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«Wertefrei auf die Leute zugehen»

Selina Solèr, erste Vertretung der GLP im Gemeinderat, steht für ihre Werte ein. Die Fachfrau Betreuung möchte politisch weiter gehen: Sie kandidiert für den Bündner Grossen Rat.

Conradin
Liesch
10.05.22 - 10:11 Uhr
Politik
Mit Selina Solèr zog auch die GLP erstmals in den Klosterser Gemeinderat ein.
Mit Selina Solèr zog auch die GLP erstmals in den Klosterser Gemeinderat ein.
ZVG

Selina Solèr ist in Disentis aufgewachsen, Romanisch ist ihre Muttersprache. Gelernt hat sie in der Kita Klosters Fachfrau Betreuung. Der Weg dazu war nicht ganz so einfach, wie erzählt: «Es gab damals nur acht Kitas in Graubünden und sehr wenig Lehrstellen. Ich erhielt zuerst eine Praktikumsstelle. Die Lehrstelle konnte ich erst nach einem Zwischenjahr antreten. Ich nutzte diese Zeit, um als Au-pair in Zürich Schweizerdeutsch zu lernen und bereiste Australien, um Englisch zu lernen. Ich war vier Monate mit dem Bus unterwegs. Während der Lehre von 2012 bis 2015 lernte ich meinen Freund in Klosters kennen. Ich wohnte zuerst in einer WG und konnte mich dadurch gut in Klosters integrieren und die Einwohner kennenlernen. Ich will wertefrei auf die Leute zugehen.»

Kita deckt nicht nur Grundbedürfnisse ab

Nach dem Lehrabschluss suchte sie einen Job und arbeitete zuerst in Chur, bevor sie zurück in die Kita nach Klosters kam. Seit fünf Jahren ist sie dort tätig, seit zwei Jahren als stellvertretende Leiterin. Dazu absolviert sie seit einem halben Jahr in Zürich ein Studium als Kindheitspädagogin. «Es gibt nur zwei solche Stellen in Graubünden, eine davon in Klosters.» Die Kita bietet vier Lehrstellen an; ­betreut werden bis zu 24 Kinder pro Tag, keine einfache Aufgabe, aber sehr verantwortungsvoll. Wie wichtig die Kita für die Kinder ist, weiss sie aus eigener Erfahrung: «Diese deckt weit mehr als nur die Grundbedürfnisse ab und das Spielen.» Deshalb steht Selina für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Wertschätzung gegenüber dem Personal ein.

«Die nationale Politik hat mich schon früh interessiert; seit ich 18 bin, stimme ich ab.» Immer mehr interessierte sich Selina auch für die Lokalpolitik, umso mehr, als ihr Arbeitsort teilweise abhängig von der Gemeinde ist. Nachdem sie zuerst mit der «Mitte» und der SP geliebäugelt hatte, entschied sie sich für die Grünliberale Partei: «Ich dachte, jetzt wäre der richtige Moment.»

Seit eineinhalb Jahren ist sie – als erste GLP-Vertreterin – im Klosterser Gemeinderat. «Ich dachte nicht, dass ich in den Gemeinderat gewählt würde», erzählt sie. «Zuerst kannte ich die Leute nicht und betrieb ausgiebig Networking, zudem gab es viel zu lernen.» Ausserdem musste ­Selina Solèr lernen, abzuschätzen, wie «stur» sie ihre Meinung vertreten sollte, wie sehr sie ihre eigenen Interessen wollte und abwägen, was realistisch ist und was nicht: «Manchmal wäre ich gerne ­extremer», sagt sie, «aber das nützt schlussendlich niemand etwas.»

«Es müssen Junge nach Chur»

Die Entscheidung, für den Grossen Rat zu kandidieren, ist ein nächster Schritt ins Ungewisse: «Es kommt, wie es kommt, und so kommt es gut», erklärt sie. «Im Grossen Rat soll nicht nur die urbane Politik vertreten sein, sondern auch die Belange Seitentäler. Ich bin voll motiviert; es müssen Junge nach Chur.» Sie sei kein geduldiger Mensch, mit Kindern ­allerdings schon. «Aber auch da ist die Politik eine Herausforderung, denn dort lernt man, geduldig zu sein», ergänzt sie.

Die GLP habe eine gute Sichtweise. Die Umwelt schätzt sie als wichtiges Thema ein, bei der Sozialpolitik sei die Schweiz jedoch «hintendrein»: «Eltern sollten für die Kita-Plätze nicht so viel bezahlen müssen», erklärt Selina Solèr. Auch die Elternzeit erachtet sie als wichtig, im ­Zuge der Gleichberechtigung müssten das für jeden Elternteil sechs Monate sein. «Aber das muss man nicht nur auf Kantonsebene angehen, sondern auch auf Bundesebene angehen», ist für sie klar.

Das Thema «Wohnraum für Einheimische» beschäftigt auch Selina Solèr: ­«Bezüglich bezahlbaren Wohnraums muss etwas laufen, hier ist die Gemeinde in der Verantwortung, etwa durch das Fördern von Genossenschaftswohnungen», sagt sie, «nicht nur für Familien, sondern auch für Saisonniers».

Klimaneutrales Klosters bis 2040

Sie fühlt sich in Klosters zu Hause: «Ich kam von einem kleinen Skigebiet in ein grosses. Wir sollten aber nicht nur vom Wintersport abhängig sein», stellt sie fest. Sie unterstützt deshalb auch die IG Bike. Doch auch die Wanderer gelte es zu respektieren: «Jeder darf doch überall sein.»

Dass sie in die Energiekommission gewählt wurde, kommt nicht von ungefähr: Das Fördern einheimischer Produkte
wie mit dem Wochenmarkt oder dem Marchtchäller erachtet sie als wichtig, denn so lässt sich der ökologische Fussabdruck klein halten. «Ich finde, Klosters muss dem Label Energiestadt gerecht werden», erklärt Selina Solèr, «wir müssen energetisch unabhängiger werden und unsere Pflicht wahrnehmen.» Abschliessend stellt sie fest: «Es wäre schön, wenn Klosters bis 2040 klimaneutral ­wäre».

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