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«Wir haben Bock auf Stress»

Sie gehören zu den wohl aussergewöhnlichsten Band Deutschlands, und die Musik ist Transportmittel für ihre Botschaft: Feine Sahne Fischfilet. Ein Porträt.

13.04.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Nass geschwitzt und ausgepowert: Sänger Jan «Monchi» Gorkow der deutschen Punk-Band Feine Sahne Fischfilet am gut besuchten Konzert in Zürich.
Nass geschwitzt und ausgepowert: Sänger Jan «Monchi» Gorkow der deutschen Punk-Band Feine Sahne Fischfilet am gut besuchten Konzert in Zürich.
PRESSEBILD

«Wir schaffen es einfach nicht, die Ruhephasen einzuhalten – das ist aber auch unser Erfolgsrezept, dieses ständige Brennen für irgendwas.»

Sie haben Hass auf Nazis. Die antifaschistische Punkband Feine Sahne Fischfilet fand Eingang in den Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommern, es wurde ihnen eine explizit anti-staatliche Haltung attestiert. Sie organisierten die Kampagne «Noch nicht komplett im Arsch» gegen rechts, da steht dann auch schon mal gerne Campino von den Toten Hosen oder Marteria mit auf der improvisierten Bühne. Feine Sahne Fischfilet mobilisierten so in ihrer Heimat Deutschland Zehntausende Menschen, um auf die Strasse zu gehen und gegen die AfD zu demonstrieren.

Zurzeit ist die Band mit ihrem aktuellen Album «Sturm und Dreck» auf Tour. Alle Deutschlandkonzerte sind ausverkauft. Sie spielen nicht mehr vor einem schlafenden Hund und zwei besoffenen Punks, diese Tage sind vorbei.

Heute füllen sie Hallen mit bis zu 6000 Personen, und sie sind direkt in die Top Ten der deutschen Charts eingestiegen. Jetzt ist ihre Zeit. Der Hype um Feine Sahne Fischfilet ist gross, sie werden bespielsweise von der renommierten ARD-«Tageschau» zum Live-Interview geladen. Alle wollen etwas von ihnen, der Punkband im Mainstream. Es funktioniert, es ist ein Phänomen, das es so in Deutschland noch nicht gegeben hat

Treffpunkt: Roter Tourbus im Hinterhof

«Komm bitte pünktlich, du bekommst 15 Minuten, wir haben nur wenig Zeit – grosse Tour, fast alles ausverkauft», schrieb die Tour-Managerin von Feine Sahne Fischfilet auf die Interviewanfrage. Es empfahl sich also, schon 20 Minuten vor dem abgemachten Zeitpunkt vor dem «Komplex»-Club in Zürich einzutreffen und am besten auch gleich die Tour-Managerin anzurufen.

Sie ist freundlich und gut gelaunt und geht motiviert durch den Konzertsaal, die Vorband ist gerade beim Soundcheck. Vor dem Backstage stehen zwei Jungs von Feine Sahne Fischfilet, Max und Jakobus. Dann geht es hinten raus, zum Tourbus. Er ist rot und einigermassen gut aufgeräumt. Von Hektik und Stress ist in dem Moment nichts zu spüren, die beiden Bandmitglieder sind gut drauf, wie man so schön sagt.

«Uns geht es gut, wir haben uns so langsam wieder an das Tourleben gewöhnt», bestätigen Max und Jakobus ihre gute Laune. Sie hätten gerade richtig Bock zu spielen, und «es ist richtig geil, die Konzerte sind total abgefuckt». Wenn schon so viel Aufmerksamkeit auf sie gerichtet sei, dann wollten sie diese auch ausnutzen, «um unsere Botschaft rüberzubringen. Und wenn dann die Konzerte noch ausverkauft sind, sind wir froh», sagt Max.

Feine Sahne Fischfilet stehen für eine konsequente Haltung gegen rechts, nicht nur mit ihrer Musik, auch auf der Strasse. Jan «Monchi» Gorkow, der Sänger, wurde mit 14 Jahren zum ersten Mal an einer Demo verhaftet. Er sei unschuldig gewesen, «einfach zu langsam», wie er es ausdrückt. Der gewichtige Frontsänger Monchi wiegt zwischen 140 und 150 Kilo, wie viel genau weiss er nicht, er steigt nie auf eine Waage. Max und Jakobus stehen auf der Bühne links von Monchi, sie spielen Trompete. Überhaupt ist links bei ihnen Programm. «Ich würde mir jetzt aber nicht anmassen, dass wir die Einzigen sind, die politisch aktiv sind, da gibts bestimmt noch viele andere.»

Jeder soll seinen Platz haben und diesen auch ausfüllen. Wenn Leute lieber Liebeslieder schreiben würden, dann sei das auch ok. «Wenn das von Herzen kommt, dann nehme ich es den Leuten eher ab, als wenn sie krampfhaft versuchen einen politischen Song zu machen oder sich im Radio politisch äussern wollen», sagt Jakobus bestimmt. Aber die Leute, die etwas zu sagen hätten, die sollten es definitiv machen, und die sollten gerade in der heutigen Zeit nicht dazu neigen, den Mund zu halten. Er wird noch deutlicher: «Gerade jetzt sollte man die Klappe aufmachen.»

Punk mit klarer Botschaft: Kampf dem Rechtsextremismus

Dort, wo die Band herkommt, machen sie sich so nur wenig Freunde – sie stammen aus Mecklenburg-Vorpommern, einer Gegend, in der die rechtspopulistische AfD bei den letzten Wahlen 20,8 Prozent Wähleranteil hatte. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten ist rekordverdächtig hoch und im Gegensatz dazu die Löhne der Bevölkerung niedriger als im gesamten Bundesdurchschnitt. Jeder, der kann, verlässt diese Gegend und zieht nach Hamburg oder Berlin. Nicht so die Jungs von Feine Sahne Fischfilet.

«Wir wollen da, wo wir aufgewachsen sind, versuchen ein neues kulturelles Angebot zu schaffen, das es in der Art und Weise sonst nicht gibt», sagt Max. In ihrer Heimat gebe es Landstriche, die seien vom demografischen Wandel ausserordentlich stark betroffen. Landstriche gar, die von Politik und Kultur verlassen seien. «Da hauen alle ab, da bleibt keiner.» Mit ihren Konzerten versuchen sie genau dem entgegenzuhalten.

Vor dem Plattenvertrag an die Theke gepinkelt

Angefangen haben Feine Sahne Fischfilet im Jahre 2007, die ersten beiden Alben haben sie unter dem Label Diffidati Records veröffentlicht. Den aktuellen Plattenvertrag hat Monchi im Dezember 2011 auf der Weihnachtsfeier vom Musiklabel Audiolith auf seine ganz eigene Art und Weise eingefädelt. Zuerst hat er an die Theke gepinkelt, und dann hat er die Vereinbarungen für eine Veröffentlichung auf der Toilette getroffen. Unkonventionell, Punk eben.

«Ich glaube, dass uns Authentizität ausmacht, dass es halt nicht komplett reingewaschen, nicht am Reissbrett entwickelt, nicht gecastet ist», sagt Jakobus über sich und seine Band. Er erklärt weiter, dass sie Charakteren seien, die sich mit der Zeit entwickelt hätten und die da irgendwie reingewachsen seien und die damit einen Umgang fänden. «Das macht uns auch tatsächlich etwas spannend.»

Sie haben schon viel erlebt, viel zu erzählen und packen das alles in Musik. Aussergewöhnliche Aktionen und Engagements machen die Mitglieder der Band aus. Monchi beispielsweise reiste für eine Hilfslieferung an die türkisch-syrische Grenze bei Kobane nach Suruç. Er wollte den Menschen vor Ort helfen. Während seines Aufenthalts in Suruç erlebte der Sänger der Band das ganze Ausmass der Grausamkeit, die die Menschen im Kriegsgebiet beinah täglich erleben müssen – es wurde zeitgleich mit seinem Aufenthalt ein Selbstmordanschlag verübt. 31 Tote und 70 Verletzte. Monchi war nur 500 Meter vom Anschlag entfernt. Er singt darüber im Song «Suruç». Er beschreibt musikalisch, wie alles voller Blut war, und singt: «In der ganzen Stadt roch es nach Blut.» Das war im Jahre 2016, in dem Jahr, als sich die Band eigentlich eine Auszeit nehmen wollte. Es wurde eines der intensivsten Jahre überhaupt. Sie haben ihre Erlebnisse aus den letzten Jahren in Musik verwandelt. Heute sagen die Bandmitglieder, so gut wie auf «Sturm und Dreck» – dem zu dieser Zeit entstandenen Album sei es ihnen noch nie gelungen, Erlebtes in Musik zu packen.

Überhaupt ist es mit der Ruhe, den Auszeiten etwas schwierig: «Wir schaffen es einfach nicht, diese Ruhephasen einzuhalten», sagt Jakobus stellvertretend auch für seine Bandkollegen. «Ich kann mich nicht erinnern, dass wir das jemals geschafft haben, aber das ist auch unser Erfolgsrezept, dieses ständige Brennen für irgendwas.»

Und auch Zürich hat gebrannt, wie schon lange nicht mehr. An diesem Freitagabend in jener Konzerthalle, die Feine Sahne Fischfilet mit ihrer Musik und vor allem ihren Songinhalten aufgerüttelt hat. Dass Feine Sahne Fischfilet mobilisieren kann, das zeigte sich auch am Publikumsaufmarsch. Ungefähr 1600 Leute standen dicht an dicht, einige von ihnen hatten wohl schon die Jugendunruhen in den Achtzigerjahren miterlebt. Das Konzert dauerte zwei Stunden, die Band hatte die Masse von Anfang an im Griff. Es wurde mitgesungen, vom ersten Takt an. Auch das Schweizer Publikum konnte fast alle neuen Songs schon auswendig.

Das Konzert in Worte zu fassen, fällt schwer. Hühnerhaut von Anfang an zuvorderst in der tobenden Menge, nass geschwitzt und trotz angeknackster Rippe glücklich. Monchi bringt es im Song «Alles auf Rausch» auf den Punkt: «Wann hört dieser Wahnsinn auf!»

Der Film über die Band
Das Punkrocker-Porträt «Wildes Herz» ist eine Dokumentation über Jan «Monchi» Gorkow, den Sänger der Punkband Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Band engagiert sich öffentlich gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie, aber auch gegen Abwanderung, Perspektivlosigkeit und Wendeverliererfrust – Themen, die sich allesamt in der Musik der Band wiederfinden. Gleichzeitig hatte Feine Sahne Fischfilet wegen des Vorwurfs einer anti-staatlichen Haltung auch immer wieder Probleme mit Verfassungsschutz und Polizei und gilt als «Vorpommerns gefährlichste Band». Regie führt der Schauspieler Charly Hübner, der selbst in Mecklenburg geboren wurde – «Wildes Herz» ist seine erste Kino-Doku. Hübner zeigt Monchi und die anderen Bandmitglieder Olaf, Christoph, Kai, Köbi und Max als Punks und Lokalpatrioten, aber auch bei grossen Festivals und auf Wahlkampftour.

So klingt «Feine Sahne Fischfilet».
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