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Vom Skilauf zum Skisprung

Wenn heute vom «Skispringen» oder «Skifliegen» berichtet wird, ist Davos kein Thema. Das war nicht immer so. Vor rund 100 Jahren war Davos mit der «Bolgenschanze» im Sprunglauf in ganz Europa eine bekannte Grösse.

Davoser
Zeitung
09.02.23 - 12:00 Uhr
Leben & Freizeit
Die alte Bolgenschanze um 1905. Zu sehen ist hier auch der Gaskessel an der Mattastrasse (im Bild direkt unter den Füssen des Skispringers).
Die alte Bolgenschanze um 1905. Zu sehen ist hier auch der Gaskessel an der Mattastrasse (im Bild direkt unter den Füssen des Skispringers).
zVg/Dokumentationsbibliothek Davos (DBD), Sammlung Rämisch

Die Ursprünge des «Skispringens» sind schon im 18. Jahrhundert in der norwegischen Provinz Telemark zu finden. Neben der Abfahrt wurden kleine Hügel mit Sprüngen gemeistert. Zur Verbreitung des Skisports in Davos trugen die Brüder Johannes und Tobias Branger wesentlich bei. Ihre Skitour nach Arosa im Jahr 1893 und die Wiederholung im Jahr darauf, in Begleitung des Kriminalschriftstellers Sir Conan Doyle, weckte in vielen die Begeisterung am Skilauf. Die Brüder Edward und William Richardson gründeten 1902 den «Davos English Ski Club» und machten das Skilaufen und auch das Skispringen populär. Als 1903 der «Ski Club Davos» entstand, waren die Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der verschiedenen Skisportarten geschaffen.

Profil der ersten Schanze.
Profil der ersten Schanze.
zVg/Jahrbuch Skiverband 1909

Nachdem Arosa schon ab 1904 eine kleine Schanze am Obersee betrieb und St. Moritz ab 1905 die Julierschanze zur Verfügung stellte, konnte und wollte man in Davos nicht zurückbleiben. Zum Kampf um den Schweizer Skimeister wurde nämlich der Beste aus der Kombination Langlauf/Skisprung ermittelt. Dazu brauchte es aber Übungsmöglichkeiten. So wurde 1907 vom Ski Club beschlossen, einen «Skisprunghügel» zur Verfügung zu stellen. Eine fünfköpfige Kommission hatte die Aufgabe, einen Standort zu suchen und ein Projekt mit Kostenvoranschlag auszuarbeiten. Der Standort Bolgen erfüllte die Bedingungen am besten. Anlauf und Aufsprungflächen waren genügend vorhanden, die Baukosten für die Planierung zudem übersichtlich. Auch wurde man sich mit den Wald- und Landbesitzern schnell einig.

Dreifachsprung auf der alten Schanze, wahrscheinlich bei der Eröffnung 1909 aufgenommen.
Dreifachsprung auf der alten Schanze, wahrscheinlich bei der Eröffnung 1909 aufgenommen.
zVg/DBD

Die erste Bolgenschanze

Der geeignete Platz für die Schanze wurde zwischen dem Carjölerbach und dem Bolgenbach gefunden. Dort, wo die heutige Bolgenstrasse in den Wald übergeht, konnte die Schanze gebaut werden. Der Kostenvoranschlag von 3000 Franken und das Schanzenprofil wurden vom Ski Club abgesegnet. Freiwillige Beiträge der Gemeinde, vom Kur- und Verkehrsverein und von Privaten machten es möglich, dass bereits im Herbst 1908 mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Ein Stück Jungwald musste versetzt werden. Grössere Baumstämme waren zu entfernen und Planierungsarbeiten für den An- und den Auslauf in grösserem Masse notwendig. Das gute Einvernehmen mit dem Landbesitzer genügte, Bewilligungen waren nicht nötig. Eine Trockenmauer wurde zum Schanzentisch.

Schon ab Januar 1909 konnte gesprungen werden, die Erdarbeiten waren zwar noch nicht fertig, aber es lag genügend Schnee, um alle Unebenheiten auszugleichen. Die Mitglieder des Ski Clubs Davos nützten die Übungsmöglichkeiten sofort. Der 16-jährige Adolf Attenhofer stand einen Sprung von 33 Metern. Dieser ­Junior wurde 1917 Schweizer Skimeister und wechselte später zum Skibau. Die «Attenhofer-Ski» waren bis in die 1970er-Jahre eine bekannte Grösse.

Die Eröffnung der Schanze fand am 28. Februar 1909 im Rahmen eines Skifestes mit Dauer- und Slalomlauf statt. 1200 Zuschauer verfolgten das offizielle Eröffnungsspringen. Der Norweger Harald Smith stellte mit 45 Metern einen neuen Weltrekord auf. In den Folgejahren fanden immer wieder grosse Sprungwettkämpfe statt, im März 1913 sprang der Norweger Thorleif Knudsen mit 48 Metern einen neuen Schanzenrekord. Auch in der Zeit des Ersten Weltkrieges wurden auf der Bolgenschanze Wettkämpfe durchgeführt, die Rekordweite wurde aber nicht mehr übertroffen. Besonders attraktiv für die immer zahlreich an­wesenden Zuschauer waren die Doppel- und Dreifachsprünge.

Das Schiedsrichterhaus der alten Schanze 1926.
Das Schiedsrichterhaus der alten Schanze 1926.
zVg/DBD

Grossveranstaltung kündigte sich an

Die Zweiten Akademischen Welt-Winterspiele vom 4. bis 12. Januar 1930 wurden nach Davos vergeben. Neben den olympischen Winterspielen waren sie eine der grössten Sportveranstaltungen weltweit. Teilnehmer waren Studenten aus 32 Ländern. Später wurden diese Veranstaltungen als «Universiade» bekannt, heute sind es die «World University Games».

Da der Skisprung seit als 1924 olympische Disziplin galt (für Frauen erst ab 2014), brauchte man eine grössere Schanzenanlage. Auch die Konkurrenz baute fleissig Sprungschanzen. St. Moritz erstellte bereits 1926 die Olympiaschanze.

So fiel im Ski Club recht schnell der Entscheid, statt auszubauen eine neue Schanze zu erstellen. Davon versprach man sich auch eine Weiterentwicklung des Springens. Die bisherige Schanze wurde als «kleine Schanze» weiterbetrieben und stand bis zu den Siebten Akademischen Welt-Winterspielen, die 1947 wiederum in Davos ausgerichtet wurden, zur Verfügung. Als Nachkriegsveranstaltung waren diese Wettkämpfe bedeutend kleiner als früher. Später wurde die Schanze nicht mehr gebraucht und abgerissen.

Rico De Boni stellt der DZ diesen Text freundlicherweise zur Verfügung.

Quellen: Jahrbücher des Schweiz. Skiverbandes 1909–1932; Karl Erb: 100 Jahre Ski Club Davos, 2003

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