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Davos und der Nationalsozialismus – die Geschichte einer heiklen Beziehung

Die Kurgeschichte von Davos ist relativ gut erforscht. Auch über die Nazizeit wurde bereits viel geschrieben und geforscht. Mit dieser Epoche beschäftigte sich auch der Langnauer Kantonsschüler Elias Weill in seiner Maturaarbeit.

Barbara
Gassler
23.04.23 - 07:05 Uhr
Leben & Freizeit
Elias Weill verbringt seine Ferien regelmässig in Davos – wie hier vor einigen Jahren am Seehorn.
Elias Weill verbringt seine Ferien regelmässig in Davos – wie hier vor einigen Jahren am Seehorn.
zVg

Dass Weill ausgerechnet dieses Thema wählte, kommt nicht von ungefähr: Da ist einerseits seine Faszination für Geschichte. Da sind die Eltern, die in Davos eine Wohnung besitzen, und nicht zuletzt die Tatsache, dass der Maturand dem jüdischen Glauben angehört. Also machte er sich auf, die Zeit der 1930er- und 1940er- Jahre zu untersuchen. Er fragte sich, wie die hiesige Bevölkerung zu jener Zeit mit Nationalsozialisten umgegangen war und wie ein eventueller Widerstand ausgesehen hatte. Seine Informationen bezog er einerseits aus der in der Dokumentationsbibliothek vorhandenen Literatur sowie aus einem Interview mit Otto Farrèr, den er als Zeitzeugen befragte. Das Resultat ist eine Arbeit mit dem Titel «Davos und der Nationalsozialismus – Geschichte einer heiklen Beziehung», die mit der Note 5,5 bewertet wurde.

Abhängigkeit von den Deutschen

In einem kurzen Abriss schildert Weill die Geschichte von Davos, bevor er sich der deutschen Kolonie zuwendet. «Parallel dazu wuchs in Davos die Tourismusindustrie, die stark von deutschen Gästen abhing», stellt er fest, und wendet sich dann der Person von Wilhelm Gustloff zu, die «einen sehr grossen Anteil an genau diesem Aufstieg der NSDAP (Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei) in Davos hatte». Gustloff habe äusserst erfolgreich ein den ganzen Ort überziehendes Netzwerk aufgebaut, in dessen Schoss sich die nationalsozialistische Propaganda habe verbreiten können. Dass dies überhaupt gelungen sei, «hatte er dem guten Verhältnis zu den Schweizerischen und zu den Davoser Behörden zu verdanken», schreibt Weill in seiner Arbeit. Nach Gustloffs Ermordung sei die Propagandatätigkeit einfach von anderen Personen und Institutionen übernommen worden.

Schwieriges Verhältnis

Bezüglich der Situation in Davos kommt Weill zur Erkenntnis, dass man vor allem Angst vor dem Ausfall der deutschen Gäste hatte. Schwierig gewesen sei auch der Umgang mit den Deutschen – grösstenteils Nazionalsozialisten –, von denen viele Unternehmen existenziell abhängig gewesen seien. «Wer sich dann doch kritisch äusserte, riskierte einen Boykott der ganzen deutschen Kolonie.» Die Beziehung zwischen der einheimischen und der deutschen Bevölkerung habe sich denn auch zunehmend verschlechtert, stellt Weill fest. Dazu passen die Aussagen des Zeitzeugen Otto Farrèr, wie von Weill zusammengefasst: «Da die Kontakte meist negativ behaftet waren, war ein starker Hass gegen die Deutschen schon fast normal». Offenen Widerstand hätten nur einzelne Personen, wie der SP-Grossrat Moses Silberroth, geleistet. Weniger auffällig, aber wichtig sei die Arbeit der sogenannten Ortswache sowie der Ortswehr gewesen. Die erstere war privater, die zweite offizieller Natur. Beide hätten das nazionalsozialistische Treiben beobachtet und dokumentiert, um nötigenfalls rasch eingreifen zu können. Eine besondere Stellung habe das Café Schneider mit seiner offen ablehnenden Haltung Nazis gegenüber gehabt. Weill zitiert eine Zeitzeugin: «Laut Hurych gingen manche Einheimische, die das Schneider zuvor als zu nobel empfanden, genau wegen der deutschfeindlichen Stimmung dorthin». Durch solch simple Aktionen habe man ein Zeichen setzen können, was ganz gut in das Bild der Davoser Bevölkerung passe, folgert der Maturand. Die Ankunft der amerikanischen Internierten habe zu einer weiteren Erstarkung dieses passiven Widerstandes geführt: «Indem die Davoser offen Sympathie für die Amerikaner bekundeten, machten sie den Deutschen gleichzeitig klar, dass sie im Landwassertal nicht mehr willkommen waren».

Vergessen und weitermachen

Nach Kriegsende habe man zwischen einer radikalen Säuberung und einem friedlichen Miteinander geschwankt. Schliesslich habe man sich auf den wirtschaftlichen Wiederaufstieg konzentriert. «Mit der Vergangenheit galt es abzuschliessen und nach vorne zu schauen. Für die Davoser war dies wohl die unkomplizierteste Option, auch wenn dies nicht immer einfach war, wie es schon Otto Farrèr mit dem ‹zu beissen an der Nationalsozialismus-Thematik› audrückte», beschliesst Weill seine interessante Arbeit.

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