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JMS wehrt sich gegen Kritik am Ausbau im Engelhölzli

SP und Grüne kritisieren, dass für das «Zentrum für nachhaltige Ressourcenwirtschaft» im Engelhölzli in Rapperswil-Jona mehr Land überbaut werden soll. Die Firma JMS erklärt, wieso Alternativen nicht funktionieren.

Pascal
Büsser
11.05.21 - 04:30 Uhr
Politik
Erweiterung geplant: Beidseits der Autobahn soll im Engelhölzli zusätzliches Wiesland überbaut werden.
Erweiterung geplant: Beidseits der Autobahn soll im Engelhölzli zusätzliches Wiesland überbaut werden.
PRESSEBILD

Als «innovativ» und «nachhaltig» lobte Christian Leutenegger, Bauchef von Rapperswil-Jona, das Projekt bei der öffentlichen Präsentation Anfang Januar. Vier Firmen wollen das Engelhölzli zum «Zentrum für nachhaltige Ressourcenwirtschaft» ausbauen. Ausgerechnet auf links-grüner Seite stossen die Pläne indes nur bedingt auf Begeisterung. Dies zeigte sich in der kürzlich durchgeführten Vernehmlassung zur Eintragung des Projekts im kantonalen Richtplan – dem ersten Planungsschritt.

Unbestritten ist der Ausbau der Biogasanlage. Dieses Projekt verfolgen die Firmen Axpo und Energie Zürichsee Linth (EZL). «Die Erweiterung und Erneuerung der bestehenden Anlage ist sinnvoll, der Standort angemessen», hält etwa die SP Rapperswil-Jona fest. Einwände gibt es seitens SP der Stadt wie auch der Ortspartei Schmerikon-Eschenbach und der Grünen Linth aber gegen die geplanten Neueinzonungen.

Kritik an zusätzlicher Landnutzung

«Die Verbesserung der Infrastruktur für die Sortierung und Wiederverwertung von Abfällen, im Besonderen von Bauabfällen» begrüssen die Grünen Linth «grundsätzlich». Aber: «Ob dafür eine Erweiterung des Siedlungsgebietes im Gebiet Engelhölzli nötig und raumplanerisch rechtens ist, wird bezweifelt.» Die Vermutung liege nahe, dass die Neueinzonungen die billigste Lösung seien. Für eine öffentliche Mitwirkung seien die Unterlagen zu summarisch und zu wenig präzise, kritisieren die Grünen grundsätzlich.

Noch dezidierter äussert sich die SP der Stadt. Sie fordert «die geplanten Einzonungen von heutigem Landwirtschaftsland nördlich und südlich der Autobahn für Rezyklierungsanlagen im Richtplan 21 zu streichen.» Sie seien nicht konform mit der bereits «festgelegten Planungszone Lärm».

Die SP fordert, Standortalternativen vertieft abzuklären. «Mindestens eine der beteiligten Unternehmungen besitzt ungenutzte Parzellen im Industrieareal Buech sowie nicht fest bebaute und bereits eingezonte Industrieflächen im Engelhölzli südlich der Autobahn in der Grösse von 5600 Quadratmetern», schreibt die Partei. Damit meint sie die Johann Müller AG (JMS).

JMS: Mehr Fläche nötig

Die Parzelle im Buech, die ca. 4800 Quadratmeter gross ist, sei für die geplante Anlage zu klein und von der Geometrie her schwierig zu bebauen, sagt die JMS auf Anfrage der «Linth-Zeitung». Die von der SP erwähnte nicht fest bebaute Industriefläche im Engelhölzli, die heute an eine Gerüstbaufirma vermietet ist, sei derweil bereits für die geplante Aushub- und Bodenwäsche miteingeplant. Es brauche aber die zusätzliche Landfläche an gleicher Stelle. «Wir brauchen eine gewisse Fläche», sagt Ueli Jud, Mitglied der Geschäftsleitung der JMS. «Das angelieferte Material kann nicht beliebig in die Höhe geschichtet werden.» Landschaftlich und landwirtschaftlich sei die zusätzliche Einzonung von rund 2500 Quadratmetern Land am Waldrand kein grosser Verlust. Auf die kleine Naturschutzfläche südlich der Parzelle nehme die Firma mittels Pufferstreifen Rücksicht.

«Wir prüfen zudem aktuell Aufwertungsmassnahmen südlich wie nördlich der Autobahn», sagt Jud. Die JMS sei dazu im Gespräch mit Pro Natura St. Gallen-Appenzell sowie Zürcher und St. Galler Behörden. «Solche Ausgleichsmassnahmen sind nichts Neues für uns und werden von diesen Organisationen stets kritisch überprüft.»

Autobahndeckel «nicht realistisch

Komplex scheint die Landnutzungssituation nördlich der Autobahn. Die geplante Vergrösserung der Biogasanlage ist dort räumlich verzahnt mit der projektierten Erweiterung der Karl Rüegg AG (siehe Grafik links). Die JMS hält aktuell laut eigener Aussage eine Minderheitsbeteiligung an der Firma und plant, per 2027 die Nachfolge sicherzustellen. Inwiefern ein Verzicht oder eine Rückstellung des Teilprojekts der Karl Rüegg AG eine Neueinzonung erübrigen würde, ist unklar.

Heutige Situation: Grafik Stadt Rapperswil-Jona.
Heutige Situation: Grafik Stadt Rapperswil-Jona.

Die Grünen schlagen insgesamt vor, einen Autobahndeckel über der A15 zu prüfen. Dies schone die Landschaft, führe die beiden Areale nördlich und südlich der Schnellstrasse zusammen und erlaube gar, einen Wildtierkorridor zu schaffen.

«Natürlich ist die Überdeckung der Autobahn ein toller Ansatz, um ‘Bauland’ zu gewinnen», heisst es seitens JMS. «Aufgrund der Komplexität sowie der enormen Dauer bis zur Umsetzung, ist ein solches Vorhaben jedoch nicht realistisch. Ebenfalls wäre dies mit sehr hohen Kosten zulasten der öffentlichen Hand verbunden.»

Die JMS verweist dazu auf das Beispiel Einhausung Schwamendingen in Zürich, deren Realisierung sich seit 20 Jahren hinzieht und fast eine halbe Milliarde Franken kosten dürfte. Für die geplante Nutzung im Engelhölzli müsste ein Autobahndeckel zudem einer Belastung von rund 25 Tonnen je Quadratmeter standhalten, gibt die JMS zu bedenken.

Die Stadt Rapperswil-Jona sieht die Einzonung als gerechtfertigt an: «Dank einer minimalen Neueinzonung ist der sorgsame Umgang mit Landwirtschaftsland sichergestellt», hielt sie in ihrer Mitteilung Anfang Jahr fest.

Geplante Situation: Grafik Stadt Rapperswil-Jona.
Geplante Situation: Grafik Stadt Rapperswil-Jona.

GLP, Pro Natura und WWF sagen «Ja, aber …»
Die Grünliberalen Linth sowie die Umweltverbände Pro Natura St. Gallen Appenzell und WWF St. Gallen begrüssen die Pläne im Engelhölzli grundsätzlich. Die Produktion von Biogas, das Rezyklieren von Bauschutt und Aushub sowie die Abfallannahmestelle seien von grosser Bedeutung. «Allerdings verschärfen sich durch die Vergrösserung und Neuordnung der Überbauung die negativen Auswirkungen der Arbeitszone auf mehrere angrenzenden Schutzgebiete», schreiben die drei Organisationen – namentlich Fischenriet und Weidriet-Hüllistein. Die negativen Einflüsse wie Änderungen im Wasserhaushalt, Staubentwicklung, Schattenwurf durch Gebäude, Verkleinerung des Lebensraums und Rodung eines Wäldchens müssten minimiert und kompensiert werden. Alle drei stellen den Antrag «im Richtplan verbindlich festzulegen, dass im Rahmen der Projektentwicklung auch ein Aufwertungs- und Entwicklungskonzept für die Schutzgebiete erarbeitet werden muss.» Dieses sei unmittelbar nach der Einzonung durch die Stadt Rapperswil-Jona und die Grundeigentümer umzusetzen.
SP befürchtet Mehrverkehr durch Dörfer
Nicht nur die geplanten Neueinzonungen im Engelhölzli rufen teils Kritik hervor. Einwände gibt es seitens SP auch wegen des zu erwartenden Mehrverkehrs durch die geplanten Recyclinganlagen. Zwar sei die Anlieferung der zu rezyklierenden Materialien wenig problematisch, da die Anlagen im Engelhölzli am Autobahnanschluss A15 liegen. Aber: «Der Restbauschutt aus einer Rezyklierungsanlage muss in einer Deponie gelagert werden», schreibt die SP Rapperswil-Jona. Es gebe in der Nähe des Engelhölzli keine solche Deponie, monieren die Sozialdemokraten. «Wir fordern, dass erst Deponiestandorte in der Region in Betrieb sind, bevor das Siedlungsgebiet Engelhölzli tatsächlich für solche Nutzungen erweitert wird», hält die SP der Stadt fest.
Die SP Schmerikon-Eschenbach fordert derweil: «Bevor eine Recyclinganlage bewilligt werden kann, braucht es zwingend ein Verkehrskonzept, das auf eine Minimierung der Fahrten hinsteuert.» Sie befürchtet Mehrverkehr auf Nebenstrassen und in Dörfern der Region. Die Johann Müller AG (JMS) bestätigt, dass es für leicht belastetes Material aktuell keine Deponie in der Region gibt. Dieses sogenannte B-Material könne aktuell im Raum St. Gallen und Frauenfeld deponiert werden. Für B-Material-Deponien im Linthgebiet gibt es aber Projekte. Konkret läuft eine Planung der JMS für das Gebiet Sonnenfeld im Eschenbacher Ortsteil Ermenswil (die «Linth-Zeitung» berichtete mehrfach). Mit dem Richtplan 2021 soll zudem die Deponie St. Dionys bei der Autobahnausfahrt A15-Jona festgesetzt werden. Hinter diesem Projekt steht die Firma Hagedorn. «Zum heutigen Zeitpunkt kann nicht gesagt werden, welche Deponie für B-Material zum gegebenen Zeitpunkt in Betrieb sein wird», heisst es seitens JMS.
Bis eine Deponie in Betrieb gehen kann, sind mehrere Planungshürden zu überwinden. Tatsache ist indes, dass die Planung beim Ermenswiler Sonnenfeld schon deutlich weiter gediehen ist als jene für eine Deponie im Gebiet St. Dionys, das via A15 direkt mit dem Engelhölzli verbunden ist. Die kürzesten Wege vom Engelhölzli ins Sonnenfeld führen derweil über Rüti oder die Joner Tägernau und Ermenswil.
Während B-Deponien aktuell in der Region fehlen, gibt es für unverschmutztes Material verschiedene Deponiemöglichkeiten. Dieses A-Material kann genutzt werden, um Kiesabbaustellen wieder aufzufüllen. Die JMS selber besitzt mehrere solche Abbaustellen im Linthgebiet. Die nächstgelegene zum Engelhölzli ist wiederum das Sonnenfeld in Ermenswil. Für den zu erwartenden Mehrverkehr werde im Rahmen des weiteren Bewilligungsprozesses ein Gutachten erstellt, erklärt Ueli Jud, Mitglied der Geschäftsleitung bei der JMS. Ein erster Entwurf liege intern vor. «Wir wissen jetzt schon, dass der Mehrverkehr nicht von Relevanz sein wird», sagt er.
Sicher sei, dass im Engelhölzli nur Material des rechten Zürichseeufers verarbeitet werde. Das linke Ufer werde mit der geplanten Aufbereitungsanlage in der Grynau bei Uznach abgedeckt. «Wir investieren doppelt, um Fahrten zu minimieren», sagt Jud. Das sei ökologisch sinnvoll und rechne sich auch wirtschaftlich. «Wir haben kein Interesse an unnötig vielen und langen Fahrten.» Die JMS geht davon aus, dass bei der von ihr betriebenen Aushub- und Bodenwäsche rund 70 Prozent des dereinst ins Engelhölzli gelieferten Materials der Wiederverwertung zugeführt werden können. Rund 30 Prozent seien unbrauchbar und müssten deponiert werden. Gerade die in Rapperswil-Jona häufige Seekreide sei nicht verwertbar und müsse stets deponiert werden, erklärt Jud. Ohne Rezyklierung landeten 100 Prozent des Aushubs auf Deponien, gibt er zu bedenken. Kein Deponiematerial ist derweil gemäss JMS aus der geplanten Aufbereitungsanlage für Misch- und Betonabbruch sowie Bauabfälle zu erwarten, welche die Karl Rüegg AG auf der nördlichen Seite der Autobahn plant. Neben dem zu rezyklierenden Baustoff würden dort metallische Abfälle anfallen, die der Wiederverwertung zugeführt werden können. Ebenso blieben aus dem Abbruchmaterial Kunststoffabfälle und anderes brennbares Material übrig. Dieses ende in der Kehrichtverbrennung – in Niederurnen oder in Hinwil. (pb)

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