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Ein Leben ohne Grenzen

Conradin Perner erfuhr am vergangenen Samstag in der Grossen Stube eine besondere Ehrung.

Barbara
Gassler
09.10.22 - 06:57 Uhr
Leben & Freizeit
Conradin Perner mit dem neuen Pass.
Conradin Perner mit dem neuen Pass.
zVg

Nicht vielen Leuten ist der in Ostafrika gelegene Südsudan ein Begriff. Das Land wurde erst 2011 vom Sudan unabhängig und kam auch seither nicht wirklich zur Ruhe. Mit einer geschätzten Bevölkerungszahl von rund elf Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandprodukt von 228 US-Dollar pro Kopf gilt es als ärmstes Land der Welt.

Viel mehr zu erzählen wüsste der 1943 in Davos geborene Conradin Perner, der über viele Jahre im Südsudan forschte und wirkte. In Davos aufgewachsen, promovierte er ursprünglich als Sprachwissenschaftler, bevor er während Jahren als Ethnograf bei den Anyuak lebte, einen der 64 Stämme des Südsudan, und darüber eine umfassende Arbeit schrieb. Zuerst war Perner allerdings als Delegierter der Internationalen Kommission des Roten Kreuzes (IKRK) tätig, was ihn in den frühen 1970-Jahren für Einsätze nach Bangladesch und Südvietnam führte. Doch 1974 kam Perner an die Universität in Karthum, Sudan, wo er während zwei Jahren lehrte. So kam er 1975 zum ersten Mal mit den Anyuak in Kontakt, unter denen er bis 1989 arbeitete. Sie gaben ihm den Namen Kwacakworo.

Kampf für einen eigenen Staat

In den drei Jahren darauf wirkte Perner im Südsudan wiederum als Delegierter des IKRK. Das war in einer Zeit, als südsudanesische Rebellen erneut für einen eigenen Staat kämpften. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebiet zwar in den Sudan eingegliedert worden, doch die Südsudanesen fühlten sich nie zugehörig und kämpften immer wieder um ihre Unabhängigkeit. Während zehn Jahren existierte das Gebiet sogar als autonome Region. Als die Zentralregierung jedoch den 1972 geschlossenen Friedensvertrag zunehmend missachtete, brachen 1983 neue Kämpfe aus. Der Krieg endete 2005 mit einem Friedensabkommen zwischen dem Nordsudan und der für die Unabhängigkeit kämpfende sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA), der den Weg zum heutigen Staat ermöglichte.

Perners südsudanesischer Pass.
Perners südsudanesischer Pass.
zVg

Die verlorenen Kinder

Während Perners Zeit als Delegationschef des IKRK wurden rund 20 000 Kinder im Alter von 7 bis 17 Jahren von ihren Familien getrennt und kamen bis ins mehrere Tausend Kilometer entfernte  Äthiopien. Im Südsudan erinnert man sich noch immer mit grosser Hochachtung an Perners Einsatz, um diese Kinder wieder heimzuholen. Auch seine Rolle in der «Operation Lifeline Sudan» ab 1989 trägt zu seiner grossen Anerkennung in diesem Land bei. Bei dieser von zahlreichen Hilfsorganisationen gemeinsam durchgeführten Aktion ging es darum, humanitäre Hilfe zu der vom Krieg gebeutelten und von Dürre geplagten Zivilbevölkerung im Südsudan zu bringen.

Vermittler und Visionär

Zum Jahrtausendwechsel führten Aufträge des IKRK Perner nach Afghanistan, Zentralasien und in den Kongo. Doch 2002 kehrte er zurück in den Südsudan und spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausarbeitung des Waffenstillstandes zwischen der für die SPLA und der Regierung des Nordsudan. In der Folge wurde er zum Kommandanten der Internationalen Überwachungskommission bestimmt und amtete bis 2008 im Auftrag Eidgenössischen Departements des Äusseren als «Senior Peace Adviser». Als Vertreter der Schweiz initiierte er das «House of Nationalities», das zu einem besseren Zusammenhalt zwischen den südsudanesischen Volksstämmen und einer besseren Integration von Minoritäten beitragen soll. Als der Südsudan 2011 dann tatsächlich unabhängig wurde, verlieh die junge Nation Perner für seine Dienste die Ehrenbürgerschaft.

Übergabe in der Grossen Stube

Doch erst am vergangenen Samstag durfte Perner das Papier tatsächlich entgegennehmen. Dazu waren extra der südsudanesische Botschafter in der Schweiz sowie Vertreter sowohl des EDA als auch des IKRK nach Davos gereist. In einer im Rathaus ausgerichteten Zeremonie wurde Perner das Papier überreicht, und Salva Kiir, der erste und bisher einzige Präsident des Landes, dankte ihm per Videobotschaft für seine grossen Dienste.

Mehr zu Conradin Perner und seiner Arbeit ist zu finden auf https://kwacakworo.com

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