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«Ich würde es wieder tun»

Ein Buch vor der Vollendung, Projektarbeiten mit Partnern und Sponsoren und im Oktober der Start am London-Marathon – Dario Cologna, dem besten Schweizer Skilangläufer aller Zeiten, wird es auch nach seinem Rücktritt nicht langweilig.

Pascal
Spalinger
09.08.22 - 17:24 Uhr
Sport
Der Wahl-Davoser wird dem Langlauf-Sport auch inskünftig irgendwie erhalten bleiben.
Der Wahl-Davoser wird dem Langlauf-Sport auch inskünftig irgendwie erhalten bleiben.
ca

Dario Cologna, wie fühlen Sie sich als Spitzenlanglauf-«Pensionär»?

Dario Cologna (lacht): Gut. Natürlich ist es für mich ein grosser Wechsel nach so vielen Jahren Spitzensport. Ich trat zum richtigen Zeitpunkt zurück. Ich geniesse es, dass ich nun mehr Zeit für die Familie und anderes habe. Natürlich war beim Abschied auch etwas Wehmut dabei. Ich kann aber nach wie vor viel Sport treiben, muss nun aber nicht mehr. Ich befinde mich in einer schönen Situation.

Haben Sie Ihren Rücktritt vom Hochleistungssport schon mal bereut?

Nein. Mal abwarten, wie es dann wird, wenn der Winter kommt. Ich mache nach wie vor gerne Sport, bezeichne es aber nicht mehr als Training. Jetzt tue ich es nach Lust und Laune und nicht mehr so fokussiert.

Nach der Matura trainierten Sie während 16 Jahren praktisch täglich nach einem strikt vorgegebenen Trainingsplan. Das vermissen Sie wohl kaum …

Aber es war eine schöne Zeit. Ich trainierte gerne. Profisportler zu sein erachte ich nach wie vor als Privileg – nach einer so erfolgreichen Karriere wie meiner umso mehr. Klar, es brauchte stets viel Selbstdisziplin. Und die Pause nach dem Winter war jeweils kurz. Dann begann bereits wieder der Aufbau, oft tat ich dies allein. Das vermisse ich jetzt nicht wirklich.

Wie sieht denn Ihr aktuelles Bewegungsprogramm aus?

Ich bin mehr auf dem Velo und jogge auch, zum Teil mit meinem Sohn im Kinderwagen. Dazu kommt etwas Krafttraining, um die Spannung zu erhalten. Das «Abtrainieren» geschieht nicht von heute auf morgen. Das wäre im Ausdauer­bereich auch nicht gut. Ein bisschen bin ich schon noch dran. Kürzlich nahm ich am «Davos X-Trails» teil. Ich startete am Halbmarathon von Klosters nach Davos. Und im Oktober möchte ich den London-Marathon laufen.

Da geht es dann wohl aber nicht nur ums Mitmachen. Dario Colognas Wettkampf-Herz wird wieder höher schlagen.

Natürlich möchte ich in London eine ­gute Zeit erzielen. Ob es dann auf der Strasse wirklich klappt, muss sich weisen. Denn mit meinen Waden ist das etwas heikel. Aber klar will ich ein bisschen schnell laufen.

Bei Ihren letzten Starts im Weltcup und auch an den Schweizer Meisterschaften offenbarten sie starke Emotionen. Wie schauen Sie jetzt, rund vier Monate später, auf Ihre Karriere zurück?

Es war eine sehr schöne, erfolgreiche Karriere. Ich konnte im Langlaufsport in der Schweiz viel bewegen. Schon früh hatte ich Erfolg. Das konnte ich während eines grossen Teils meiner Karriere durchziehen. Die letzten zwei, drei Jahre waren etwas schwieriger. Die Erwartungen waren allerdings nach wie vor sehr hoch. Ich wurde immer an meinen grossen Siegen gemessen. Zu Beginn meiner Karriere hätte ich nie gedacht, dass ich so viel erreichen würde. Vor mir hatte nie ein Schweizer Langläufer einen Olympiasieg gefeiert. Ich schaffte das vier Mal. Ebenso oft gewann ich den Gesamtweltcup. Und ich erreichte zahlreiche weitere Podestplätze. Ich glaube sagen zu dürfen, dass ich alles erreicht habe. Klar, im Moment will man immer noch mehr. Für mich ist sehr viel aufgegangen. Ich hatte eine super Zeit. Ich durfte das tun, was ich am liebsten mache.

Dario Cologna durfte nach eigener Aussage das tun, was er am liebsten machte.
Dario Cologna durfte nach eigener Aussage das tun, was er am liebsten machte.
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Sie waren sehr erfolgreich. Gibt es überhaupt prägendste Momente, die Sie aus Ihrem stolzen Palmarès herauspicken können?

Speziell war die ganze «Sotschi-Geschichte». Am 12. November 2013 zog ich mir beim Joggen Bänderrisse im rechten Sprunggelenk zu. Das geschah zur besten Zeit meiner Karriere. Ich war zu jenem Zeitpunkt extrem gut «zwäg» und in der Saison zuvor Weltmeister im Skiathlon geworden. Meine Zuversicht war deshalb gross, in Sotschi wenigstens eine Medaille zu holen. Nach dem Unfall drohte mir das Forfait für die Olympischen Spiele oder wegen der langen Verletzungspause zumindest ein Start ohne Topform. Im letzten Moment schaffte ich dann aber die Reise an die Olympischen Spiele, und in Sotschi gewann ich gleich zwei Mal Olympia-Gold über 15 Kilometer und im Skiathlon. Das war natürlich eine sehr emotionale und besondere Geschichte. Speziell war natürlich wie für jeden Athleten auch mein erster Olympiasieg 2010 in Vancouver. Weiter denke ich an meine erste Tour de Ski über den Jahreswechsel 2008/09. Der Gesamtsieg bedeutete für mich den Durchbruch auf internationaler Ebene. Und ich spürte, dass meine Resultate vermehrt wahrgenommen wurden. Die Leute realisierten, dass da ein junger, viel versprechender Schweizer Sportler heranwuchs. Entsprechend gross war die Aufmerksamkeit. Ich bekam das Gefühl, als hätte die ganze Schweiz die Tour de Ski am Fernseher mitverfolgt. Das war echt cool.

Was hat Ihnen Ihre erfolgreiche Spitzensportler-Karriere gegeben?

Sehr viel. Während der letzten 20 Jahre prägte der Langlauf mein Leben. Ich lernte sehr gute Leute kennen. Der Sport ist eine super Lebensschule. Langlauf ist eine harte Sportart. Man muss sich den Erfolg hart verdienen. Finanziell verdiente ich gut, doch dahinter steckte viel harte Arbeit. Während meiner Karriere konnte ich viel für meine Zukunft aufbauen. Ich habe langjährige Partner, mit denen ich auch weiterhin zusammenarbeiten darf. Jetzt kann ich auf eine Marke setzen, die noch immer einen gewissen Wert hat. Davon kann ich auch in Zukunft noch profitieren. Der Sport hat mir viel gegeben. Nicht nur finanziell. Was ich durchgemacht und gelernt habe, wird weiterhin gefragt sein.

Dann würden Sie den gleichen Weg ­also nochmals einschlagen?

Ja, auf jeden Fall! Man fängt an, weil man etwas gerne macht, weil man sich gerne bewegt. Dann stellen sich die ersten Erfolge bei den kleinen Rennen ein – und so weiter. Man fängt nicht an, weil man Olympiasieger werden will. Solche Träume hat man vielleicht als Kind. Ich kann Langlauf jedem empfehlen. Es ist eine super Sportart und wie schon gesagt eine super Lebensschule. Ich bereue meinen Weg nicht.

Haben Sie bereits konkrete Zukunftspläne?

Zurzeit schreibe ich an einem Buch, das bald erscheinen wird. Weiter arbeite ich viel mit meinen Sponsoren zusammen. Ich habe nun mehr Zeit als während meiner Karriere, um Projekte auszuarbeiten und umzusetzen. Meine Zusammenarbeit mit der Destination Davos Klosters zum Beispiel als Werbebotschafter, die ich 2012 aufgenommen habe, läuft weiter. Ebenso die langjährigen Kooperationen mit Helvetia und Hublot. Nickis Möbelhalle verlängerte den Vertrag mit mir um drei weitere Jahre. Neue Partnerschaften ging ich mit den Marken Björn Dählie und New Balance ein. Im Herbst beginne ich an der Hochschule Luzern eine neue Ausbildung mit Schwergewicht auf Sportmanagement, um den theoretischen Rucksack zu füllen, natürlich auch mit Blick auf künftige Projekte.

Bei Swiss-Ski traten in den letzten ­Monaten Langlaufchef Christian Flury und – nicht ganz freiwillig – Nordisch-Chef Hippolyt Kempf zurück. Hat Sie ihre Nachfolge nicht gereizt?

Es gab Gespräche. Für mich kamen sie jedoch etwas gar früh nach meinem Rücktritt. Ich erachte es als besser, wenn ich nun erstmals Erfahrungen in verschiedenen Bereichen sammeln kann. Swiss Ski bekundet Interesse, dass ich in irgendeiner Form eingebunden werde, was ich mir auch vorstellen kann. Für ein 100-Prozent-Engagement fehlt mir jedoch im Moment die Zeit.

Können Sie sich mittelfristig als Langlauf-Trainer vorstellen?

Eher weniger, wenn schon eher Tätigkeit im strategischen Führungsbereich. Momentan sind solche Überlegungen aber noch zu früh.

Während vieler Jahre waren Sie das Aushängeschild im Schweizer Män  ner-Langlauf. Wo sehen Sie den Schweizer Langlauf im nächsten ­Winter?

Abgesehen von den letzten beiden Saisons galt ich als Siegläufer, und man durfte auf mich schon fast als zuverlässigen Medaillengewinner an Grossanlässen zählen. Das war vor meiner Karriere nicht so und wird auch künftig nicht immer der Fall sein. Die Schweiz ist im internationalen Kräftemessen noch immer keine Langlauf-Nation. Zurzeit sind die Schweizer Langläuferinnen insgesamt etwas besser aufgestellt, auch mit Blick auf den Nachwuchs. Aber auch bei den Männern sieht es nicht schlecht aus. Für das öffentliche Interesse braucht es Spitzenresultate. Da hoffe ich schon auf den einen oder anderen Exploit. Es gibt in der Schweiz Langläufer mit Potenzial. Ich hoffe, sie machen den nötigen Schritt.

Als Münstertaler, der in Davos heimisch wurde, waren sie natürlich bei den Davoser Langlauf-Weltcuprennen das Aushängeschild schlechthin. Bleiben Sie Davos Nordic in irgendeiner Form treu?

Der bisherige Björn-Dählie-Kids-Event wird künftig meinen Namen tragen, da werde ich mich natürlich auch am Anlass selber engagieren. Weiter bin ich im Austausch mit dem OK. Eine offizielle Funktion habe ich momentan nicht.

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