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Aufbruchstimmung im Schweizer Frauen-Eishockey

Im Schweizer Frauen-Eishockey tut sich was. Der EV Zug setzt mit der Einführung von semiprofessionellen Strukturen neue Massstäbe - und hofft, dass andere nachziehen.

Agentur
sda
26.01.23 - 05:00 Uhr
Eishockey

Mit dem Gewinn der Bronzemedaille an den Olympischen Spielen in Sotschi haben sich die Schweizerinnen 2014 in die Weltspitze katapultiert. Bald zehn Jahre danach hat das Frauen-Eishockey hierzulande immer noch einen schweren Stand, fristet ein Schattendasein. Dies kommt nicht von ungefähr. Mit wenigen Ausnahmen foutierten sich die grossen Vereine lange darum, Mädchen- und Frauenteams zu fördern.

Nun scheint aber ein Umdenken stattgefunden zu haben. Immer mehr Klubs aus der National League zeigen sich gewillt, dem Nischenprodukt eine Chance zu geben und ins Frauen-Hockey zu investieren - nicht zuletzt aus Imagegründen. Das Thema Gleichstellung zwischen Mann and Frau ist auch im Sport omnipräsent.

Zwischen Nische und Weltspitze

Der Olympia-Coup von 2014 hatte den positiven Nebeneffekt, dass sich vermehrt auch Mädchen für das Spiel mit Puck und Schlittschuhen interessierten. Dieser Schwung wurde vom Schweizer Verband genutzt, um ein Förderkonzept fürs Frauen-Eishockey zu entwickeln und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln die Strukturen zu professionalisieren. International hat sich die Schweiz mittlerweile zwar unter den Top-5-Nationen etabliert, die Women’s League - die höchste von vier Frauenligen - gewann trotz der Bestrebungen aber nicht nachhaltig an Qualität.

Dies hatte zur Folge, dass immer mehr der besten Schweizer Spielerinnen ins Ausland wechselten, weil dort die Voraussetzungen besser sind. Aus dem letzten WM-Kader sind es knapp die Hälfte, die abwanderten. Geld verdienen lässt sich in einer Sportart, in der das Geld sonst sprudelt, hierzulande nicht; dafür muss man schon nach Nordamerika. Genau das soll sich nun aber ändern.

Ein «Leuchtturm» in der Zentralschweiz

Der EV Zug, der Meister der letzten zwei Jahre bei den Männern, geht dabei neue Wege. Die Zentralschweizer gaben vorletzte Woche bekannt, ab der nächsten Saison das Konzept «Women & Girls Programm» umzusetzen, mit einem neu gegründeten Frauenteam, das (wie vom Verband abgesegnet) in der zweithöchsten Liga einsteigen darf und von semiprofessionellen Strukturen profitieren soll. «Wir wollen es den Frauen ermöglichen, Sport, Beruf und Regeneration besser zu vereinen. Das Ziel ist, die Spielerinnen vom EVZ mit einem 40 Prozent-Pensum für den Sport anzustellen und die restlichen Stellenprozente mit einem Teilzeitjob auszufüllen», führt Daniela Diaz aus.

Als frühere Nationaltrainerin und Managerin des Schweizer Frauen-Nationalteams gilt die 40-jährige Zugerin als ausgewiesene Szenekennerin. Als solche steht sie künftig nicht nur als Trainerin in der Verantwortung des EVZ-Frauenteams. Auch die Förderung des Mädchen-Eishockeys über alle Stufen hinweg wird in Zug angestrebt, angefangen bei der Hockeyschule. Diaz spricht von einem «Leuchtturm in der Zentralschweiz», den das Frauenteam verkörpern soll, um möglichst viele Mädchen in der Region zu animieren, mit dem Eishockeyspielen zu beginnen.

Mit der am Montag bekannt gewordenen Verpflichtung von Lara Stalder ist dem EVZ ein Transfer mit grosser Strahlkraft gelungen, einer, der dem Projekt Antrieb verleihen kann. Die 28-Jährige ist Captain des Schweizer Nationalteams und gilt als beste Stürmerin Europas. In den letzten drei Saisons war Stalder in Schweden bei Brynäs Liga-Topskorerin. Nun kehrt die Luzernerin nach zehn Jahren im Ausland in ihre engere Heimat zurück und erhielt beim EVZ einen Vollzeitjob (40 Prozent als Spielerin, 60 Prozent bei der EVZ Management AG). Die Zielvorgabe des Klubs ist klar: Spätestens 2030 soll der erste Meistertitel gefeiert werden, mindestens die Hälfte des Teams soll dabei aus Einheimischen bestehen.

Über eine Million Budget

Die Umsetzung des Projekts ist für den EV Zug kostspielig. «Der Klub budgetiert mit einem Aufwand von zirka 1,2 Millionen Franken, davon 720'000 Franken für die Ausbildungsstruktur und 480'000 Franken für die Entlöhnung der Spielerinnen», rechnet Patrick Lengwiler, der CEO des EV Zug, vor. Die Aufwände würden sich im selben Rahmen bewegen, wie es der EVZ für das auf diese Saison hin zurückgezogene Swiss-League-Team aufgewendet hat.

Stellt sich die Frage: Wie lässt sich ein semiprofessioneller Betrieb finanzieren, wenn doch im Gegensatz zu den Männern die Geldzuflüsse aus dem Ticket-Verkauf (mit durchschnittlich 75 Zuschauern pro Spiel in der höchsten Liga) und der TV-Vermarktung fast gänzlich ausbleiben?

Lengwiler: «Wir haben aktuell noch keine Einnahmen. Wir gehen auf eine Reise, von der wir überzeugt sind.» Nun gelte es, Sponsoren und Partner zu gewinnen. Deren Interesse sei vorhanden, das hätten Vorgespräche gezeigt. Zum mageren Zuschauerinteresse meint er: «Wir wissen darum, dass es wohl noch mehrere Jahre benötigt, bis die Zuschauenden auch den Frauensport gleichermassen besuchen. Wir sind aber überzeugt, dass es kommen wird. Wir wollen dem Frauen-Eishockey zum Durchbruch verhelfen und sehen es auch als Aufgabe der Profiklubs in der Schweiz, sich hier zu engagieren.»

Bestrebungen in Davos und Bern

Mit den ZSC Lions, dem HC Lugano und seit dieser Saison dem HC Ambri-Piotta spielen bereits drei Klubs aus der National League in der obersten Frauen-Liga mit, die Voraussetzungen lassen sich jedoch nicht mit jenen in Zug vergleichen. Auch der HC Davos wird künftig mit einem Team am NLA-Meisterschaftsbetrieb teilnehmen. Dafür übernimmt der Schweizer Rekordmeister die Thurgau Indien Ladies. Solche Bestrebungen gibt es auch beim SC Bern, der nach dieser Saison einen Zusammenschluss mit dem bestehenden NLA-Team Bomo Thun vollziehen will. Noch müssen in der Hauptstadt aber infrastrukturelle Fragen geklärt werden.

Dass mit der PostFinance Mitte Dezember ein Haupt- und Namenspartner für die Women's League gefunden werden konnte, ist ebenfalls als erfreuliches Zeichen zu werten. Damit das mutige EVZ-Projekt dem Schweizer Frauen-Eishockey längerfristig einen bedeutenden Schub verleihen kann, müssen nun weitere Regionen nachziehen. Das Nischenprodukt begibt sich gewissermassen auf eine Reise ins Ungewisse.

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