×

Geschmückte Emotionen: Vorbereitung für den Alpabzug

Der Tschäppel, die Krone der Dankbarkeit für den Grüscher Alpsommer – eine Reportage.

Bündner Woche
20.09.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

von Jasmin Klucker

Die morgendlichen Sonnenstrahlen beleuchten die Einfahrt zum Prättigau. Das warme Sonnenlicht kriecht langsam von den Berggipfeln runter ins noch schattige Tal. Die Grüscher Kühe werden heute die letzten Alpkräuter auf dem Grüscher Älpli geniessen, bevor sie von den Bäuerinnen und Bauern prachtvoll geschmückt werden. Und mit dem Kopfschmuck den Heimweg antreten werden. Das Schmücken von Kühen beim Alpabzug hat im Prättigau Tradition. Diese schönen Tschäppel werden an jenem Freitagmorgen, Anfang September im Grüscher Werkhof, von den Grüscher Bäuerinnen mit viel Liebe zum Detail angefertigt. Mit der grossen Vorfreude auf den morgigen Tag.

Von jung bis alt sind alle dabei

Die bereits anwesenden zwei Bäuerinnen, die noch im Schatten des Werkhofs stehen, empfangen mit einem herzlichen «Hallo, wie gehts?» Sie würden noch auf die restlichen zwölf Helferinnen warten, teilen sie mit. In der Zwischenzeit holen wir die grossen Holztische und stellen sie in einer Reihe in den offenen Werkhof. Neben uns steht ein Anhänger mit Täfeli und den Holzkreuzen drauf, neben ihnen liegen auch schon die vorbereiteten Ledergeschirre, die geschmückt sind mit Grünzeug. Sie warten nur noch darauf, mit Blumen verziert zu werden. Als dann mit der Zeit stets mehr Frauen eintrudeln, wird die Stimmung immer besser, die Vorfreude auf diesen Tag sieht man in jedem einzelnen Gesicht der Grüscher Bäuerinnen. Von jung bis alt sind alle dabei. Ohne Teamwork sei das alles gar nicht möglich, sagt eine Bäuerin, die nicht zum ersten Mal tschäpplet. «Schliesslich müssen wir heute 80 Tschäppel für all unsere Kühe fertigstellen, die noch auf dem Grüscher Älpli sind und morgen früh geschmückt werden für den Alpabzug», sagt Margrith Thöny mit einem breiten Lachen im Gesicht.

Für so viele Tschäppel braucht man auch das passende Material. Auf jedem Tisch sind Leimpistolen zu sehen, daneben
viele Zweige in einem kräftigen Grünton. Und da kommen auch schon die Blumen. Alle möglichen Farben und Formen von Blumenköpfen ragen aus den Kartonkisten. Eine Blume sticht besonders ins Auge: Der Enzian, der mit seinem wunderschönen Königsblau für die Schönheit der Prättigauer Wiesen steht. Jetzt ist alles da, was die Frauen brauchen, um loszulegen.

Maria Davatz in ihrem Element.
Maria Davatz in ihrem Element.
Viel Handarbeit wirkt an diesem Tag mit.
Viel Handarbeit wirkt an diesem Tag mit.
Geeignete Blumen, um Tschäppel und Bauchgurte zu schmücken
Geeignete Blumen, um Tschäppel und Bauchgurte zu schmücken
Jede Bäuerin hat ihre Lieblingsblume.
Jede Bäuerin hat ihre Lieblingsblume.
Margrith Thöny mit einem grossen Tschäppel.
Margrith Thöny mit einem grossen Tschäppel.

Das Täfeli ist die Grundlage vom Tschäppel, auf diesem werden die Zweige und Blumen angerichtet. Jeder Tschäppel, der an dem Tag entsteht, ist komplett anders, jeder auf seine Art und Weise bezaubernd. Es wird erklärt, dass die Kühe, die in der ersten Reihe hinunter ins Tal laufen, die grössten und auffälligsten Tschäppel tragen. Welche Kühe haben diese Ehre? Es seien immer die Kühe, die durch den Sommer am meisten Milch gegeben hätten, oder am besten der Herde voranschreiten würden, sagt Margrith Thöny. Die älteren Kühe, die schon lange dabei sein dürfen, kennen diesen Tag gut, man würde schon fast meinen, die Kühe haben einen gewissen Stolz, diese schönen Tschäppel tragen zu dürfen.

Der Tag löst viele Emotionen aus

Nicht nur für die Kühe ist dieser Tag sehr speziell. Alle Bäuerinnen, die um mich herum fleissig am Tschäppeln sind, sind sich einig. Dieser Tag und diese Arbeit lösen sehr viele Emotionen aus. Dass der Alpsommer schon wieder vorbei sei, sei einfach unglaublich. Schon wieder das Gefühl von Abschied, aber gleichzeitig ein Glücksgefühl, weil die Kühe wieder alle nach Hause kämen. Rahel Werder, die gegenüber am Tisch steht, sagt mit nachdenklichem Ton: «Weisst du, es ist schon lange nicht mehr selbstverständlich, dass unsere Kühe wieder gesund und munter nach Hause kommen dürfen. Es braucht so viel, dass alles funktioniert auf den Alpen. Für uns als Bäuerinnen und Bauern ist es ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber der Natur und dem Alppersonal, was wir mit dem Tschäppel ausdrücken wollen».

Ein Blick in den Werkhof zeigt, wie weit die Bäuerinnen mit ihrer Arbeit schon gekommen sind. Tschäppel um Tschäppel, jeder auf seine Art wunderschön. Grössere und kleinere. Welche mit Disteln, die die Älpler selber gesammelt haben über den Alpsommer. Andere mit frischen Blüten in allen möglichen Farben. Plötzlich steht Margrith Thöny neben mir und fragt: «Gefallen sie dir?». Klar. Vor allem, wenn man weiss, wie viel Bedeutung in einem Tschäppel steckt. Blumig geschmückte Emotionen.

Inhalt von buew logo
Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Jetzt für den «wuchanendlich»-Newsletter anmelden

Mit unseren Insider-Tipps & Ideen donnerstags schon wissen, was am Wochenende läuft.

Mehr zu Leben & Freizeit MEHR