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«Habe viel über Kirchner gelernt»

Uta Kuhl ist Kuratorin der Sammlung Horn auf Schloss Gottorf in Schleswig-Holstein. Am Sonntag, 24. September, wird Uta Kuhl im Rahmen der Finissage zur aktuellen Ausstellung «Expressionismus!» im Kirchner Museum Davos einen Vortrag zu den ländlichen Zufluchtsorten der Brücke-Künstler halten.

Davoser
Zeitung
23.09.23 - 17:26 Uhr
Kultur
Uta Kuhls Lieblingsbild von Ernst Ludwig Kirchner.
Uta Kuhls Lieblingsbild von Ernst Ludwig Kirchner.

Mit der Sammlung Horn ist eine der bedeutendsten deutschen Privatsammlungen zu Gast im Kirchner Museum. Über sechs Jahrzehnte hat das Sammlerpaar Rolf und Bettina Horn eine ausserordentliche Sammlung mit Arbeiten von Kunstschaffenden des Expressionismus zusammengetragen. Die Ausstellung «Expressionismus!» präsentiert rund 120 Werke von Emil Nolde, Ernst Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Max Pechstein und Otto Mueller. Der Anlass beginnt um 17.30 Uhr im Kirchner Museum, der Eintritt ist kostenlos. Im Anschluss gibt es einen Apéro. Nachfolgende gibt Uta Kuhl Auskunft:Uta Kuhl, was war für Sie das Besondere an der Kooperation mit dem Kirchner Museum Davos?Das Team im Kirchner Museum ist sehr professionell und zugleich sehr herzlich, so war es eine besonders angenehme Zusammenarbeit. Ausserdem war es sehr interessant zu sehen, wie die Arbeit des kuratorischen Beirats in die Ausstellung einfloss. Auf das Symposium, welches dieses Wochenende stattfindet, und den Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, der dadurch ermöglicht wird, freue ich mich schon sehr und erwarte davon auch inhaltliche Anregungen.Haben Sie im Rahmen dieser Ausstellung etwas Neues über die Sammlung Horn gelernt?Ich habe nicht unbedingt Neues über die Sammlung Horn gelernt, dafür viel über Ernst Ludwig Kirchner selber. Meiner Meinung nach ist Kirchner das wichtigste Mitglied der Künstlergruppe «Brücke». Bei meinem ersten Besuch in Davos im Februar bin ich einige Wege auf den Spuren von Ernst Ludwig Kirchner abgewandert. Gewisse Werke von Kirchner habe ich hier im Museum zum ersten Mal im Original gesehen. Die Berge und das Meer sind beides Landschaften der Extreme, die den Expressionismus stark geprägt haben. Die Perspektive, die Kirchner entwickelt hat, versteht man viel besser, wenn man erst mal hier ist. Ausserdem ist es immer interessant, mit einem anderen Museum zu arbeiten, denn jedes Haus hat seinen eigenen Blickwinkel. Der Dialog der Werke ist sehr inspirierend. Das Kirchner Museum hat sich in dieser Ausstellung zudem intensiv mit dem post-kolonialen Erbe gewisser Kunstwerke in der Sammlung Horn auseinandergesetzt – was wir in Schleswig in jüngerer Zeit auch gemacht haben.Wieso ist die Sammlung Horn auf ­Reisen?Eigentlich war ein grosser Umbau auf Schloss Gottorf geplant, und man wollte deshalb die Sammlung auf Reise schicken. Der Umbau wurde nun aber verschoben, die geplante Reise für die Sammlung wurde aber trotzdem durchgeführt. Nach dem Kirchner Museum geht es weiter nach Dortmund und Halle. Obwohl es sich jeweils um dieselbe Sammlung handelt, bewirkt der Dialog an jedem Ort eine neue Perspektive.Was ist ihr Lieblingsbild in der jetzigen Ausstellung im Kirchner Museum?Mein Lieblingsbild hängt im roten Saal gleich beim Eingang. Es zeigt Doris Grosse (Dodo) mit blauem Hut an einem Tisch, gemalt von Ernst Ludwig Kirchner. Mir gefällt die Farbigkeit dieses Bildes, der glückliche Blick von Dodo. Sie war eine Freundin von Kirchner und arbeitete als Hutmacherin. Das ganze Bild hat etwas Helles, Strahlendes und ist voller Hoffnung. Gleichzeitig ist es auch ein junges Bild, in dem Sinne, dass Kirchner sehr jung war, als er es gemalt hat, Dodo war ebenfalls jung, das Jahrhundert war jung, und der Expressionismus stand auch noch in den Anfängen.Was soll Kunst im Besonderen und die Institution Museum im Allgemeinen heutzutage leisten können?Kaum ein Museum kann heutzutage von Eintrittsgeldern leben. Die meisten leben von staatlichen und privaten Fördermitteln. Ein Museum ist immer auch ein Ort der Bildung, ein Ort des Austauschs, dabei ist die Bedeutung von originalen Kunstwerken nicht zu unterschätzen. Mit kritischen Fragen muss man sich auseinandersetzen, vor allem wenn man zum Beispiel – wie momentan im Kirchner Museum – Kunst mit einer kolonialen Vergangenheit ausstellt. Und auch wenn es schwierig sein mag, sollte man – wenn möglich – immer versuchen, ein breites Publikum anzusprechen. Ich glaube, dass es trotz Flauten immer wieder grosse Begeisterung für originale Kunstwerke gibt und geben wird. Was mir bei einem Original besonders gefällt, ist das Gefühl, dass mich ein Mensch direkt anspricht. In dem Fall also der Künstler des Werks, das kann aber auch der Blick auf die dargestellte Person sein. Diese Erfahrung mache ich vor allem beim Expressionismus mit seiner Ausdruckskraft. Dieses Erleben der Kunst möchte ich auch anderen ermöglichen und gönnen.Am Sonntag, 24. September, halten Sie einen Vortrag im Kirchner Museum zu den ländlichen Zufluchtsorten der Brücke-Künstler. Wieso haben Sie sich für dieses Thema entschieden?Die Idee zum Thema «ländliche Zufluchtsorte der Brücke-Künstler» kam mir nicht erst in Davos, sondern schon in Schleswig-Holstein. Die Landschaft in Schleswig-Holstein hat viele der Brücke-Künstler stark beeindruckt, inspiriert und beeinflusst – vor allem Heckel und Nolde. Aber auch für Kirchner war zum Beispiel die Insel Fehmarn für sein frühes Werk extrem wichtig. Das Spannungsfeld zwischen Stadt und Land spielte für viele Brücke-Künstler eine entscheidende Rolle.

Uta Kuhl ist Kuratorin der Sammlung Horn auf Schloss Gottorf.
Uta Kuhl ist Kuratorin der Sammlung Horn auf Schloss Gottorf.
zVg.
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