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Hoffnung für Skifahrer: Grenzen der Beschneiung noch nicht erreicht

Einen Winter mit so hohen Temperaturen gab es noch nie: Der Schnee ist vielerorts verschwunden. Die grünen Hänge und die Schliessung von Skigebieten haben für viele Schlagzeilen gesorgt.

Agentur
sda
06.01.23 - 10:15 Uhr
Tourismus
Insbesondere tiefergelegene Skigebiete sind wegen des Klimawandels zunehmend auf Schneekanonen angewiesen. (Archivbild)
Insbesondere tiefergelegene Skigebiete sind wegen des Klimawandels zunehmend auf Schneekanonen angewiesen. (Archivbild)
KEYSTONE/TI-PRESS/SAMUEL GOLAY

Doch die Hoffnung schmilzt zuletzt: Trotz der immer wärmeren Winter haben auch tiefergelegene Skigebiete eine Zukunft, wenn sie eine leistungsfähige Beschneiungsanlage haben.

«Rein von der technischen Seite sind die Grenzen der Beschneiung in der Schweiz noch lange nicht ausgereizt», sagt Martin Hofer, der Verkaufsleiter von Technoalpin Schweiz, die zum Südtiroler Weltmarktführer von Beschneiungsanlagen gehört. Mit einer modernen Beschneiungsanlage sei ein Skigebiet in drei bis vier Tagen voll beschneit. «Das ist der Standardwert», sagt Hofer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

Viele Anlagen in der Schweiz würden diesen Wert aber nicht erreichen, weil die Wasserversorgung zu gering sei. Im Ausland setzen die Betreiber stärker auf Schneekanonen: In der Schweiz seien etwas mehr als die Hälfte der Pistenkilometer technisch beschneit, während es im Südtirol 95 Prozent seien.

Noch grosses Potenzial

Alleine mit einer Beschneiungsanlage sei es aber nicht getan. Es stelle sich immer auch die Frage, wie stark die Anlage sei, wie viel Beschneiung sie bei welcher Temperatur in welcher Zeit schaffe. «Da hat die Schweiz noch enormes technisches Potenzial», sagt der Manager des Schneekanonenherstellers aus Bozen.

Gegenwärtig braucht es mehrere Zeitfenster mit kalten Temperaturen für die Beschneiung der Pisten hierzulande. Denn für die Herstellung von Kunstschnee ist eine Lufttemperatur von -10 bis +1 Grad sowie eine möglichst niedrige Luftfeuchtigkeit nötig. Dafür müsse man die Kälteperioden nutzen, die es weiterhin geben werde, auch wenn der Klimawandel zu höheren Temperaturen führe, sagt Hofer.

Die wichtigsten Monate für die Beschneiung sind die Monate November und Dezember. Bei kaltem Wetter kann ein Skigebiet unabhängig vom Schneefall in die Saison starten und gute Pistenbedingungen gewährleisten. Das ist gerade für das Weihnachtsgeschäft wichtig, in dem die Branche über ein Viertel des Umsatzes macht.

Wenn die Piste mal beschneit sei, halte sie auch bei Temperaturen über Null Grad, sagt Hofer. Dies auch, weil Kunstschnee weniger schnell schmilzt als Naturschnee.

Risiko von verpatztem Saisonstart

Ohne Beschneiungsanlage ist das Risiko für einen Fehlstart in die Skisaison viel grösser: Denn es braucht nicht nur Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, sondern auch Niederschlag. Wenn das wichtige Weihnachtsgeschäft wegen Schneemangels ins Wasser fällt, ist laut Hofer die Saison schon gelaufen.

In der Schweiz sind auch tiefergelegene Skigebiete noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten. Mit einer leistungsfähigeren Anlage könnten sie die Beschneizeit noch halbieren, sagt Hofer. Damit könnten sie die Pisten offen halten, auch wenn die Zahl der kalten Tage wegen des Klimawandels abnimmt.

Bei vielen Anlagen in der Schweiz erreiche man das aber nicht, weil die Wasserversorgung zu gering sei, sagt Hofer. Diese könnten nicht alle Pisten gleichzeitig beschneien. Dann dauert die Beschneiung des Skigebiets länger. «Wenn man dann mit der letzten Piste noch nicht fertig ist und schon die erste Piste wieder nachbeschneien sollte, hat man ein Problem, wenn es lediglich drei bis vier Kälteperioden für die Beschneiung gibt», sagt der Experte.

Es fehle bei vielen Schweizer Skigebieten an Wasserspeichern und Pumpstationen. Das bedingt Investitionen. Als Faustregel ist laut Hofer 1 Million Franken pro Pistenkilometer nötig.

Ohne Beschneiung kaum noch Skitourismus

Ohne technische Beschneiung gäbe es nicht mehr an vielen Orten Skitourismus, sagt Hofer: «Wenn kein Schnee da ist, ist fertig.» Wenn die Bergbahnen kränkeln, werden die Alpentäler krank. Denn jede Million, welche die Touristen an den Bergbahnen ausgeben, bringe über 6 Millionen an Wertschöpfung im Tal.

Denn der Skipass sei nur ein Ausgabeposten beim Skifahren. Dazu kämen noch die Ausgaben für Anfahrt, Essen, Übernachtung, Skiverleih oder Skilehrer. Wenn die Skigebiete nur noch 30 Tage statt wie bisher rund 100 Tage offen hätten, würden sich die Investitionen in Hotels, Restaurants oder andere Dienstleistungen nicht mehr lohnen.

Dies würde auch das lokale Gewerbe treffen. Die wirtschaftliche Grundlage vieler Alpentäler wäre bedroht und damit zehntausende Arbeitsplätze. Die Folge wäre eine Abwanderung aus den Tälern.

Kritik zurückgewiesen

Kritik gibt es am Wasser- und Strombedarf der Beschneiungsanlagen. Forscher der Universität Basel hatten berechnet, dass der Wasserverbrauch für Kunstschnee bei ungebremstem Klimawandel erheblich steigen wird.

Für das gesamte Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis prognostizieren sie bis Ende des Jahrhunderts einen um rund 80 Prozent höheren Wasserverbrauch. Bei anderen Skigebieten sei der Bedarf teilweise um ein Mehrfaches höher.

Heute komme ein Teil des Wassers für die Beschneiung des grössten Teilgebietes von Andermatt-Sedrun-Disentis aus dem Oberalpsee. «Hier werden wahrscheinlich Konflikte zwischen dem Wasserbedarf für das Skigebiet und jenem für die Stromerzeugung entstehen», hiess es in der Studie der Uni Basel.

Hofer kritisiert diese Berechnungen: Die Wasserkraftwerke hätten die x-fach höhere Wassernutzung als die Beschneiungsanlagen. Zudem werde das Wasser nicht verbraucht, sondern in einem anderen Aggregatszustand als Schnee am Berg deponiert. Mit der Schneeschmelze im Frühling fliesse dann das Wasser wieder zu Tal. Die Verdunstungsverluste seien bei der Beschneiung gering, sagt Hofer.

Und der Stromverbrauch der Beschneiungsanlagen mache nur rund 0,1 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs aus. Zudem hätten modernere Beschneiungsanlagen eine höhere Effizienz: «In Davos wird der Überlauf der bergbahneigenen Speicherseen genutzt, um Energie zu produzieren. Damit sind wir in der Lage, 63 Prozent unseres Strombedarfs der Beschneiung abzudecken», sagt Hofer.

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