Der Zürcher ist zurück im Letzigrund
Lange muss Miro Muheim auf seine Chance warten, nun ist sie da. Der Zürcher trainiert erstmals mit dem Nationalteam und könnte bereits am Freitag in «seinem» Letzigrund debütieren.
Lange muss Miro Muheim auf seine Chance warten, nun ist sie da. Der Zürcher trainiert erstmals mit dem Nationalteam und könnte bereits am Freitag in «seinem» Letzigrund debütieren.
Miro Muheim hat soeben das Training beendet, als er auf dem Display seines Handys eine Nachricht sieht. Absender: Giorgio Contini. Der Inhalt ist kurz. Ob er heute erreichbar sei, fragt sein ehemaliger Trainer aus St. Galler Zeiten, der ihm 2018 zum Debüt in der Super League verholfen hat. Doch die wenigen Zeichen lassen Muheims Herz sofort stärker schlagen. Der 26-Jährige ist nervös, aber er spürt: Jetzt ist es soweit.
Zu sagen, dass Muheim mehr als drei Jahre auf diese Nachricht gewartet hat, wäre übertrieben. Schliesslich erlebte er viel in dieser Zeit. Als Leihspieler wechselte er 2021 von St. Gallen nach Hamburg, erkämpfte sich eine fixe Übernahme und etablierte sich als Stammkraft. Der Verteidiger überzeugt mit seinem Zug nach vorne und seinem starken linken Fuss, mit dem er regelmässig Torvorlagen gibt. Kürzlich bestritt Muheim sein 100. Spiel für den Traditionsverein aus dem hohen Norden und ist der einzige Spieler im Team, der in der laufenden Saison noch keine Minute in der Meisterschaft verpasst hat. Doch diese Konstanz stiess in der Schweiz lange auf wenig Resonanz.
Sein letztes Länderspiel bestritt Muheim am 31. März 2021 als U21-Spieler. Seine damaligen Teamkollegen waren unter anderen Noah Okafor, Andi Zeqiri, Fabian Rieder, Jordan Lotomba oder Cédric Zesiger. Sie alle schafften den Sprung vom Nachwuchs in die A-Nationalmannschaft, Muheim dagegen brauchte Geduld.
Grosser Klub, kleine Bühne
Muheims Problem ist, dass er nicht auf der grossen Fussballbühne spielt. Dies, obwohl er bei Heimspielen regelmässig vor 50'000 Fans aufläuft, was selbst gestandene Nationalspieler nicht von sich behaupten können. Doch während diese in den europäischen Topligen und im Europacup spielen, kickt Muheim eben nur in der zweithöchsten deutschen Liga.
Natürlich kann argumentiert werden, dass das Niveau in der 2. Bundesliga sehr hoch ist. Das tut auch Muheim, wenn er auf die Zeit in Norddeutschland angesprochen wird. Beim FC St. Gallen habe er es sehr genossen, aber Hamburg sei eine ganz andere Welt. Und die Ambitionen dort sind riesig. Der ehemalige Bundesliga-Dino strebt nach dem Abstieg 2018 die Rückkehr ins Oberhaus an. Wie die ganze Stadt, nach Berlin die zweitgrösste Deutschlands, hofft auch Muheim, dass es endlich klappt. Denn er weiss: Wenn es der HSV schafft, gibt es ein Fest, das seinesgleichen sucht.
Aber auch hier ist Geduld gefragt. Seit Jahren spielt das Team oben mit, schafft aber den letzten Schritt nicht. Viermal landeten die Hamburger auf dem 4. Tabellenplatz, zweimal scheiterten sie als Dritter in der Aufstiegsbarrage. Aktuell ist der HSV Fünfter, drei Punkte hinter Tabellenführer Hannover. «Ich bin zuversichtlich, dass wir es in dieser Saison schaffen», sagt Muheim. Was soll er auch anderes sagen? Immerhin weiss er jetzt, dass sich Geduld manchmal auszahlt.
Die spezielle Heimkehr
Denn als Muheim mit Contini telefonierte, teilte ihm der Co-Trainer der Schweizer Nationalmannschaft wie erhofft mit, dass er im Aufgebot für die letzten Gruppenspiele der Nations League gegen Serbien und Spanien stehe. Aus dem Nichts sei das für ihn gekommen, sagt Muheim rückblickend. Danach rief er als erstes seinen Vater an.
Danach ging es Schlag auf Schlag: Am Montag rückte Muheim in den Kreis der Nationalmannschaft ein und sah dabei einige seiner ehemaligen U21-Kollegen wieder. Am Dienstag folgte das erste Training, das nur unweit von dort stattfand, wo «Quattro M», wie er wegen seines vollen Namens (Miro Max Maria Muheim) genannt wird, aufgewachsen ist. Als Fünfjähriger trainierte Muheim zum ersten Mal beim FC Zürich. Am Freitag könnte im Letzigrund sein Debüt als Nationalspieler folgen.
Da die Schweizer Abwehr wegen Ausfällen umgekrempelt werden muss, darf Muheim sogar auf einen Einsatz von Beginn an hoffen, zumal er flexibel einsetzbar ist. Im Klub spielt er sowohl als klassischer Linksverteidiger als auch in der Dreierkette. Einen sofortigen Einsatz würde der in Geduld geübte Muheim aber natürlich nie fordern. «Ich habe hier keine Ansprüche», sagt Muheim. «Ich gebe im Training mein Bestes und lasse den Rest einfach auf mich zukommen.» Vielleicht überbringt ihm Contini im Abschlusstraining dann die nächste gute Nachricht.