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«Es geht um die Themen des Jahrestreffens»

Im Rahmen des Jahrestreffens des World Economic Forum (WEF) im Januar findet jeweils das Open Forum statt. Was vor dem Zeitalter der sozialen Medien als Zugang zu den Geschehnissen im Inneren des Kongresszentrums gedacht war, hat es sich seither zur Lieblingsveranstaltung vieler Teilnehmenden gemausert.

Südostschweiz
25.12.24 - 08:00 Uhr
Wirtschaft
Eine der Sessionen des Open Forums 2023 zum Thema «Mobilizing for Climate at the WEF» mit (v.l.) Victoria Puype (Schülerin an der «International School of Zug and Lucerne»/CH), Reto Knutti (Professor am «Center for Climate Systems Modeling» der ETH Zurich/CH), Namgay Choden (Global Shaper beim Thimphu Hub/Bhutan), Jim Hagemann Snabe (Präsident von Siemens/D und Mitglied des WEF Stiftungsvorstandes), Virginijus Sinkevicius (Kommission für Umwelt, Ozeane und Fischerei der EU), und Jane Burston (Gesch

«Ich habe Leute, die ihr Kommen nach Davos von der Teilnahme am Open Forum abhängig machen», erzählt Michèle Mischler, beim WEF verantwortlich für dessen Organisation. «Sie empfinden den direkten Austausch mit dem Publikum während der Fragemöglichkeit als extrem bereichernd.» Doch auch zwischen den Diskussionsteilnehmenden selbst geschieht Magie, wie Mischler es nennt. «Das sind meistens Leute, die sich vorher nicht kannten.» Sie würden sich ein erstes Mal eine halbe Stunde vor der Diskussion treffen und meistens tauschten sie spätestens zum Ende der Runde ihre Kontaktdaten aus. «Das ist genau die Art von netzwerken, die wir im Rahmen des WEF fördern wollen.» Oft erhalte sie auch Rückmeldungen, dass aus den Gesprächsrunden neue Blickwinkel und Informationen mitgenommen würden, sagt sie und hat gleich eine solche Erfolgsgeschichte auf Lager: Als Sprecherin an einer der Open-Forum-Sessionen sei Jane Bursten, die Gründerin von «Breath Cities» – einer Initiative, die Städte rund um die Erde dabei unterstützt, ihre Luftverschmutzung und den Ausstoss von klimarelevanten Gasen zu verringern – auf Temuulen Enkhbat vom Global Shapers Hub in Ulaanbaatar getroffen. Wieder zurück in der Mongolei, habe sich diese mit Enkhuun Bymbadori, dem Vize-Kurator des dortigen Hubs, kurzgeschlossen. Dieser hatte schon früher die Initiative «Breathe Mongolia» gestartet. Als Resultat wurde Enkhuun ins WEF-Netzwerk der «Global Future Councils» aufgenommen und wird während der nächsten zwei Jahre dort die Möglichkeit haben, das Thema weiterzubearbeiten und vorwärts zu bringen. «Ohne dieses Treffen wäre das nicht möglich gewesen», sagt Mischler.

«Nur jetzt haben wir die Sprecher»

Doch eigentlich wird das Open Forum ja für eine interessierte Öffentlichkeit gemacht. Auch wenn die einheimische Bevölkerung in dieser hektischen Woche wenig Zeit für den Besuch der täglich bis zu drei Veranstaltungen hat. «Dies ist die einzige Möglichkeit im Jahr. Zu einem anderen Zeitpunkt würden wir all diese Leute überhaupt nicht nach Davos bekommen», erklärt Mischler. Um Interessierten dennoch die Gelegenheit zu geben, die Diskussionen zu verfolgen, würden sie auf Video aufgenommen und seien anschliessend alle auf der Webseite des WEF verfügbar, wo genau wie während der Veranstaltungen live übersetzt werde.

Auch wenn die Beteiligung der Davoser Bevölkerung überschaubar ist, die Lücken werden von speziell für die Anlässe anreisenden Personen und Institutionen leicht geschlossen. Mischler: «Inspiriert von dem was sie hier erlebten, beschlossen zwei Schülerinnen der Internationalen Schule Zug und Luzern, eine eigene Diskussionsplattform zu schaffen.» Das WEF habe Hilfestellung geleistet, und seit  sieben Jahren gebe es nun das «Youth Forum Switzerland». In dieser jeweils im Januar stattfindenden Veranstaltung sollen sich Entscheidungsträger zur Bewältigung der Herausforderungen auf dem Planeten vernetzen. «Die Idee hat sich inzwischen bis nach Singapur ausgebreitet, wo etwas Vergleichbares entstand.»

42 Jahre unschuldig im Gefängnis

Das Thema dieses Jahres am Open Forum ist «Gerechtigkeit für alle: Eine Welt ohne Barrieren». «Das lag mir schon lange am Herzen, denn soziale Gerechtigkeit steht doch im Zentrum von allem, was das Forum macht», sagt Mischler. Speziell freut sich die Organisatorin auf die Veranstaltung mit Gary Tyler. «Eigentlich wurde er mir als Teilnehmer einer Diskussionsrunde vorgeschlagen. Doch als ich mich in seine Geschichte vertiefte, wurde mir klar, dass sie eine ganz eigene Sitzung verdient.» So heisst es nun «Fäden der Freiheit – Gerechtigkeit durch Kunst» und handelt davon, wie der zu Unrecht verurteilte Tyler den Gefängnisaufenthalt von 42 Jahren mithilfe von Kunst überstand und sie inzwischen nutzt, um marginalisierten Gemeinschaften eine Stimme zu geben. «Eine weitere, mir sehr wichtige Diskussion widmet sich der Frage, ob und wie Naturschutz durch die Verleihung einer Rechtspersönlichkeit an Ökosysteme vorangetrieben werden kann.» Unter den total 13 Themen sticht für die «Head of Swiss Public Affairs and Sustainability» des WEF auch die Diskussionsrunde zu Gendergerechtigkeit für die LGBTQI+-Gemeinschaft besonders hervor.

Alle Termine und ihre Themen sind auf der Webseite des WEF unter Open Forum zu finden, wo auch die Anmeldung vorgenommen werden kann. «Daran müssen wir leider festhalten», erklärt Mischler. Jedoch genügt es inzwischen, sich einmalig für das Open Forum anzumelden. Die einzelnen Veranstaltungen in der Aula der SAMD können dann ohne weiteren Aufwand besucht werden. «Der Einlass erfolgt gemäss verfügbarem Platz.»

www.wef.org

Breath Cities

Breath Cities ist eine 40-Millionen-Dollar-Initiative des Clean Air Fund, C40 Cities und Bloomberg Philanthropies, das momentan Partnerschaften mit 14 Städten unterhält. Diese sollen dabei unterstützt werden, ihre Luftverschmutzung und Klimaemissionen zu reduzieren.

https://breathecities.org/

Global Shapers

Beim WEF-Netzwerk der Global Shapers handelt es sich um eine weltweite Gemeinschaft junger Menschen, die sich aktiv für Veränderungen einsetzen. Unter den mehr als 500 lokalen Zentren befindet sich auch ein Hub in Davos. Sie ermitteln und arbeiten an Projekten, die für sie am wichtigsten sind. Die Einbettung in ein globales Netzwerk soll gleichzeitig weltweit zu dauerhaften Veränderungen führen. Eines ihrer Ziele ist es auch, Führungskräfte zu inspirieren, zu befähigen und zu vernetzen, damit sie ihr volles Potenzial ausschöpfen, neue Stimmen in die Entscheidungsfindung einbringen und ihre Gemeinden und die Welt positiv gestalten können.

www.globalshapers.org

Global Future Councils

Das Netzwerk der Global Future Councils des Welt Wirtschafts Forums ist das weltweit führende interdisziplinäre Wissensnetzwerk, das innovatives Denken fördert, um eine widerstandsfähigere, integrativere und nachhaltigere Zukunft zu gestalten. Die Erkenntnisse der einzelnen Räte werden in die laufenden Initiativen, Gemeinschaften und Treffen des Forums eingebracht, um ihre Wirkung zu gewährleisten. Teilnehmen kann man nur auf Einladung, und auf eine Amtszeit von zwei Jahren beschränkt. Es arbeitet als zeitlich begrenzter Think-Tank und versammelt rund 600 der wichtigsten und sachkundigsten Vordenker aus Wissenschaft, Regierung, internationalen Organisationen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die in nach Fachgebieten zusammengestellten Räten zusammengeschlossen sind. Das Netzwerk hilft dabei, transformative Ideen mit dem Potenzial für globale Auswirkungen zu identifizieren und zu verbreiten.

www.weforum.org/communities/global-future-councils/

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