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Aus Kabis wird Sauerkraut: Die grosse Kunst der Fermentation

Fermentation ist ein uralter Prozess mit neuem Trendpotenzial. Wir haben einen Selbstversuch gewagt und selbst Gemüse fermentiert.

Bündner Woche
15.10.23 - 12:00 Uhr
Leben & Freizeit
Prozess: Durch Fermentation wird beispielsweise aus Kabis Sauerkraut.
Prozess: Durch Fermentation wird beispielsweise aus Kabis Sauerkraut.
Bild Laura Kessler

Von Laura Kessler

«Fermentation, c’est la vie sans l’air.» «Fermentation ist das Leben ohne Luft», erklärte einst der Chemiker Louis Pasteur. Kaum vorstellbar, dass so etwas überhaupt möglich ist. Überraschung: Es ist möglich und sogar nötig, zumindest bei einigen Fermentationsprozessen. Denn nur so sind «gute» Bakterien überlebensfähig. Nur so entsteht aus Kabis Sauerkraut und Milchjoghurt. Tauchen wir also ein in die Welt der Bakterien, Pilze und Enzyme, kurz, in die Welt der Fermentation, in der ich mich das ganze Jahr über, aber besonders jetzt im Herbst, bewege. Stichworte: Stärkung des Immunsystems. Doch dazu später mehr.

Prä- und Probiotika

Es war in diesem Sommer, als ich mit meinem Mann durch das nördliche Europa reiste. Wer schon einmal in Skandinavien mit dem Auto oder Camper unterwegs war, weiss, was es heisst, lange Strecken zurückzulegen. An unseren Fahrtagen mussten wir uns also beschäftigen und das taten wir mit Hörbüchern. Eines davon war das berühmte «Darm mit Charme» von Julia Enders. Eines ist nach der Hörlektüre klar: Unser Darm ist unglaublich spannend. Man erfährt im Buch so einiges über dieses grosse Organ und auch darüber, was unseren Darm beglückt. Zum Beispiel gutes, sprich gesundes Essen. Was auch immer das heissen mag … Julia Enders geht ins Detail: Sie spricht von Probiotika und Präbiotika, von verschiedenen Arten von Bakterien, die uns guttun und wie wir diese zu uns nehmen können. Sie spricht von Fermentation und da hake ich ein. Ein Thema, über das ich mehr erfahren wollte, und so gab es einige Wochen später ein entsprechendes Buch dazu. Ach ja: Sagen Sie jetzt nicht, Sie wüssten nicht, was Fermentation bedeutet. Sie tun es ganz bestimmt. Spätestens seit Corona ist Sauerteig in aller Munde. Die Entstehung des Sauerteigs ist ein Fermentationsprozess.

Nun gut, hätten wir das geklärt. Aber was genau passiert beim Fermentieren und was sind nun Prä- und Probiotika? Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit, ich bin keine Expertin und ich beschränke mich hier vor allem auf das Fermentieren von Gemüse – also auf das Leben ohne Luft, wie es Louis Pasteur nannte.

Für das Leben

Fermentierte Lebensmittel beinhalten Probiotika. «Pro bios» heisst «für das Leben» – somit dürfte auch klar sein, was Antibiotika bedeutet – genau, «gegen das Leben». Antibiotika unterscheiden nicht zwischen «guten» und «bösen» Bakterien, sondern töten einfach alles ab. Probiotika sind Bakterien, die von unserem Organismus aufgenommen werden und ihm Vorteile bringen. So werden Probiotika zum Beispiel bei entzündlichen Darmerkrankungen oder dem Reizdarmsyndrom eingesetzt. Sie werden dann meist in Form von Kapseln eingenommen. Fermentierte Lebensmittel enthalten ebenfalls Probiotika. Es ist nicht abschliessend geklärt, wie sich diese genau in unserem Darm verhalten. Fest steht, dass sie Fettsäuren bilden, die wie ein Balsam auf unsere Darmzotten wirken. Diese wachsen, was dazu führt, dass wir mehr Vitalstoffe (Vitamine, Spurenelemente, Eiweisse etc.) aus der Nahrung aufnehmen und Schadstoffe besser abwehren können. Probiotika und damit fermentierte Lebensmittel stärken also unser Immunsystem.

Haben sich die probiotischen Bakterien einmal in unserem Körper angesiedelt, wollen sie gefüttert werden. Richtig gerne mögen sie Präbiotika. «Pre bios», «vor dem Leben». Präbiotika sind in Ballaststoffen enthalten, die wiederum in frischem Obst, Gemüse und Vollkornprodukten zu finden sind – um nur einige Lebensmittel zu nennen.

Spezielle Lagerung: Kabis in ein Glas geschichtet und mit Weinblättern und einem Stein 
beschwert.
Spezielle Lagerung: Kabis in ein Glas geschichtet und mit Weinblättern und einem Stein beschwert.
Bild Laura Kessler
Vielfältig Methode: Verschiedenstes Gemüse lässt sich fermentieren.
Vielfältig Methode: Verschiedenstes Gemüse lässt sich fermentieren.
Bild Laura Kessler

Gut. Wir wissen nun, was Prä- und Probiotika sind. Wie aber werden Lebensmittel nun fermentiert und was passiert dabei? «Fermentation ist Leben!», schreibt Fermentista Andrea Bierwolf in ihrem Buch. Bei der Fermentation arbeiten viele Mikroorganismen, auch Mikroben genannt, zusammen. Hier sind das Bakterien, Pilze und Hefen. Auch Viren zählen zu den Mikroben, spielen beim Fermentieren aber keine Rolle. Wir lernen von klein auf, dass Mikroben böse sind, vor allem Viren und Bakterien. Von Letzteren, den Bakterien, gibt es jedoch viel mehr gute als böse. Krankheitserregend ist nur ein sehr kleiner Teil. Wir alle bestehen aus Bakterien und ohne sie wäre kein Leben möglich. Wir nutzen beim Fermentieren die tollen Eigenschaften von Bakterien, Hefen und Pilzen und geben ihnen die Möglichkeit, sich zu entfalten.

Mikroben verstoffwechseln während des Fermentationsprozesses Kohlenhydrate, Proteine und Fette in Alkohol, Kohlendioxid und/oder Säuren. Bestes Beispiel dafür: Bier. Soll jetzt aber nicht heissen, dass Bier nun in rauen Mengen konsumiert werden soll, weil es so tolle Eigenschaften hat. Kommt hinzu, dass industriell hergestelltes Bier meist pasteurisiert ist, die guten Eigenschaften gehen damit verloren. Masshalten ist auch bei fermentierten Lebensmitteln angesagt, vor allem bei jenen mit Alkohol.

Aus Kabis wird Sauerkraut

Ein gutes Beispiel für die stattfindende – oder bei falschen Bedingungen nicht stattfindende – Fermentation ist auch Sauerkraut. Lassen wir geschnittenen Kabis einfach so herumliegen, wird er matschig und bildet irgendwann Schimmel. Die «guten» Mikroben konnten sich nicht entfalten. Wird der geraffelte Kabis nun aber kräftig ausgedrückt, sodass viel Flüssigkeit austritt und alles zusammen mit Salz in ein Glas geschichtet, das luftdicht verschlossen wird, wird aus Kabis Sauerkraut. Die dafür verantwortlichen Mikroben mögen nämlich keinen Sauerstoff. Sie sind nun also das Leben ohne Luft. Durch das Fermentieren erhöht sich übrigens die Vielfalt der Nährstoffe, zudem verringert sich die Kalorienlast. Sauerkraut hat bekanntlich mehr Vitamine als Kabis. Aber Achtung: Das Sauerkraut, welches wir abgepackt im Laden finden, ist meist pasteurisiert. Durch das Erhitzen eines fermentierten Produkts werden Mikroben abgetötet – leider auch die guten. Deshalb: ab in die Küche und fermentieren. Vor allem jetzt im Herbst, um gesund durch den Winter zu kommen.

Rezept Sauerkraut

• 1 kg Kabis (am besten in Bio-Qualität)

• 18 g Salz

• 1-Liter-Glas mit Deckel und Dichtung (z.B. Weck-Glas mit Bügelverschluss)

• Wein-, Himbeer- oder Brombeerblätter zum Abdecken des Ferments

• Granitstein (oder Stein, der weder auf Salz noch Säure reagiert) zum Beschweren

Bevor es losgehen kann, müssen wir sicherstellen, dass unsere Küche und wir selber sauber sind.

Die Dichtung des Glases und den Stein abkochen (ca. 10 Minuten) und auskühlen lassen. Das Glas gut reinigen, dann alles auf Zimmertemperatur auskühlen lassen, da die zu fördernden Mikroben keine Hitze mögen.

Den Kabis putzen und raspeln, dann Salz hinzufügen und mit frisch gewaschenen Händen kneten, bis so viel Flüssigkeit ausgetreten ist, dass der Kabis in der Schüssel damit fast bedeckt ist. Sollte das zu anstrengend sein, den geraspelten Kabis mit dem Salz für 30 Minuten stehen lassen und dann nochmals probieren.

Den Kabis anschliessend in das Glas füllen. Er muss mit der eigenen Flüssigkeit zugedeckt sein. Sollte das nicht der Fall sein, kann Salzlake hinzugegeben werden (3 g Salz auf 100 ml Wasser). Danach das Ganze mit den Wein-, Himbeer- oder Brombeerblättern bedecken und mit dem Stein beschweren, so, dass das Gemüse gut unter der Flüssigkeit eingeschlossen ist.

Das Glas verschliessen und bei Zimmertemperatur ohne direkte Sonneneinstrahlung für etwa sieben Tage stehen lassen. Grundsätzlich gilt: Da wo wir uns wohlfühlen, fühlt sich auch das Ferment wohl.

Im Glas baut sich während des Fermentationsprozesses Druck auf. Diesen einmal am Tag ablassen, dabei das Glas aber nicht ganz öffnen, ansonsten dringt Sauerstoff ein.

Wenn das Ferment fertig ist, kann es im Kühlschrank oder an einem kühlen Ort (z. B. im Keller) gelagert werden. Jetzt ist auch die Gefahr von Überdruck kleiner.

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