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Raphael Wicky, der Cup-Spezialist

Raphael Wicky weiss, wie Cupfinals gewonnen werden. Der Walliser ist dreifacher Cupsieger mit Sion und DFB-Pokal-Gewinner mit Bremen. Am Sonntag will er YB als Trainer zum Double führen.

Agentur
sda
02.06.23 - 05:00 Uhr
Fussball
Geht es im Cup in die heisse Phase, wird YB-Trainer Raphael Wicky warm ums Herz. Kein Wunder: Der Walliser gewann als Spieler mit Sion dreimal in Folge den Final. Folgt am Sonntag die Premiere auf der Trainerbank?
Geht es im Cup in die heisse Phase, wird YB-Trainer Raphael Wicky warm ums Herz. Kein Wunder: Der Walliser gewann als Spieler mit Sion dreimal in Folge den Final. Folgt am Sonntag die Premiere auf der Trainerbank?
KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER

12. Juni 1999, Olympiastadion Berlin. Der junge Mann mit dem braunen Haarschopf legt sich den Ball auf den Penaltypunkt und schreitet strammen Schrittes rückwärts. Der Anlauf wird immer länger. Am Ende seiner Rückwärtsbewegung steht der vierte Schütze von Werder Bremen im deutschen Cupfinal gegen Bayern München am Sechzehner-Kreis. Genau wie die 75'841 Zuschauer fokussiert er den Ball.

Der Druck auf Raphael Wicky ist immens. Trifft der 22-Jährige nicht, können die Bayern mit dem nächsten Schützen alles klarmachen. Der Schiedsrichter pfeift, Wicky läuft an, verzögert leicht und schiesst den Ball in die linke obere Torecke. Oliver Kahn ist chancenlos. So eiskalt der Schütze den Penalty versenkt hat, so cool trottet er danach Kaugummi kauend zu seinen im Mittelkreis wartenden Mannschaftskollegen zurück. Bei den Bayern verschiessen danach erst Stefan Effenberg und dann Weltmeister Lothar Matthäus. Werder Bremen ist Pokalsieger.

Es winkt das dritte Double in 125 Jahren

24 Jahre sind seither vergangen. Wicky ist immer noch sportlich unterwegs, seine Haarpracht ist moderner geworden, statt Fussball- trägt er nun Laufschuhe und eine Brille. Er ist nicht mehr Spieler, sondern Trainer und steht mit seiner Mannschaft vor dem Gewinn des Doubles. Die Meisterschaft dominierten die Young Boys praktisch nach Belieben. Nun soll am Sonntag der zweite Schritt folgen.

Es wäre für YB «erst» das dritte Double in der 125-jährigen Vereinshistorie. «Alleine dieser Umstand zeigt, wie schwierig es ist, Meisterschaft und Cup zu gewinnen», sagt Wicky. Natürlich ist der 46-Jährige optimistisch, die Partie gegen Lugano siegreich zu gestalten. Doch er weiss aus eigener Erfahrung, dass ein Final kein normales Spiel ist. Druck und Anspannung würden solche Partien prägen, deshalb seien sie in den seltensten Fällen schön anzuschauen. «Die ganze Atmosphäre, das Drumherum, der Rummel, das prallt an den Spielern nicht einfach so ab, sondern macht was mit ihnen.» Wicky hat das am eigenen Leib erfahren.

Der dreifache Cup-Coup mit Sion

Zwischen 1995 und 1997 zieht der Walliser mit dem FC Sion dreimal in Folge in den Cupfinal ein. Stets steht der defensive Mittelfeldspieler in der Startaufstellung, stets gewinnt sein Team. Als Sion 1996 gegen Servette 0:2 zurückliegt, geht Wicky voran. Der damals erst 19-Jährige, sonst eher keiner, der die ganz grosse Torgefahr ausstrahlt, trifft in der 67. Minute zum Ausgleich. Am Ende siegt Sion 3:2.

Wicky sagt, dass die Spiele von damals in der Vorbereitung auf den Final vom Sonntag «keine Rolle spielen». Zu weit weg seien die Geschehnisse, zu unterschiedlich seine Rollen. Damals war Wicky ein junger Spieler und Teil einer Mannschaft, heute ist er für das grosse Ganze verantwortlich. Er versucht aber natürlich, jene Tugenden, die ihn als Spieler ausgezeichnet haben, seinem Team mit auf den Weg zu geben: Einsatz, Willensstärke und die richtige Einstellung.

Aus 30 Jahren im Profifussball weiss er: «In einem Final musst du pragmatisch und effizient sein, wenn du gewinnen willst.» Wer am Sonntag also ein Offensivspektakel von YB erwartet, der dürfte enttäuscht werden. Zu wichtig ist Wicky dieser Titel, als dass er ihn für eine attraktive Partie aufs Spiel setzen würde.

Ausgeglichene Final-Bilanz als Trainer

Der einstige Mittelfeldmotor, der als Spieler vier von fünf Cupfinals gewonnen hat, weiss, wie es sich als Trainer anfühlt, in einem Endspiel zu unterliegen. Vor vier Jahren verlor er mit der U17-Nationalmannschaft der USA im Final um den Gold Cup gegen Mexiko 1:2 nach Verlängerung. Es ist das Gegenstück zum Final im Schweizer Cup mit der U18 des FC Basel, in dem er die Mannschaft zum Sieg coachte. Wicky hat als Trainer in Finalspielen also eine ausgeglichene Bilanz. In welche Richtung das Pendel am Sonntag ausschlägt, wird sich zeigen.

Auch wenn Wicky sagt, der Ausgang des Finals ändere nichts an der Tatsache einer «fantastischen» Saison, wird im Gespräch klar, welche Bedeutung die Partie gegen Lugano für ihn hat: «Immer, wenn du einen Final verlierst, bist du enttäuscht. Ein Team wird das Spiel gewinnen, das andere nicht. Wir können Grosses erreichen. Am Schluss spielt sich vieles im Kopf ab.»

So wie vor 24 Jahren, als er im Penaltyschiessen gegen die Bayern die Nerven behielt.

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