemacht hat.
Eine Glocke, wie sie die Kühe im Kanton Schwyz tragen, wo Patricia Flütsch als Sattlerin arbeitet.
Eine Glocke, wie sie die Kühe im Kanton Schwyz tragen, wo Patricia Flütsch als Sattlerin arbeitet.

Schnell wusste sie damals mit 16, dass sie noch nicht bereit war, von Zuhause weg zu gehen.Hans Mani führte früher eine Sattlerei und ein Innendekorationsgeschäft. «Früher, vor meinem Lehrbeginn, war Sattlerin und Innendekorateurin noch eine gemeinsame Lehre, erst als die Aufträge immer grösser wurden und die verschiedenen Fachrichtungen entstanden, trennten sich die Berufe. Hans Mani legte mir ans Herz, dass es am besten sei eine Lehre als Innendekorateurin zu machen.» Auf seinen Rat hin hat sich Patricia Flütsch bei Wohnambiance in Klosters beworben und bekam die Lehrstelle für die nächsten vier Jahre. Für sie sei das ein echter Glückstreffer gewesen, eine Lehre gerade einmal fünf Minuten vom eigenen Zuhause beginnen zu können, erzählt die junge Frau. «Meine Lehre war sehr abwechslungsreich und ich durfte meiner Kreativität freien Lauf lassen.» Patricia Flütsch steht auf und holt im Nachbarzimmer ihr Handy, auf dem Bilder von verschiedenen Sesseln gespeichert sind, die sie selbst gemacht hat. Sie legt das Handy weg und erzählt munter weiter.

Patricia Flütsch vereint heute drei Berufe.
Patricia Flütsch vereint heute drei Berufe.

«Weisst du, trotz allem liess mich der Gedanke nicht los etwas mit Leder zu machen.» Patricia Flütsch ging auch während ihrer ganzen Lehrzeit zu Hans Mani in die Werkstatt und flickte Dinge vom Hof der Familie. Auch für ihren «Ätti» habe sie zum 50. Geburtstag einen Schellenriemen gefertigt, worüber er sich unglaublich gefreut habe, erzählt sie strahlend. Wenn man Patricia Flütsch sprechen hört, merkt man ihr ihre Begeisterung fürs Handwerk an. Als die Lehre nach vier Jahren abgeschlossen war, suchte Patricia Flütsch nach einem neuen Betrieb und wurde wieder in Klosters fündig.

Sie muss lachen. «Ich komme irgendwie nicht weg von hier.» Sie kam dann aber doch auf die Idee, sich bei jenem Sattler aus dem Kanton Schwyz zu melden, bei dem sie ursprünglich eine Lehre hätte absolvieren können. Sie fragte nach, ob er jemanden suche und er antwortete : « Komm doch mal vorbei.» «Als ich dann mit viel Vorfreude den Kanton verliess, natürlich nur für einen Tag, sagte er mir, dass ich einmal die Woche bei ihm arbeiten könne», so die heutige Sattlerin. Perfekt für Patricia Flütsch, die so ihre beiden Berufe verbinden konnte. So kam es zu einem zweiten Treffen. Ihr neuer Chef schaute ihr genau über die Schultern und war fasziniert, wie gut sie die Grundlagen schon beherrschte. «Das alles habe ich Hans Mani zu verdanken, dass er sich so viel Zeit für mich genommen hat.» Auf die Frage, wie ihre Pläne für die Zukunft aussähen, antwortet sie nach einer Weile: «Mein Plan ist es weiterhin so zu arbeiten wie jetzt, weil es mich im Moment sehr glücklich macht, aber tendenziell möchte ich mehr auf die Sattlerei setzen. Vielleicht sogar mal selbstständig werden?» Patricia Flütsch lacht verlegen. In einem Nebensatz erzählt sie dann noch, dass sie gestern Abend die Abschlussprüfung zur Bäuerin mit Fachausweis am Plantahof geschrieben habe. Also noch ein dritter Beruf?  «Die Kombination aus Sattlerin und Landwirtin passt gut. Insbesondere, weil ich auf einem Hof grossgeworden bin.» Noch immer strahlen Patricia Flütschs grosse, braune Augen. Augen, welche die Leidenschaft fürs Handwerk wiederspiegeln.

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