WM-Silber nach langem Leidensweg - Tumler sagt: «Die Verletzungen haben mir auch gut getan»
Thomas Tumler erfüllt sich mit der WM-Silbermedaille im Riesenslalom einen Traum. Im Moment seines grössten Erfolgs blickt der Samnauner auch auf seine lange Leidenszeit zurück.
Thomas Tumler erfüllt sich mit der WM-Silbermedaille im Riesenslalom einen Traum. Im Moment seines grössten Erfolgs blickt der Samnauner auch auf seine lange Leidenszeit zurück.

von Roman Michel und SDA
Im Team holt Thomas Tumler zum Auftakt der Ski-WM Silber. Nun doppelt der Bündner im Riesenslalom nach. Silber! Nur 23 Hundertstel hinter dem überraschenden Weltmeister Raphael Haaser. Tumler laurt nach Durchgang 1 auf Rang 6, setzt sich dann dank eines starken zweiten Laufs an die Spitze. Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Mehrmals ist der 35-Jährige nahe am Ausscheiden - wird aber für sein Risiko belohnt. Nur Haaser, der im Riesenslalom im Weltcup noch ohne Podest ist, ist noch schneller als Tumler. Loïc Meillard (Zweiter nach dem ersten Lauf) und Marco Odermatt (Dritter) klassieren sich in der Endabrechnung gleich hinter dem Samnauner auf den Rängen 3 und 4.
Tumler hatte schon nach dem Erfolg im Team gesagt: «Der Teamevent war eine Nebensache. Mein Hauptziel ist der Riesenslalom.» In diesem gelingt dem Bündner der grösste Erfolg der Karriere. Im Dezember stand Tumler erstmals überhaupt zuoberst auf dem Weltcuppodest. Jetzt gewinnt er WM-Silber.
Immer wieder Verletzungen
Tumlers zweiter Frühling ist erstaunlich. Immer wieder hatte der Athlet aus Samnaun in seiner Karriere mit Verletzungen zu kämpfen, vor allem der Rücken machte ihm zu schaffen. Mehrmals stand Tumler viel näher am Rücktritt denn an einer WM-Medaille. «Stehe einmal mehr auf als du hingefallen bist», steht auf seiner Website. Es ist ein Satz, der so gut zu ihm passt. Tumler ist oft hingefallen, mehr als die meisten seiner Konkurrenten – und immer wieder aufgestanden, stets aufs Neue beseelt vom Gedanken, es trotz allen Widrigkeiten und Zweifeln doch noch nach oben zu schaffen, getrieben vom Selbstverständnis, dafür das nötige Können mitzubringen.
Nach seiner Silberfahrt sagt Tumler gegenüber SRF: «Meine Fahrt war voll am Limit. Ich dachte unterwegs schon, jetzt ist alles vorbei. Dann riskierte ich alles, es ist super aufgegangen. Es gibt einfach kein Taktieren in einem WM-Rennen. Ich bin so glücklich, das Podest war mein grosses Ziel. Ein 4. oder 5. Platz hätte überhaupt nichts gebracht. Ich musste 35 werden für diesen Erfolg, aber ich habe immer länger gebraucht, für alles, schon in der Schule früher.»
Er konnte kaum mehr gehen
Es sind Worte, die zu Tumlers Karriere passen. Immer wieder warfen den sensiblen Techniker Verletzungen zurück, immer wieder streikte der Rücken. So sehr, dass er mehrmals an ein Karriereende dachte.
Zum ersten Mal zieht Tumler im Januar 2017 einen Schlussstrich in Betracht, als er von Kitzbühel heimreist und sein Rücken derart schmerzt, dass er an einer Tankstelle nicht ohne fremde Hilfe aus dem Auto steigen kann. Im Dezember 2020 folgt ein Bandscheibenvorfall, der eine Operation nach sich zieht. Die Resultate leiden unter den körperlichen wie mentalen Blockaden. Zwischen 2016 und 2020 fährt er nur viermal in die ersten zehn. Eine Zukunft in den Kadern von Swiss-Ski ist fraglich.
«Ich weiss noch, es war vor drei Jahren, als ich bei den Schweizer Meisterschaften in St. Moritz vor Tom Stauffer auf die Knie gegangen bin und ihn um eine weitere Chance gebeten habe. Ich wusste, dass meine Karriere zu Ende ist, wenn ich nicht mehr bei Swiss-Ski bin.» Der Cheftrainer hatte Erbarmen. Und traf einen Entscheid, der nun in doppeltem Silber an der WM in Saalbach gipfelte.
«So blöd es tönt: Die Verletzungen haben mir gutgetan. Sie haben mich geerdet, mir gezeigt, dass ich Geduld haben muss und was für ein Privileg wir haben.» Er sei am Start des Riesenslaloms schon sehr dankbar gewesen, hier sein zu dürfen, gesund und in der Top-Gruppe. «Tief in mir habe ich schon von einer Medaille geträumt. Dass es nun tatsächlich so gekommen ist, ist unglaublich.»