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Was steckt hinter dem Reallabor in Davos?

In Davos zog letzten Monat ein Reallabor ein, das vierte in Graubünden – was steckt dahinter?

Bündner Woche
27.08.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Ein weiterer Standort: Das vierte Reallabor fand einen Platz im Innovation Center Davos. Die anderen Standorte liegen in Ilanz, Stampa und San Bernardino.
Ein weiterer Standort: Das vierte Reallabor fand einen Platz im Innovation Center Davos. Die anderen Standorte liegen in Ilanz, Stampa und San Bernardino.
zVg

Von Riccarda Hartmann

Vier Standorte. Vier Regionen in Graubünden. Vier Labore. Eines in Stampa, eines in Ilanz, eines in San Bernardino und nun eines in Davos. Doch es sind keine «klassischen» Labore. «Verbindung von Praxis und Forschung konkret etabliert», so steht es auf der Webseite. Und was ist damit gemeint? «Wir setzen uns für die Verbindung von Theorie und Praxis ein, für partizipative Prozesse in den Regionen», antwortet Melanie Tamborini, eine der beiden Co-Leitenden des am 29. Juli eröffneten Prättigau/Davos Labs.

Die Leiterin sitzt im eingemieteten Raum im Innovation Center Davos. Ein Raum, der offen für alle ist und bei dem jeder und jede seine und ihre Anliegen anbringen kann. Ein Raum offen für Austausch. Ein blauer Briefkasten mit einem roten Kreis – der Wunschbriefkasten – lädt dazu ein, Bedürfnisse aufzuschreiben und diese hineinzuwerfen. Diese werden angenommen und geschaut, was sich daraus machen lässt. «Akteurinnen und Akteure sollen so proaktiv mitwirken können», erklärt Melanie Tamborini.

Die unmittelbare Nähe zu den Regionen

Durch die Fachhochschule Graubünden sind diese Reallabore entstanden. Das Ziel: hinaus in die Regionen zu gehen und so näher zu sein. An den Bedürfnissen und Anliegen. Im Bereich Tourismus, Regionalentwicklung, Nachhaltigkeit und Kultur. «Wir sind hier, um die Projekt- und Forschungsbasis zu sein und auch diesbezüglich zu unterstützen», sagt die Co-Leiterin vom Prättigau/Davos Lab.

Die Co-Leitung des Prättigau/Davos Labs: Dominik Knaus und Melanie Tamborini. Bild zVg
Die Co-Leitung des Prättigau/Davos Labs: Dominik Knaus und Melanie Tamborini. Bild zVg

Das Labor in Davos ist das erste im rein deutschsprachigen Raum. «Und so sind wir überall angesiedelt. Der Austausch untereinander besteht ebenfalls.» Während Melanie Tamborini das sagt, schalten sich zwei aus den drei anderen Reallaboren online dazu. Onna Rageth vom Bregaglia Lab und Barbara Beer vom San Bernardino Lab.

Onna Rageth beginnt von ihrem Reallabor mit Sitz in Stampa zu erzählen, das am 1. Mai 2022 öffnete. «Der Fokus liegt ganz klar auf dem Tourismus», sagt sie. «Wir arbeiten sehr eng mit Bregaglia Engadin Turismo und der fusionierten Gemeinde Bregaglia zusammen.» Gerade bei Kulturtourismus wollen sie viel machen, da das Bergell als das Tal der Kunst gilt. Dabei hätten sie ein inkludierendes Verständnis von Tourismus, da viele der Projekte auch für die einheimische Bevölkerung seien. Am 21. Oktober beispielsweise wird eine Malschule, geleitet vom Bergeller Künstler Romano Giovanoli, eröffnet. Die Lokalität befindet sich in Vicosoprano und steht allen kunstinteressierten Personen offen. Aufgabe des Bregalia Lab ist es auch, Drittmittel-Förderungen für lokale Betriebe ausfindig zu machen und bei der Akquise von Geldern zu helfen. Die Leiterin des Bregaglia Labs nennt ein Beispiel: Vor Kurzem konnte sie Gelder für die Dachrenovation der Mühle Scartazzini akquirieren. Dieses Projekt sollte nun in zwei Wochen fertig werden, meint sie. Entstanden ist es aber auf der Strasse. «Ich lebe im Bergell, bin im Bergell unterwegs und so komme ich mit den Leuten ins Gespräch», erklärt sie. So hätte sie auch von der Mühle und dem leckenden Dach erfahren. «Auf diese Weise kann man Bedürfnisse abholen», sagt sie. Das sei auch das Schöne an den Reallabors. Diese Arbeitsweise. Direkt bei den Leuten. Direkt bei den Bedürfnissen. Direkt bei den Umsetzungen.

Zusammenarbeit von Norden und Süden

Das Bregaglia Lab gibt es nun bereits mehr als ein Jahr und Onna Rageth ist gespannt, zu hören, wie es einem jüngeren Labor geht. Das Lab in San Bernardino wurde am zweiten Juli dieses Jahres eröffnet. Barbara Beer beginnt: «Das San Bernardino Lab ist eine Kooperation zwischen zwei Sprachregionen.»

Ein junges Labor, doch die Geschichte geht weit zurück. Ein Pilotprojekt des Reallabors stellte eine Zusammenarbeit im Bereich Bildung der Fachhochschule Graubünden, der Pädagogischen Hochschule Graubünden und der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana dar. Dieses Bildungsprojekt heisst Paradisea, das Barbara Beer vor zehn Jahren mitgestaltet hat. «Darin geht es darum, die Region um den Pass San Bernardino, die Natur- und Kulturgüter mittels Bachelor- und Masterarbeiten zu didaktisieren», erklärt sie. Auf der Webseite von Paradisea kann man die Materialien anschauen und herunterladen. Mittlerweile seien es bereits 39 solcher Arbeiten, die sich auf diese Güter fokussieren. Und daraus entwickelte sich das Reallabor. Ein Bildungs- und Entwicklungsprojekt, bei dem man versucht, aus den Bildungsangeboten auch Tourismusangebote zu generieren. Es könne aber auch breiter gefasst werden, meint sie, indem zum Beispiel Architekturinputs der Forschung herbeigezogen würden.

Barbara Beer fasst zusammen: «Die Schwerpunkte des San Bernardino Labs liegen bei der Inwertsetzung von Bestehendem. Die Kooperation von Süden und Norden in den verschiedensten Bereichen, von kulturellen zu touristischen Forschungsgebieten. Und auf das Weiterführen des Bildungsprojektes.»

Geprägt von den Charakteristiken

Ein Jahr vor dem San Bernardino Lab eröffnete das Surselva Lab mit Sitz in Ilanz, das von Livia Somerville geleitet wird, die an diesem Morgen jedoch nicht dabei sein kann. Doch das Grundkonzept ist auch hier dasselbe: Projekte für eine regionale Entwicklung aufzuziehen und dafür direkt in den Regionen zu sein. Mit den vier Standorten. Vier Regionen in Graubünden. Vier Labore. Wo aus einer anfangs kleinen Idee durch Vernetzung und Verbindungen etwas Grösseres gemacht werden kann. Melanie Tamborini: «Und doch ist jedes Reallabor individuell, geprägt von den Charakteristiken des jeweiligen Standortes.»

www.fhgr.ch/forschung-und-dienstleistung/reallabore

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