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Bund und Kantone helfen illegal Adoptierten bei Herkunftssuche

Hunderte als Kleinkinder illegal aus Sri Lanka in die Schweiz Adoptierte wissen auch nach Jahrzehnten nicht, wer ihre leiblichen Eltern sind. Bei der Herkunftssuche unterstützen sie nun Bund und Kantone finanziell.

Agentur
sda
16.05.22 - 16:32 Uhr
Politik
Bund und Kantone wollen adoptierte Personen aus Sri Lanka bei der Suche nach ihren Wurzeln unterstützen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Sarah Ineichen (links), Präsidentin von "Back to the Roots", haben am Montag eine entsprechende Vereinbarung…
Bund und Kantone wollen adoptierte Personen aus Sri Lanka bei der Suche nach ihren Wurzeln unterstützen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Sarah Ineichen (links), Präsidentin von "Back to the Roots", haben am Montag eine entsprechende Vereinbarung…
KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Justizministerin Karin Keller-Sutter, der St. Galler Regierungsrat Fredy Fässler als Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) und Sarah Ineichen, Präsidentin von «Back to the Roots», der Interessengemeinschaft Adoptierter aus Sri Lanka, unterzeichneten am Montag in Bern eine entsprechende Vereinbarung.

Das dreijährige Pilotprojekt im Rahmen der Migrationspartnerschaft der Schweiz mit Sri Lanka läuft rückwirkend ab dem 1. Januar dieses Jahres bis zum 31. Dezember 2024, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und von «Back to the Roots».

Die Unterstützung durch Bund und Kantone richtet sich nach dem tatsächlichen Aufwand und kommt direkt den adoptierten Personen zu Gute. Pro Jahr stehen maximal 250'000 Franken zur Verfügung. Die Kantone unterstützen laut der Mitteilung das Angebot von «Back to the Roots» im Inland, während das EJPD gewisse Tätigkeiten im Ausland finanziert.

Schweizer Behörden schauten weg

Bund und Kantone schauten von den 1970er- bis in die 1990er-Jahre hinein systematisch weg, als fast 900 Kinder aus Sri Lanka grösstenteils illegal in die Schweiz adoptiert wurden. Das zeigt ein Bericht der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) vom Februar 2020.

Der Bundesrat war über die Missstände durch diplomatische Kanäle informiert, unternahm aber nichts, um den Menschenhandel zu stoppen. Und die kantonalen Adoptionsbehörden drückten beide Augen zu.

Auch die Schweizer Botschaft in Sri Lankas Hauptstadt Colombo sei über all die Jahre regelmässig mit einer grossen Zahl von Adoptionsfällen konfrontiert gewesen, da sie Visa für die sri-lankischen Kinder ausstellte, so die ZHAW-Studie. Der Geschäftsträger Claude Ochsenbein habe die Bundesbehörden ab 1981 ausdrücklich vor Kinderhandel auf Sri Lanka gewarnt.

Weisse Erzeuger in Baby-Farmen

Die Adoptierten waren meist erst wenige Wochen alte Babys oder Kleinkinder. Sie kamen aus sogenannten Baby-Farmen in Sri Lanka, wo auch weisse Männer zur Zeugung von möglichst hellhäutigen Kindern «eingesetzt» wurden.

Schweizer Eltern zahlten 5000 bis 15'000 Franken pro Kind. Die sri-lankischen Mütter bekamen im Gegenzug wenige Dollar. Die Vermittler in Sri Lanka, darunter Anwältinnen, verdienten mit dem Kinderhandel dagegen fürstlich - oft mehr als ein Minister ihres Landes.

Es kam auch vor, dass Frauen lediglich vorgaben, die Mütter der zur Adoption freigegebenen Kinder zu sein - sogenannte Acting Mothers. Nicht selten waren überhaupt die Dokumente gefälscht.

Ende 2020 schliesslich beschloss der Bundesrat aufgrund des ZHAW-Berichtes und aufgrund eines eigenen Berichtes mehrere Massnahmen. Der Bund und die Kantone würden die Adoptivkinder auf der Suche nach ihrer Herkunft unterstützen, kündigte Justizministerin Keller-Sutter damals an.

Eine Expertengruppe solle eingesetzt werden, welche die heutige Organisation, die Zuständigkeiten und die Verfahren bei Adoptionen überprüft.

Bedauern des Bundesrates

Auch Keller-Sutter sprach damals von Schwachstellen in der heutigen Gesetzgebung und von Fälschungen. Trotz gefälschten Papieren und der fehlenden Zustimmung der leiblichen Mütter seien Kinder damals zur Adoption freigegeben worden. Die Justizministerin sprach in diesem Zusammenhang den Betroffenen und ihren Familien im Namen des Bundesrates ihr Bedauern aus.

Die meisten Adoptionen aus Sri Lanka gab es in den Kantonen Zürich, St. Gallen, Aargau, Waadt und Bern. Der Verein «Back to the Roots» ist eine Interessengemeinschaft Adoptierter aus Sri Lanka in der Schweiz, der Betroffene bei der Suche nach ihrer Herkunft unterstützt. Dass sich im Verein vor allem Frauen engagieren, liegt daran, dass die grosse Mehrheit der Adoptierten Frauen sind.

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