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Erster Kontakt

Seit einigen Jahren lädt das World Economic Forum (WEF) Bewohnerinnen und Bewohner von Davos zu einem persön­lichen Augenschein anlässlich seines Jahrestreffens ins Kongresszentrum ein.

Davoser
Zeitung
11.01.25 - 08:00 Uhr
Wirtschaft
Eine Gruppe Einheimischer wartet 2019 auf den Einlass zu einer Session.

Vergeben werden je vier Eintritte für den Donnerstag, 23. Januar, in vier Altersklassen. In der Gruppe der über 61-Jährigen hatte sich Katharina Schoop angemeldet und wurde anschliessendvom Los bestimmt.

Für die DZ berichtet sie in den nächsten Wochen, warum sie einmal dabei sein will, von ihren Erwartungen und schliesslich von den tatsächlichen Erlebnissen.

19. Dezember 2024

Hätte es am 30. November nicht geregnet, hätte ich die Davoser Zeitung nicht so genau gelesen, die Ausschreibung der Verlosung von Teilnahmen an der Jahrestagung des WEF übersehen und die Geduld nicht gehabt, das dazugehörige Formular am Computer auszufüllen, dann hätte keine nette Dame eine Woche später angerufen, um mir mitzuteilen, dass ich eine der zehn Davoser, respektive Davoserinnen sei, die einen Tag am WEF verbringen können.

Gestern hiess es in der Betreff-Zeile eines ankommenden E-Mails: Invitation for Ms Katharina Schoop. Von nun an gehts englisch. Als erstes schreibe ich mich (natürlich am Bildschirm) ein. Da muss ich angeben, welches Geschlecht ich laut Pass habe, mit welchem Verkehrsmittel ich anreise, und ob ich die dadurch verursachte CO2-Emission kompensiere. Dann poppen Kleingedrucktes und Allgemeine Bedingungen auf: Neben Normalem wie Nulltoleranz bezüglich Belästigung und Diskriminierung, Inklusionsgebot und Nachhaltigkeitsverpflichtung. Zwei Punkte fallen auf: Der «Spirit of Davos», bedeutet offener und respektvoller Dialog, um gemeinsam den Zustand der Welt zu verbessern. Dazu sollen die Teilnehmenden in erster Linie die Veranstaltungen des WEF besuchen. Partneranlässe sollen vor allem dem Networking unter registrierten WEF-Mitgliedern dienen und den Maximen und Richtlinien des Forums entsprechen. Offensichtlich werden sogenannte Trittbrettfahrer abgelehnt. Das freut mich WEF-Verkehrsstau- und Temporärbauten-Geplagte sehr.

«Chatham-Haus-Regel»

Neben dem «Geist von Davos» gibt es noch die «Chatham-Haus-Regel»: Was man an einer solchen Veranstaltung gehört hat, darf weiterverwendet werden. Doch Identität und Zugehörigkeit des Sprechers oder der andern Teilnehmer müssen geheim bleiben. Das ist genial, weil dann Ideen ohne Zusammenhang, sozusagen nackt, weiterverbreitet werden können und ich kann mich mit fremden Federn schmücken und fremde Ideen weiterverbreiten. Aber: als Aussenstehende erfahre ich nie, wer am WEF wirklich mit wem diskutiert und ob tatsächlich Fundamente gelegt werden für künftige Friedensverträge, wie damals 1994, als der israelische Aussenminister mit dem Führer der Palästinenser einen Vertrag über Gaza entwarfen. Bisher hatte ich den Eindruck, dass die Gäste in Davos nur Partys feiern, Kaviar essen und Champagner schlürfen, damit wir ihre Reste im Four Reasons aufessen dürfen. Nun kann ich selber sehen.

Katharina Schoop, Glaris

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