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Ich weiss, dass ich nichts weiss – immer wieder

Unser Autor verliert jeglichen Realitätssinn und vergleicht sich mit Sokrates.

06.09.23 - 16:30 Uhr
Sokrates: kein Zillennial, aber auch recht clever.
Sokrates: kein Zillennial, aber auch recht clever.
Bild Freepik

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle versucht, die Frage zu beantworten, wann man erwachsen wird. Ein Thema, das mich seither immer mal wieder verfolgt. Facebook hat mit dazu beigetragen. Ich gehöre zur Facebook-Generation und bin seit September 2007 auf der Plattform angemeldet und aktiv. Daran erinnert mich Facebook auch gerne. Da steht dann in meinen Benachrichtigungen: «Du hast Erinnerungen, auf die du zurückblicken kannst.» Das ist manchmal unterhaltsam, meist möchte ich mich aber facepalmen und schäme mich etwas für mein früheres Ich. Da wechseln sich Ausgeh-Aufrufe in meine Bubble, Fussballmatch-Livekommentare und Rumgenöle über damalige Aktualitäten ab. Facebook hält mir also regelmässig den Spiegel vor die Nase und zeigt mir den Unreifegrad meiner selbst im Zeitraffer auf.

Zu merken, dass ich mich weiterentwickelt habe, ist kein grundsätzlich neues Erlebnis für mich. Wo mich heute eine Social-Media-Plattform daran erinnert, waren es früher meine Abschlussarbeiten. In meiner Zeit an der Handelsmittelschule habe ich ein Praktikum in einem Reisebüro gemacht. Die Idee der Schule dahinter: Die Schüler machen praktische Erfahrungen, können idealerweise Wissen aus der Schule anwenden und reflektieren das Ganze dann in einem Praktikumsbericht. Ich habe mich in meinem Bericht, den ich höchstprofessionell auf gelbem Papier und in der Schriftart «Comic Sans» abgab, darauf beschränkt, mich über meine Praktikumsbetreuung zu beklagen. Keine Selbstreflexion, kein erkennbarer Lerneffekt, einfach nur ein paar Seiten gefüllt mit weinerlichen Ergüssen eines Pubertierenden.

Die nächste grössere Arbeit stand dann an, als ich meine Berufsmatura machte. Ich analysierte die Kommunikation eines grossen Skigebiets. Das bot sich an, weil mich das Thema interessierte und weil ich vor hatte, anschliessend Kommunikation und Journalismus zu studieren. Ich machte also eine nicht ansatzweise repräsentative Umfrage unter zufällig ausgewählten Gästen des Skigebiets, die ich während meiner Mittagspause ansprach und ihnen meinen gebastelten Fragebogen unter die Nase hielt. Ich schrieb die Arbeit und zog irgendwelche Schlüsse daraus, die dann ausser meinem Prüfungsexperten niemanden interessierten.

Ihr merkt schon, viel Gutes lasse ich nicht an meinen Abschlussarbeiten aus den 90ern oder den frühen 2000ern. Etwas besser sah es mit meiner Bachelorarbeit und der Masterarbeit aus. Wobei ich auch diese beiden Arbeiten von 2006 und 2015 mittlerweile viel kritischer betrachte als zum Zeitpunkt ihrer Abgabe. Jede der Arbeiten erschien mir damals als das Ausgereifteste, Cleverste und Durchdachteste, was ich abzuliefern imstande war. Gleichzeitig hielt ich mich, meine Erfahrungen und meine Intelligenz für ausgereift. Wahrscheinlich war ich jeweils auch auf dem Peak meiner geistigen Fähigkeiten. Ich war aber – und das fällt mir heute beim Zurückdenken an diese Arbeiten auf – noch weit entfernt davon, mein ganz persönliches Maximum an Reife und Eloquenz erreicht zu haben.

«Ich weiss, dass ich nichts weiss», soll der Philosoph Sokrates gesagt haben. Nach dieser Formel wird Weisheit auch heute noch gerne definiert: Wissen und zugleich Wissen um die (eigenen) Grenzen des Wissens.

Schön, dass man nicht nur als altgriechischer Philosoph zu einer Einsicht kommen kann, sondern auch, wenn man sich mit den Ergebnissen des eigenen Denkens beschäftigt. Noch viel schöner, wenn man dadurch auch lernt, dass man die momentan selbstgefühlte Reife und Cleverness in einigen Jahren sehr viel differenzierter betrachtet.

In diesem Sinne: Immer schön weiterentwickeln und sich selbst nicht allzu ernst nehmen.

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