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«Mir tut es leid für jene, die fair spielen»

Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Vor Beginn der Jahrestagung des World Economic Forum (WEF) tauchen in der schweizerischen und internationalen Presse Beispiele von Davoser Mietwucher auf, mit entsprechend gehässigen Kommentaren.

Barbara
Gassler
25.05.22 - 12:09 Uhr
Wirtschaft
Es drängen sich aktuell sehr viele Menschen in Davos, und alle müssen sie untergebracht werden.
Es drängen sich aktuell sehr viele Menschen in Davos, und alle müssen sie untergebracht werden.
bg

Nein, es ist wahrlich kein schönes Bild, das Davos dann abgibt. Doch die Meinung solcher Anbieter scheint mit den Worten aus einer Kommentarspalte übereinzustimmen: «Finde ich super. Die WEF-Besucher sind alle steinreich. Was ist falsch daran, Reiche auszunehmen?» Wer ein wenig weiterdenkt, sieht die Probleme, die sich aus dieser Geisteshaltung ergeben, und seit Jahren rennen die Offiziellen dagegen an. Ohne Erfolg.

Nicht ganz, denn hinter den Kulissen, weit ab vom Lärm dieser Abzocker, hat man sich schon längst gefunden. Veranstalter WEF und Gastgeber Davos arbeiten gut und fruchtbar zusammen. «Natürlich, die Verfügbarkeit von Unter-bringung ist der Flaschenhals, der uns ständig begleitet», sagt Severin Podolak, Leiter WEF-Event-Produktion. «Doch mit der grossen Mehrheit der Dienstleister auf diesem Gebiet – sprich Hotellerie und Parahotellerie – arbeiten wir sehr gut zusammen.» Das bedeutet , dass der Grossteil der verfügbaren Zimmer dem WEF zur Verfügung gestellt wird. Es gebe nur wenige, die profitieren, aber nicht mittragen würden, stellt Podolak fest. Die Buchungen selbst laufen dann über den Bauftragten des Forums, Publicis Live. «Besonders bei den Hotelzimmern müssen wir sehr genau planen, denn in Davos stehen nicht genügend Zimmer in den gewünschten Kategorien zur Verfügung.» Doch auch das Forum selbst denkt in Kategorien, von Mitgliedern in diesem Fall. Je nach dem stehen ihnen eine vorgegebene Anzahl an Plätzen am Jahrestreffen zur Verfügung, und entsprechend werden Unterkünfte zugewiesen. «Bei Überschreitungen müssen sie sich selber darum kümmern.» Daneben gibt es natürlich auch die völkerrechtlich geschützten Personen, für die mit dem Platz in den sogennanten «Sicherheitshotels» jongliert wird. «Doch die ‹Chilbi› entlang der Promenade nimmt uns natürlich substanziell Hotelbetten weg», bekennt Podolak. «Das sind dann solche, für die horrende Preise bezahlt werden.»

Wohnungen für die Mitarbeitenden

Eine weitere grosse Gruppe, für die es Unterkunft braucht, sind die Mitarbeitenden des Forums selber sowie weiteres Personal, das in irgendeiner Form am Jahrestreffen zum Einsatz kommt. «Nicht alle Chargen können wir mit Einheimischen abdecken und sind daher darauf angewiesen, noch mit Externen arbeiten zu können.» So brauche es Unterkünfte für über tausend Leute, manchmal für einige Wochen, manchmal nur für wenige Nächte. «Mitarbeitende bringen wir lieber in Wohnungen unter. Besonders bei längeren Einsätzen kann man sich da mehr zu Hause fühlen als in einem Hotelzimmer.» An die 600 Wohnungen werden so Jahr für Jahr angemietet. «Mit den professionellen Ferienwohnungsvermittlern  und den vor Ort tätigen Agenturen läuft das problemlos und ganz einfach.» Es gebe einen Vertrag, eine definierte Anzahl Wohnungen: fertig. Anders ist das bei privaten Anbietern, auf die das Forum auch dringend angewiesen ist. «Es ist erfreulich, wie viele Angebote wir auf unsere Aufrufe – zum Beispiel in der Davoser Zeitung – immer wieder erhalten», erzählt Podolak. Ohne diese würden sie es wahrscheinlich nicht schaffen.

Aufwendige Administration

Doch damit fängt die Arbeit erst an. Nun müssen die Objekte angeschaut werden. «Da können sich dann schon noch Differenzen im Bezug auf Angebot und Preis ergeben.» Denn das Forum könne und wolle nicht jeden Preis bezahlen. So komme es halt auch vor, dass man sich nicht handelseinig werde. Dort wo man die Wohnungen dann anmiete, müsse mit jedem einzelnen Eigentümer ein Vertrag abgeschlossen werden. «Die meisten machen das ja nicht berufsmässig und brauchen von unserer Seite Unterstützung.» In einem nächsten Schritt werde jede einzelne Unterkunft unter die Lupe genommen, die Zahl der Betten und eventuelle Schäden aufgenommen. «Damit vermeiden wir, später für alles haftbar gemacht zu werden.» Denn schliesslich seien sie an einer fairen und für beide Seiten erspriesslichen, langfristigen Beziehung interessiert. «Seit Anfang April sind wir ausserdem dabei, überall die Schlüssel einzusammeln.»

Grosser Einsatz

Doch gute Planung ist das eine, die Realität oft eine andere. «Änderungen sind immer möglich», weiss Podolak. Und da profitiert man dann von guten Beziehungen mit den Profis. «Sie setzen sich unheimlich für uns ein, und machen oft möglich, was unmöglich erschien», lobt der WEF-Planer. «Das ist für uns extrem wichtig.» Insgesamt sehe er grosses Verständnis für die Bedürfnisse des Forums und die Bedeutung des Jahrestreffens. Doch was hält Podolak von jenen, die sich aller Vernunft verschliessen und nur auf ihren eigenen kurzfristigen Erfolg abzielen? «Es tut mir einfach leid für all jene, die fair spielen. Ausserdem machen sie den Ruf von Davos leiden.»

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Ist es nicht zynisch einzelnen Akteuren Habgier vorzuwerfen während von mehrheitlich einfachen Arbeitern mit geringem Einkommen Unternehmern mit Milliardengewinnen - von denen einige nachweislich lächerlich wenig bis gar keine Steuern bezahlen - der Hof gemacht wird?

Wieso wird über den Davoser Mietwucher immer nur beim WEF gesprochen? Den gibt es doch 365 Tage im Jahr. Dann sehen aber viele kein Problem darin, wenn der freie Markt über Angebot und Nachfrage den Preis regelt. Im Genfer UNO Quartier zahlt man übrigens 13 Franken für einen halben Liter gewöhnlichen Mineralwassers. Der freie Markt hat kein Problem mit Exzess, er liebt ihn .

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