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Trittbrettfahrer im Visier

Eine neue Regelung soll inoffizielle Firmen am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos fernhalten.

Davoser
Zeitung
21.12.24 - 07:00 Uhr
Wirtschaft
Globale Gewerbeausstellung: Geschäfte und Restaurants an der Davoser Promenade verwandeln sich am WEF in Werbeobjekte für Firmen.
Globale Gewerbeausstellung: Geschäfte und Restaurants an der Davoser Promenade verwandeln sich am WEF in Werbeobjekte für Firmen.
SomediaPressAG
Die Summen sind unglaublich. Fast 200 000 Franken fliessen für zwei sogenannte Temporärbauten, die während des WEF auf dem Areal eines Mehrfamilienhauses errichtet werden. Firmen zahlen enorme Geldbeträge, um im Umfeld des Davoser Weltwirtschaftsforums eine Präsenz zu haben. Es ist gewissermassen die teuerste Gewerbeausstellung der Welt.

Das Geschäft mit Temporärbauten läuft wie geschmiert. Die Zahl von 200 000 Franken nennt eine Person, die in dem Haus wohnt und anonym bleiben will. Das Geld fliesse in den Erneuerungsfonds der Stockwerkeigentümergemeinschaft. Ein willkommener Zustupf. Doch diese Temporärbauten verschandeln grosse Teile von Davos während des WEF. Die Promenade – die Strasse, an der das Kongresszentrum, mehrere Hotels und viele Ladengeschäfte liegen – gleicht einer einzigen, vollgepflasterten Werbe-Allee.

Oft sind es nicht Firmen, die am WEF teilnehmen, die hier ihre Temporärbauten und -fassaden aufstellen. Sondern so genannte Trittbrettfahrer. Also Firmen und Organisationen, die nicht mit dem WEF in Verbindung stehen, aber auf diesem Tummelplatz ihre Logos zeigen und Kundenempfänge durchführen wollen. Sie sonnen sich mit ihren Pavillons oder umgenutzten Läden oder Restaurants im Glanz des globalen Grossanlasses.

150 temporäre Bauprojekte in Davos

Und es werden immer mehr. Waren es im Jahr 2019 noch rund 130 temporäre Bauprojekte, wurden 2024 bereits 150 gezählt. Diese negativen Begleiterscheinungen werden von der WEF-Organisation schon lange scharf kritisiert, denn durch Trittbrettfahrer wird die dann ohnehin bereits stark ausgereizte Davoser Infrastruktur bis zum Gehtnichtmehr belastet. Die Folgen: Den offiziellen Gästen des Kongresses und den Mitarbeitenden stehen zu wenig Zimmer zur Verfügung. Die Staus auf den Strassen nehmen zu. Zu gewissen Zeiten ist auf der Promenade kein Durchkommen mehr.

Die Gemeinde Davos hat reagiert. Sie erliess ein Anti-Trittbrettfahrer-Gesetz, formell war es eine Anpassung des Baugesetzes. Diesem stimmte das Davoser Stimmvolk im Juni haushoch zu. Und so könnte jetzt als Ultima Ratio die Zahl der Temporärbauten kontingentiert werden. Der Kernpunkt der neuen Regelung ist, dass sich in Davos am Jahrestreffen nur noch Firmen präsentieren dürfen, die vom WEF eingeladen sind. Ausgenommen davon sind Vertretungen von Nationen und Non-Profit-Organisationen. Eine einschneidende Massnahme. Aber hat sie mit Blick auf das nächste WEF, das vom 20. bis zum 24. Januar stattfindet, etwas bewirkt? Eher nicht, wie Recherchen zeigen.

Einige versuchten zu tricksen

Gemäss dem Davoser Hochbauamt wurden für das WEF 2025 total 166 Baugesuche eingereicht. Darunter fallen Temporärbauten, Umnutzungen von Geschäften und Restaurants sowie Werbeflächen. Zehn Gesuche wurden abgelehnt oder zurückgezogen. Bleiben also noch 156 Gesuche. Zum Vergleich: Für das WEF von Januar 2024 wurden 170 Gesuche gezählt, wovon dann 153 bewilligt wurden. Das sagt Conradin Menn, Rechtskonsulent der Gemeinde Davos. Dass die Zahlen im gleichen Rahmen bleiben, sieht er aber als Erfolg: «Ohne die Einschränkungen müsste man allenfalls sogar mit deutlich mehr Gesuchen rechnen.»

Einige Firmen versuchten zu tricksen und die neue Bewilligungspraxis zu unterwandern, bestätigt Menn: «Einzelne Gesuchsteller konnten keine zulässigen Endnutzer angeben. Andere gaben zwar einen vorschriftsgemässen Endnutzer an, doch ist nicht klar, ob dieser nur vorgeschoben ist und das fragliche Eventlokal überwiegend durch Dritte belegt wird, was durch die Gemeinde noch genauer untersucht wird.»

Von diesen Gesuchstellern würden nun Nutzungskonzepte eingefordert. Aber nicht nur das. Um auf Nummer sicher zu gehen, dass sich keine Trittbrettfahrer einschleusen, werden laut Menn am WEF Kontrollen in den Lokalitäten durchgeführt. Haben Firmen oder Personen, deren Gesuche abgelehnt wurden, angekündigt, rechtlich dagegen vorzugehen? Menn: «Die Gemeinde lässt sich von allfälligen Ankündigungen zu Gerichtsverfahren nicht beunruhigen. Ganz im Gegenteil wäre eine gerichtliche Bestätigung der aktuellen Regeln sogar begrüssenswert.» Genau darauf könnte es hinauslaufen, denn das Anti-Trittbrettfahrer-Gesetz wird juristisch bekämpft.

Als «Diskriminierungsgesetz» bezeichnet

Unter Federführung des Hauseigen­tümerverbands Davos (HEV) wurde bei der Bündner Kantonsregierung eine Planungsbeschwerde gegen einen Teil der vom Stimmvolk gutgeheissenen Änderung des Baugesetzes eingereicht. Der HEV hatte die verschärfte Regelung als «Diskriminierungsgesetz» bezeichnet. Das Verfahren ist noch hängig. Man vertrete die Interessen von Eigentümern und Ladenbesitzern, denen das Recht auf uneingeschränkte Vermietung durch die angefochtene neue Gesetzesbestimmung nicht genommen werden dürfe, ist in der Beschwerde festgehalten.

Patrik Wagner steht dem Davoser HEV als Präsident vor. Er stellt klar: «Es darf nicht sein, dass nur zum WEF Eingeladene weiterhin grosse Temporärpaläste bauen dürfen, während es Geschäften untersagt wird, ihr Ladenlokal ohne Aussen- und Innenausbauten einem dem WEF nicht genehmen Dritten zu vermieten.» Zur Zahl der Baugesuche für das WEF 2025 hält Wagner fest: «Das Ziel, die angeblich negativen Begleiterscheinungen mit einer Endnutzerbestimmung einzugrenzen, wird offensichtlich nicht erreicht.» Wagner zeigt sich kampfeslustig. Zur Trittbrettfahrer-Regelung der Gemeinde sagt er: «Über diesen krassen Eingriff in die Grundrechte muss allen-falls das Bundesgericht entscheiden.»

Nachdruck des Textes von Béla Zier aus der «Südostschweiz» mit freundlicher Genehmigung

Das Anti-Trittbrettfahrer-Gesetz sollte die Anzahl an Temporärbauten kontingieren. Doch tut es dies? 
Das Anti-Trittbrettfahrer-Gesetz sollte die Anzahl an Temporärbauten kontingieren. Doch tut es dies? 
zVg
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