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Klimakrise ist kein Thema: Fast die Hälfte der Schweizer fliegt in die Ferien

Wer privat verreist, nimmt meistens das Flugzeug. Das zeigt eine Studie zum Schweizer Reiseverhalten in diesem Jahr. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen Jung und Alt.

Stefan
Schmid
02.05.24 - 09:41 Uhr
Wirtschaft
Fliegen trotz Klimawandel: Das beliebteste Verkehrsmittel für private Reisen ist für Schweizerinnen und Schweizer das Flugzeug.
Fliegen trotz Klimawandel: Das beliebteste Verkehrsmittel für private Reisen ist für Schweizerinnen und Schweizer das Flugzeug.
Bild Gaetan Bally / Keystone

Die Klimajugend ist laut, und sie engagiert sich stark – trotzdem scheinen ihre Kernbotschaften insbesondere bei der jungen Generation in der Schweiz auf taube Ohren zu stossen. Ein Indiz dafür: Vor allem Junge setzen auf das Flugzeug, wenn es darum geht, in die Ferien zu verreisen. Das zeigt eine neue, repräsentative Befragung des Vergleichsdienstes Comparis. Über die Hälfte der jungen Erwachsenen fliegen in die Ferien, das Auto verwenden weniger als ein Drittel, den klimafreundlichen Zug nur gerade 13 Prozent (siehe Grafik unten). Trotz Flugscham-Diskussion verzichtet dieses Jahr ausserdem gerade einmal jede fünfte Person in der Schweiz zwischen 18 und 35 Jahren ganz aufs Fliegen. Zum Vergleich: Bei den Älteren – den über 56-Jährigen – sind es mit 38 Prozent fast doppelt so viele.

Comparis-Mobilitätsexperte Adi Kolecic meint dazu : «Vor allem die junge Generation kauft Flugtickets.» Auffällig sei, dass 54 Prozent der Jüngeren dieses Jahr voraussichtlich mindestens zweimal fliegen, im Gegensatz zu nur 38 Prozent der älteren Generation.

Flugzeug ist für Schweizer das beliebteste Ferien-Verkehrsmittel

Gemäss der Comparis-Umfrage ist das Flugzeug für Herr und Frau Schweizer das beliebteste Verkehrsmittel, um privat in die Ferien zu verreisen. 46 Prozent der Erwachsenen – also fast jeder und jede Zweite – fliegen dieses Jahr in die Ferien (siehe Grafik unten). Gut ein Drittel der Befragten fährt mit dem Auto in die Ferien, gerade einmal knapp 15 Prozent nehmen den Zug.

Fliegt ihr dieses Jahr in die Sommerferien?

Auswahlmöglichkeiten

Wie erwähnt, steigen vor allem Junge ins Flugzeug – aber ebenso ist Fliegen bei Städtern überdurchschnittlich beliebt. Auch hier zeigt sich ein Widerspruch zwischen Schein und Sein. Kolecic sagt: «Trotz eines starken politischen Fokus auf Umweltschutz in städtischen Gebieten zeigt unsere Umfrage, dass die urbane Bevölkerung verstärkt auf das Fliegen setzt.» Das offenbare eine Kluft zwischen der umweltpolitischen Einstellung und dem tatsächlichen Verhalten der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner. Im konkreten Zahlen heisst das: In städtischen Gemeinden bevorzugen 50,2 Prozent der Befragten das Flugzeug für ihre Ferien, in ländlichen Gebieten sind es mit 41,4 Prozent deutlich weniger (siehe Grafik unten). 

Einen Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels dürfte dabei allerdings auch haben, dass viele Städter kein eigenes Auto besitzen. Kolecic: «Deshalb überrascht es nicht, dass Personen in ländlichen Gemeinden und in der Agglomeration häufiger mit dem Auto in die Ferien fahren als Menschen aus der Stadt.»

Auch das Portemonnaie spielt eine Rolle

Die Comparis-Umfrage bringt schliesslich ein weiteres Ergebnis zu Tage, das auf den ersten Blick wenig überrascht. Wer weniger verdient, nutzt auch seltener das Flugzeug (siehe Grafik unten). Hier dürfte die Distanz zum Reiseziel bei der Wahl des Verkehrsmittels ins Gewicht fallen: Denn Einkommensschwache machen häufiger in der Schweiz Ferien als Menschen aus höheren Einkommensschichten. «Bei Ferien innerhalb der Schweiz oder in angrenzenden Ländern erweist sich der Zug oft als die praktischere Alternative zum Flugzeug», so Kolecic. Bei niedrigen Einkommensschichten steht der Zug mit 24,5 Prozent vergleichsweise hoch im Kurs.

Warum Fliegen besonders klimaschädlich ist

Die Fliegerei gehört gemäss WWF Schweiz zu den wichtigsten Treibern der Klimaerhitzung. Denn der Klimaeffekt einer Flugreise sei enorm, schreibt die Umweltorganisation auf ihrer Website: «In der Schweiz ist der Flugsektor seit 2015 der grösste Verursacher von Treibhausgasen.» Durch die Fliegerei würden nicht nur Unmengen an Kohlendioxid (CO2) ausgestossen, so der WWF. «Auch andere, noch klimaschädlichere Stoffe – vor allem Stickoxide (NOx) und Wasserdampf – werden dabei emittiert.» 
Diese Substanzen sind in der Höhe, wo sie ausgestossen werden, besonders klimaschädigend, weil dies die Lebensdauer der ausgestossenen Moleküle verlängert. Je länger Treibhausgaspartikel in der Atmosphäre verweilen, desto mehr Wärme wird dadurch auf die Erde zurückgestrahlt. Dies führt gemäss dem WWF wiederum zu einer stärkeren Erhitzung des Planeten. Zusätzlich verstärkend wirken Kondensstreifen und durch das Fliegen verursachte Wolken. Fazit: Um den tatsächlichen Klimaeffekt der Luftfahrt zu ermitteln, müssten deshalb die CO2-Emissionen mit dem Faktor 3 multipliziert werden. (red)

Stefan Schmid ist Ressortleiter Wirtschaft für sämtliche Kanäle der Medienfamilie.

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