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Die «Ampel»-Lehren aus NRW: Kurshalten und besser kommunizieren

Die Niederlagen für zwei der drei Berliner Koalitionspartner bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen müssen aus Sicht der FDP Konsequenzen haben für die weitere Arbeit des «Ampel»-Bündnisses aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen.

Agentur
sda
16.05.22 - 14:56 Uhr
Politik
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht vorbei an einer Helmut-Schmidt-Büste zur Präsidiumssitzung seiner Partei nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht vorbei an einer Helmut-Schmidt-Büste zur Präsidiumssitzung seiner Partei nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Keystone/dpa/Kay Nietfeld

FDP-Chef Christian Lindner sah am Montag vor allem Unzufriedenheit mit dem Gesamtpaket der geplanten Entlastungen als eine Ursache der schweren Verluste seiner liberalen Partei. «Daraus müssen wir auch für künftige politische Projekte der Koalition in Berlin unsere Konsequenz ziehen.» Kanzler Olaf Scholz gab sich trotz des historisch schwachen Abschneidens seiner Sozialdemokraten (SPD) gleichwohl gelassen und will Kurs halten.

Das gilt auch in der Ukraine-Politik, die bei dem Votum auch aus SPD-Sicht die Landespolitik überlagert hat. Scholz sei überzeugt, dass «sein besonnener, abgewogener Kurs (...) richtig ist und der auch von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wird», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. SPD-Chef Lars Klingbeil sieht vor allem ein Problem der medialen Selbstdarstellung: «Erstmal geht es darum, dass wir das, was wir Gutes tun, auch stärker kommunizieren», sagte er in Berlin.

Die Wahl in dem mit knapp 18 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bundesland war die dritte und wichtigste von vier Landtagswahlen in Deutschland in diesem Jahr. Vor einer Woche hatte die CDU die Wahl in Schleswig-Holstein gewonnen, Ende März die SPD im Saarland triumphiert. Im Oktober wird auch in Niedersachsen gewählt.

SPD-Landeschef Thomas Kutschaty konstatierte, dass es für die Wähler in NRW vor allem um die Frage des Ukraine-Kriegs und die steigende Inflation sowie die Energiepreise gegangen sei. Diese Aspekte müsse die SPD jetzt stärker in den Mittelpunkt rücken. «Viele Menschen machen sich eben Sorgen, ob sie sich das Leben so noch leisten können.»

In Nordrhein-Westfalen (NRW) deutet viel, aber nicht alles auf ein Bündnis der Wahlgewinner CDU und Grüne hin. Die SPD erkennt den Sieg der christdemokratischen CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst inzwischen an, behält sich eigene Versuche zur Bildung einer «Ampel»-Koalition mit Grünen und FDP wie im Bund aber vor.

«Das Erstvorschlagsrecht liegt beim Wahlgewinner», sagte Kutschaty nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin. Die SPD werde sich die Sondierungen zwischen CDU und Grünen genau ansehen. «Aber auch wir stehen bereit, auch wir bieten den Grünen und FDP Gespräche an, um über eine Regierung zu reden.»

Allerdings gibt es in der Landes-SPD durchaus bremsende Stimmen. «An so einem Abend, wo man seine eigenen Ziele doch ein ganzes Stück verfehlt hat, ist das nicht ein Moment, wo man die Backen aufpustet und Forderungen stellt», sagte der frühere Bundesparteichef Norbert Walter-Borjans der Deutschen Presse-Agentur.

Die Landes-FDP positionierte sich ohnehin sehr skeptisch zu einer «Ampel»-Koalition. «Die Frage stellt sich nicht, es wird jetzt Schwarz-Grün», sagte FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp im Sender WDR 5. Die CDU werde «für den Ministerpräsidentenposten im Zweifelsfall sämtliche Inhalte preisgeben».

Wüst unterstrich seinen Anspruch auf eine Regierungsbildung. «Das Wählervotum ist eindeutig. Wir haben das Vertrauen der Menschen, auch in Zukunft eine Regierung zu bilden und anzuführen», sagte er in Berlin vor den Beratungen der CDU-Spitzengremien. Er werde nun auf alle demokratischen Parteien zugehen, «um darüber zu sprechen, wie wir die grossen Fragen unserer Zeit angehen, wie wir ein Zukunftsbündnis schmieden können, das vertrauensvoll und verlässlich die grossen Fragen angeht».

Die Grünen, die nun die «Königsmacher» sind, lassen weiter keine Vorliebe für eine bestimmte Koalition erkennen und bereiten die Durchsetzung ihrer Positionen vor. «Am Ende kommt es wirklich darauf an, was man in Verhandlungen rausholt», sagte Bundestagsfraktionschefin Katharina Dröge. Entscheidend seien Themen wie Klimaschutz und Verkehrswende. «Hendrik Wüst muss sich auf jeden Fall verabschieden von einer Politik, die auf das Ausbremsen der Energiewende setzt.»

Wüst ging darauf bereits ein und sagte, für NRW als starkes Industrieland werde es um die «Versöhnung von Klimaschutz und Industrie-Arbeitsplätzen» gehen. Weitere Zukunftsthemen seien «beste Bildungschancen für unsere Kinder, innere Sicherheit und bessere, saubere Mobilität».

Nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis gewannen die Christdemokraten 35,7 Prozent der Stimmen (2017: 33,0). Die Grünen verdreifachten ihr Ergebnis auf 18,2 Prozent (6,4). Die Sozialdemokraten sackten auf ihren historischen NRW-Tiefstand von 26,7 Prozent (31,2). Die bisherige Regierungspartei FDP verlor so viel wie noch nie in NRW und landete bei schwachen 5,9 Prozent (12,6). Die rechtspopulistische AfD konnte sich mit 5,4 Prozent knapp im Landtag halten (7,4). Die Linke bleibt mit 2,1 Prozent (4,9) draussen. Die Wahlbeteiligung fiel auf ein Tief von 55,5 Prozent.

In der AfD verstärken Führungsmitglieder nach den Wahlverlusten den Druck auf Parteichef Tino Chrupalla. Vorstandsmitglied Joana Cotar sprach sich dagegen aus, dass er auf dem Parteitag im Juni noch einmal antritt. «Er bildet weder die gesamte Partei ab noch überzeugt er bei den Wählern», erklärte sie. Chrupalla wies eine alleinige Verantwortung zurück und forderte ein Ende der Vielstimmigkeit. Er kandidiere selbstverständlich wieder. Die Partei war bei der Wahl in Schleswig-Holstein eine Woche zuvor erstmals aus einem Landtag geflogen.

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