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Mensch und Mensch kommen zusammen

Der Raum «Orange» bildet den Abschluss der kleinen DZ-Serie zu «Mein, dein, unser Kirchner: Menschen von hier machen eine Ausstellung». Er steht unter dem Motto «Niemand war schon immer hier. Alle sind einmal gekommen». Am Sonntag endet die Ausstellung mit einem Tanzcafé.

Davoser
Zeitung
04.11.23 - 07:00 Uhr
Kultur
Ein Neuankömmling und eine Alteingesessene bei der Ausstellungsvorbereitung.
Ein Neuankömmling und eine Alteingesessene bei der Ausstellungsvorbereitung.
zVg

Vierzehn Personen, die sich vorher nicht kannten und durch die IG offenes Davos und die Walservereinigung Graubünden zusammengeführt wurden, gestalteten den Raum. Man könnte auch sagen, es sei «eine einzige Gruppe Geflüchteter», je nach Zeithorizont. Im Mittelalter verliessen nämlich viele das Wallis, um unwirtliches Gebiet – wie auch Davos – urbar zu machen. Heute nennen wir sie Walser. Wir denken an sie als die wirklich Einheimischen. Andere im Ausstellungsteam waren hingegen erst ge­rade fünf Monate hier. Ist dieser Hintergrund wichtig für die Auswahl der Werke?

Das Triptychon «Alpleben» (1917) von Ernst Ludwig Kirchner wurde gleich zu Beginn zu einem Symbol des Zusammenseins, um gemeinsam etwas zu vollbringen, mitunter in widrigen Umständen. Auf dem Bild sind die herausfordernden Bedingungen der Landwirtschaft in den Bergen dargestellt. Die Vielstimmigkeit der Ausstellungsmachenden kam hier zum Ausdruck: Man einigte sich, sich nicht auf einen Gedanken zu einigen. Rund um das Alpleben sind Sprichwörter in allen beteiligten Sprachen und ihren Schriften zu sehen, die einerseits Vielstimmigkeit zeigen und andererseits spürbar machen, wie in allen Teilen der Welt das Spannungsfeld von «alleine» und «gemeinsam» besteht. In der Ausstellung können Sprichworte aus verschiedenen Teilen der Welt entdeckt werden, die diesen Gedanken ausdrücken, und mit ihm kommt man dem Expressionisten Kirchner sehr nah, denn er wollte nicht die äussere Welt darstellen, sondern einen Ausdruck für seine innere Welt finden.

Den gemeinsamen Weg finden

Wie entsteht überhaupt eine gemeinsame Ausstellung mit so ­vielen Personen aus verschiedenen Lebenswelten? Als Einstieg wurden Themen gesammelt, die die Beteiligten interessieren, die sie wichtig finden: Helfen, Heimat, Respekt, Lernen hatten die meisten Punkte, direkt gefolgt von Miteinander, Brücken, Sport und Neuanfang. Im Gespräch wurde dann das Motiv der Begegnung zentral. So beginnt der gemeinsame Weg mit offenen Türen und Ausblicken auf die Davoser Landschaft. Das Team wählte einen stimmigen, bunten Mix aus auch nicht so bekannten Werken. Johanna Veit Gröbner, Geschäftsleiterin der IG offenes Davos, sinniert: «Ob das kleinformatige Ölbild «Junkerboden» (1938) mit seinen warmen Farben und dem Licht in der Hütte und auf den Bäumen Mut macht oder auch durch seine Schatten nicht so ganz einladend wirkt, bleibt offen.»

Um die Ecke tut sich ein kleiner Raum im Raum auf. Es ist wie ein Hineingehen in eine vertraute Umgebung. Das Gemälde «Bauernfamilie beim Essen» (1922–23) strahlt ein Zuhause-Sein aus. Die Wand daneben zeigt zwei Wörter: «Geborgenheit» auf Deutsch und «Seelenfrieden» – auf Singhalesisch, es wirkt beinahe wie eine Zeichnung. Einer der unbegleiteten, aus Afghanistan geflüchteten Jugend­lichen meinte: «Familie ist wichtig, aber ich habe keine mehr hier. Ich muss ­meinen Seelenfrieden anders finden.» Er wählte ein Bild, das eine Person zeigt, die sich in das Malen vertieft.

Begegnung wagen – Brücken bauen

Jeder braucht etwas, das einem wichtig ist. Bei einigen ist es der Sport, der den nächsten Abschnitt einleitet. So bekommen Grafiken vom Schwingen, Radfahren und Kegeln ihren Platz. In der Mitte des Raums steht ein Grammophon – umgeben von Gemälden, Tapisserien und Zeichnungen, die Menschen zeigen, die einander begegnen: beim Tanzen, als Akrobaten, im Café oder einfach so im Leben. Party war auch eines der genannten Themenfelder, und die Musik steht nun exemplarisch für ein Miteinander. So entstand auch die Idee zur Schlussveranstaltung, zu der alle herzlich eingeladen sind, auch diejenigen, die nicht gerne tanzen. Am Sonntag, 5. November, feiert ein Tanz-Café zwischen 17 und 19 Uhr den Abschluss der Ausstellung. Der Eintritt ist frei.

Einige der Ausstellungsmachenden neben Kirchners «Die Brücke bei Wiesen» (1926).
Einige der Ausstellungsmachenden neben Kirchners «Die Brücke bei Wiesen» (1926).
zVg
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