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Frei von Blei ist auch der Bündner Boden nicht

Aktuell wird vermehrt über Blei in Böden berichtet. Ärztinnen und Ärzte fordern vom Bund nun sogar, die Grenzwerte tiefer anzusetzen. In Graubünden ist die Lage eher entspannt.

Südostschweiz
17.04.21 - 04:30 Uhr
Politik
In Graubünden sind die Bleiwerte in Grünanlagen um einiges tiefer als die gesetzlichen Vorgaben es bestimmen.
In Graubünden sind die Bleiwerte in Grünanlagen um einiges tiefer als die gesetzlichen Vorgaben es bestimmen.
SYMBOLBILD UNSPLASH

Laut einer Schätzung der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz (AEFU) sind Tausende Schweizer Gärten, Spielplätze sowie Grünanlagen massiv mit Blei verseucht und können so beispielsweise negativen Einfluss auf die Gehirnentwicklung von Kleinkindern nehmen. Die AEFU fordern vom Bundesrat darum, zu handeln und den gesetzlichen Blei-Grenzwert in Böden zu senken. Wie aber sieht die Situation im Kanton Graubünden aus?

Kein Grund zur Sorge

Laut den aktuellen Bestimmungen liegt die momentane Limite bei 1000 Milligramm Blei pro Kilogramm Erde, vorgesehen ist seitens Bundesrat zurzeit eine Senkung auf 300 mg/kg. Erreicht nun beispielsweise der Boden einer Grünanlage die Limite, so muss dieser saniert werden.

In Graubünden hätte sich die Bleibelastung in Böden in den letzten Jahren weit unter diesen Vorgaben bewegt, sagt Christian Marchesi vom kantonalen Amt Natur und Umwelt im Interview mit Radio Südostschweiz. «Aufgrund der Erkenntnisse, die wir sammeln konnten und wegen aktueller Befunde infolge verschiedener Bauvorhaben kann man mit gutem Gewissen sagen, dass wir kein Bleiproblem haben.»

Grund zur Sorge gibt es also nicht. Und auch dass etwa Kinder gesundheitliche Schäden vom Blei von sich tragen, kann in Graubünden ausgeschlossen werden, wie Marchesi weiter erklärt. Es gebe verschiedene Angaben zu den Grenzwerten, die eingehalten werden sollten, um gesundheitliche Folgen zu vermeiden. «AEFU sprechen beispielsweise von 83 mg/kg. Im Kanton Graubünden haben wir in Grünanlagen, wo auch Kinder spielen, Konzentrationen von 25 mg/kg und in Hobbygärten von etwa 50 bis 60 mg/kg gemessen.» Es gebe zwar auch Ausnahmen, diese würden aber dementsprechend beseitigt werden, so Marchesi.

Blei von früher …

Der Bleigehalt der Gärten ist meist auf die frühere Bewirtschaftung zurückzuführen. «Oft haben die Menschen Kompost als Dünger gebraucht. Das macht man heute zwar auch noch, nur wissen wir heute wohl eher, was in den Kompost gehört und was nicht», sagt Marchesi. Früher seien nämlich auch Materialien im Kompost gelandet, die eigentlich in den Haushaltkehricht gehört hätten. «Das führte schon im Kompost zu Schadstoffbelastungen», ergänzt Marchesi. Nebst dem unreinen Kompost solle auch Asche zum Düngen des Gartens genutzt worden sein. Diese sei auch bleihaltig gewesen und habe beispielsweise Partikel von mit Bleiweiss gefärbtem Holz beinhaltet.

Bleiweiss
Bleiweiss ist ein basisches Bleicarbonat und seit dem Altertum ein bedeutendes Weisspigment. Das Pigment weisst eine hohe Deckkraft auf und das Aufhellungsvermögen gilt als sehr gut. In der Antike und im Mittelalter war es in der Schminke zur Aufhellung enthalten. Zudem galt es bis ins 19. Jahrhundert als wichtigstes Weisspigment für Malerinnen und Maler. In verschiedene Gemälde lässt es sich heute noch nachweisen. Dass das Pigment hochgiftig wirkt, war schon in der Antike bekannt. Heute ist die Verwendung von Bleiweiss grundsätzlich verboten. Nur für Restaurierungszwecke darf es noch verwendet werden und wird daher unter strengen Auflagen verkauft, wie es in einer Mitteilung heisst.

… wird heute überprüft

Heutzutage erhalte man Erkenntnisse zum Bleigehalt in Böden, meist infolge von Bauvorhaben. Marchesi erklärt: «Dann überprüft man nämlich, ob die entsprechenden Grenzwerte auf dem Grundstück überschritten werden und Massnahmen erfolgen müssen oder ob der Boden so genutzt werden kann.»

Wie Marchesi sagt, nehmen bleibelastete Bodenflächen tendenziell ab. Dass in naher Zukunft gar kein Blei mehr in Bündner Böden nachgewiesen werden könne, sei jedoch eher unwahrscheinlich. Dafür müssten in den nächsten 50 Jahren alle betroffenen Standorte saniert werden, wofür wiederum flächendeckende Erkenntnisse nötig wären, erklärt der Experte weiter. Hinzu komme, dass die Forschung immer eine Art Wunderkiste sei und durchaus die Möglichkeit bestehe, dass in Zukunft neue Umweltbelastungen festgestellt werden, so Marchesi abschliessend. (han/paa)

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