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«Das ist ein einmaliges Projekt»

Neben der Klimawandel gilt der Verlust der Biodiversität als eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Doch was ist mit der Agrobiodiversität? Was das ist und warum auch diese für die Menschheit existenziell ist, zeigte Philipp Ammann, Bereichsleiter Tiere und Vermarktung bei Pro Specia Rara (PSR), am vergangenen Freitag im Hotel Seebüel auf.

Davoser
Zeitung
01.06.23 - 11:45 Uhr
Klima & Natur
zVg

Anlass war eine Mitgliederversammlung des Vereins Seevogel Davos, der am Ufer des Davosersees beim Seebüel je ein Paar Pommernenten und Diepholzer Gänse betreut. Vom Projekt zeigte sich der seit über 20 Jahre für PSR tätige Biologe sehr angetan. «Diese Kombination einer Haltung direkt an einem natür­lichen See mit Zugang für die Öffentlichkeit, gibt es sonst nirgends», sagte er und brachte als Geschenk der Stiftung für den Erhalt der Vielfalt bei Nutztieren und -pflanzen einen ansehnlichen Unterstützungsbeitrag mit. Dieser wurde für die noch immer nicht vollständig gesicherte Finanzierung des geplanten Wassergeflügelstalls sehr gerne entgegengenommen. Das Projekt erfülle genau ihre Ansprüche, lautet die Begründung von PSR. Denn mit den bedrohten Nutztieren würde nicht nur gezüchtet, sondern gleichzeitig die Öffentlichkeit auch über Agrobio­diversität informiert, stellte Ammann fest. Diese sei die Rückversicherung in der Landwirtschaft. «Agrobiodiversität ist das, womit man in der Landwirtschaft arbeitet, um die verschiedenen An­sprüche erfüllen zu können.» Also all ­jene Tiere und Pflanzen, die in menschlicher Obhut auf spezifische Eigenschaften gezüchtet wurden oder einfach der jeweiligen Umgebung am besten angepasst waren.

Alte Rassen sind wichtig

Es habe eine Zeit gegeben, da man meinte, sich in der Agrarindustrie auf ein paar wenige Hochleistungsrassen bei Tieren und -sorten bei Pflanzen konzentrieren zu können, erklärte Ammann weiter. Diese Leistungszucht gebe es noch immer, doch inzwischen sei man zur Einsicht gelangt, dass das System äusserst anfällig für Störungen und wenig flexibel sei. «Ausserdem veränderten sich in den letzten Jahrzehnten die Ansprüche an die moderne Landwirtschaft.» Die alten Nutztiere und -pflanzen seien der «Werkzeugkasten» aus dem die aktuell gewünschten Eigenschaften ausgewählt und damit weitergezüchtet werden können. Sei das zur Gesunderhaltung der Leistungszucht oder für völlig neue Aufgaben, wie etwa die Landschaftspflege. «Ausserdem werden bei den alten Rassen und Sorten immer wieder bisher unbekannte Merkmale entdeckt, die für die Leistungszucht sehr wertvoll sein können.» Entsprechend würde die Vielfalt gebraucht, um mit den vielen Eigenschaften unter den heutigen und zukünftigen Bedingungen Nahrungsmittel produzieren zu können. Doch damit nicht genug. Auch für eine abwechslungsreiche und genussvolle Ernährung sowie eine attraktive Landschaft seien die alten Rassen und Sorten unverzichtbar, fuhr der Vertreter von PSR fort. Ausserdem: «Wir brauchen die alten Rassen und Sorten, weil sie ein Teil unserer Geschichte und Kultur und somit unserer Identität sind.»

Nutztiere und Nutzpflanzen

Auch zur Frage, wie das gelingen könne, hatte Ammann eine Antwort bereit. Sie ist bereits im Wort «Nutztier» oder «Nutzpflanze» angelegt. «Wir müssen sie nutzen. Nur wenn es einen Absatzmarkt gibt, lassen sich genügend Menschen finden, die bereit sind, in diese Rassen und Sorten zu investieren.» Zu den inzwischen am Davosersee heimischen Pommernenten wusste er zu berichten, dass sie als Mastente mit einer hohen Eier­produktion gezüchtet worden sei. Ausserdem seien sie auch beliebte und effiziente Schneckenjägerinnen. Bei den Diepholzer Gänsen ist die Nutzung etwas aus­gefallener. Auch sie wurden traditionell gemästet und legen bis zu 50 Eier pro Jahr. Ausserdem gewann man von ihnen Daunen und nutzte die Schwungfedern als Schreibkiele. «Sie sind ausserdem ausgezeichnete Wächterinnen.» Zu den positiven Eigenschaften wusste Martin Büchi, Präsident des Vereins Seevogel Davos, noch hinzuzufügen: «Obwohl sie freien Zugang zum See haben und jederzeit anderswo hin könnten, kommen sie abends immer zurück zum Stall. Nur dank dieser angeborenen Standorttreue ist die Haltung in dieser Weise überhaupt möglich.» Nun hofft der Verein, dass sie bald eine weitere natürliche Verhaltensweise zeigen und demnächst kleine Entchen und Gänschen am saftigen Gras der Uferböschung zupfen.

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