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Mittlerweile sind alle schuld - nur nicht Martin Grab

Mit Schuldzuweisungen und Unterstellungen hat der wegen Dopings gesperrte frühere Spitzenschwinger Martin Grab abermals in einem Zeitungsinterview versucht, sich als Opfer darzustellen.

Agentur
sda
26.08.20 - 20:18 Uhr
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Der des Dopings überführte Ex-Schwinger Martin Grab sieht sich weiter als Opfer
Der des Dopings überführte Ex-Schwinger Martin Grab sieht sich weiter als Opfer
KEYSTONE/THOMAS HODEL

Ein Jahr nach der von Swiss Olympic verhängten zweijährigen Sperre und fast zweieinhalb Jahre nach der Entnahme der positiven Dopingprobe hat der längst vom Wettkampfsport zurückgetretene 41-jährige Schwyzer in einem Interview im «Tagesanzeiger» verschiedene Körperschaften schwer beschuldigt, so Antidoping Schweiz und den Eidgenössischen Schwingerverband ESV.

In der einschlägigen Dopingprobe war Tamoxifen nachgewiesen worden, eine hochsensible und rezeptpflichtige Substanz, die für Chemotherapien bei an Brustkrebs erkrankten Frauen verwendet wird. «Fakt ist, dass keine leistungsfördernde Substanz in meinem Körper gefunden worden ist. Im Gegenteil, der eruierte Wirkstoff Tamoxifen macht eher schläfrig», sagte Grab im Interview, wie er es auch bei früheren Gelegenheiten getan hatte. Dass Tamoxifen die Leistungen eines Kraftsportlers nicht verbessert, ist unbestritten. Aber Tamoxifen ist ein beliebter Seitenwagen für Muskeldoper, die die Begleitwirkungen von Anabolika-Kuren dämpfen oder verhindern wollen. Deshalb steht Tamoxifen auf der Liste der verbotenen Substanzen seit vielen Jahren nicht zuunterst.

Grab wiederholte im Interview, dass man nicht ausschliessen könne, dass ihm jemand das Tamoxifen untergejubelt habe. Aber wer hätte einen damals 38-jährigen Schwinger sabotieren sollen, der den Zenit schon rund zehn Jahre vorher überschritten hatte? Jedenfalls seien Grabs mittlerweile sehr vorsichtig geworden: «Meine Buben sind seither hypervorsichtig. Sie schrauben jede Flasche dreimal zu, benützen nicht mal Lippenpomadenstift.»

Neu im Interview sind Grabs weitere Versuche einer physikalischen Erklärung für den verhängnisvollen Befund. Ein Arzt, den er nicht nennt, habe ihm gesagt, dass Grabs Körper das Tamoxifen eventuell selber produzierte habe. «Der Arzt sagte, mein Körper habe sich wohl gegen eine schlimme Krankheit gewehrt.» Gemäss Grab existiert eine Studie der Universität Lausanne, die besagt, dass Tamoxifen im Trinkwasser vorkommen könne. Von einer solchen Studie ist nichts bekannt, so wenig wie von einer körpereigenen Produktion. Im Weiteren stellt Grab in den Raum: «Im engeren Umfeld gab es Krebspatienten, sie nahmen Mittel mit der entsprechenden Substanz ein. Vielleicht kam die Verbindung so zustande.» Dann müssten es wohl lauter Brustkrebspatienten gewesen sein.

Mit den medizinischen Verschwörungstheorien stösst Martin Grab niemanden vor den Kopf, wohl aber mit seinen Attacken gegen Schweizer Körperschaften. Mit Antidoping Schweiz geht er sehr hart ins Gericht: «Diese Organisation hat unprofessionell gearbeitet. Es ging zu lange, bis das Ergebnis da war, so als hätten Zweifel bestanden. Bei der Öffnung der B-Probe war ein Arbeiter dabei, der das zum ersten Mal machte. Er konnte viele Fragen nicht beantworten. Als ich meine Tabletten und Nahrungsergänzungsmittel mitbrachte, hiess es, eine Analyse sei sinnlos. Später wurde dieses Unterlassen gegen mich verwendet.» Mit der Bemerkung, dass ein unerfahrener Mitarbeiter die Öffnung der B-Probe begleitete, suggeriert Grab den unwissenden Lesern des Interviews, dass das (positive) Ergebnis der B-Probe eventuell - man weiss es nicht - doch falsch gewesen sein könnte. Er stellt die Professionalität der Schweizer Dopinginstanzen in Frage.

Für Antidoping Schweiz sind sämtliche Anschuldigungen unhaltbar. Die B-Probe wurde nicht von einem Mitarbeiter von Antidoping Schweiz geöffnet, sondern wie in allen Fällen von Mitarbeitern des weltweit anerkannten Dopinglabors in Lausanne. Der Mitarbeiter von Antidoping Schweiz habe Grab nur begleitet, um ihn wegen der Sprachbarriere zu unterstützen. Dass es bis zur B-Probe lange dauerte, hat Grab laut Antidoping mit mehrmaligen Fristverlängerungen zu einem grossen Teil selbst verschuldet. Und Antidoping Schweiz habe Grab selbst auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht, seine Nahrungsergänzungsmittel untersuchen zu lassen. Grab habe es abgelehnt.

Ernst König, Direktor von Antidoping Schweiz, zeigt sich in der Stellungnahme enttäuscht von Grabs Aussagen. «Wir haben viel in diesen Fall investiert, fast schon in überbordendem Ausmass, weil wir es gut meinten mit dem Athleten.»

Enttäuscht und noch etwas mehr ist auch Paul Vogel, der damalige Obmann des ESV. Grab bezeichnete ihn im Interview ohne konkrete persönliche Vorwürfe als «Schönwetter-Präsidenten», der Grab das Gehör verweigert habe. «Martin Grab hat weder schriftlich noch mündlich bei mir um einen Termin gebeten, sich aber eine Kommunikationsberaterin genommen.» Dabei habe Grab sehr wohl Kontakt zum eidgenössischen Verband gehabt, und zwar über den Innerschweizer Präsidenten Peter Achermann, der wiederum Vorstandsmitglied im ESV ist. Auch mit Marcel May, dem Vorsitzenden der Antidoping-Kommission des ESV, habe sich Grab unterhalten.

Dass er nun wild um sich schlägt und die Schuld immer weniger bei sich selber sucht, scheint es für den verdienten Schwinger, dem einzigen Sieger sämtlicher Bergkranzfeste, nicht besser zu machen. Alle Fakten und Indizien aus der fraglichen Zeit im Frühling 2018 lassen nur den Schluss zu, dass Grab wissentlich und willentlich zu den unerlaubten Mitteln gegriffen hat - wie viele andere Spitzensportler vor ihm.

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