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Trump muss Verurteilung im Amtsenthebungsverfahren fürchten

Eine Woche nach der Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger muss US-Präsident Donald Trump eine Verurteilung in einem Amtsenthebungsverfahren im Senat fürchten.

Agentur
sda
13.01.21 - 20:57 Uhr
Politik
Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, trifft in der Kammer des Repräsentantenhauses im Kapitol ein. Die Demokraten im Repräsentantenhaus treiben die Eröffnung eines zweiten Amtsenthebungsverfahrens gegen den abgewählten Präsidenten voran…
Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, trifft in der Kammer des Repräsentantenhauses im Kapitol ein. Die Demokraten im Repräsentantenhaus treiben die Eröffnung eines zweiten Amtsenthebungsverfahrens gegen den abgewählten Präsidenten voran…
Keystone/AP/J. Scott Applewhite

Das von den Demokraten dominierte Repräsentantenhaus wollte noch am Mittwoch (Ortszeit) die Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens beschliessen, in dem Trump wegen «Anstiftung zum Aufruhr» angeklagt werden soll. Das Verfahren selber findet dann im Senat statt. Ein Beschluss in dieser Kammer dürfte aller Voraussicht nach erst nach der Vereidigung des neuen Präsidenten Joe Biden am kommenden Mittwoch erfolgen.

Bei der Sitzung im Repräsentantenhaus bezeichnete die Vorsitzende Nancy Pelosi Trump als eine «Gefahr für das Land». Der Republikaner habe «inländische Terroristen» angestachelt, um sich gegen seine Wahlniederlage zu wehren, sagte sie. «Sie sind nicht aus einem Vakuum gekommen.» Trump habe sich der «Anstiftung zum Aufruhr» schuldig gemacht. Dafür müsse er zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch der Minderheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, sagte: «Der Präsident ist nicht ohne Schuld. Der Präsident trägt Verantwortung für den Angriff auf den Kongress vom Mittwoch durch einen aufrührerischen Mob.» Es sei aber falsch, ihn deswegen in den letzten Tagen seiner Amtszeit mit einem beschleunigten Verfahren des Amtes zu entheben. Eine Amtsenthebung des Republikaners würde die politische Spaltung des Landes weiter verstärken, warnte er.

Eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zur Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens galt als sicher. Auch einzelne Republikaner kündigten an, dafür zu stimmen, ihren Parteikollegen aus dem Amt zu entfernen. Trumps Amtszeit wird am 20. Januar mit Bidens Vereidigung automatisch enden. Das Verfahren dürfte bis dahin nicht abgeschlossen sein. Den Demokraten im Kongress geht es bei dem Impeachment aber auch darum, Trump für künftige Regierungsämter zu sperren. Damit würde ihm eine etwaige Präsidentschaftskandidatur 2024 verwehrt.

Das Verfahren - das einem Gerichtsprozess ähnelt - wird im Senat geführt, der erst am 19. Januar zu seiner nächsten Sitzung zusammenkommt. In dieser Kammer wäre eine Zweidrittel-Mehrheit nötig, um Trump zu verurteilen. Dafür müssten sich weit mehr als ein Dutzend republikanische Senatoren auf die Seite der Demokraten schlagen. Einzelne Republikaner im Senat haben sich offen gegen Trump gestellt, aber bisher kein Ja zum Impeachment zugesagt.

Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff, sagte dem Sender CNN, es könne womöglich ein politisches «Erdbeben» im Senat geben, das zur Mehrheit für ein Impeachment führen könnte. Schiff bezog sich auf einen Bericht der «New York Times», wonach der führende Republikaner im Senat, Mitch McConnell, intern erkennen liess, dass er die Absetzung für gerechtfertigt halte. Unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen aus McConnells Umfeld schrieb die Zeitung, dieser sei froh, dass die Demokraten ein Impeachment-Verfahren angestossen hätten. Das könne es seiner Partei erleichtern, sich von Trump loszusagen.

Trump wird damit wohl der erste US-Präsident in der Geschichte, gegen den gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eröffnet wurden. In einem ersten Verfahren hatte er sich in der sogenannten Ukraine-Affäre unter anderem wegen Machtmissbrauchs verantworten müssen. Schliesslich wurde er aber im republikanisch dominierten Senat freigesprochen.

Trump rief vor möglichen neuen Protesten bei der Vereidigung Bidens zur Gewaltfreiheit auf. «Angesichts der Berichte über weitere Demonstrationen fordere ich, dass es keine Gewalt, keine Gesetzesverstösse und keinen Vandalismus jeglicher Art geben darf», hiess es in einer vom Weissen Haus ausgesandten Mitteilung. «Dafür stehe ich nicht und dafür steht Amerika nicht. Ich fordere alle Amerikaner auf, Spannungen abzubauen und die Gemüter zu beruhigen.»

Die Bundespolizei FBI hat Medienberichten zufolge davor gewarnt, dass es rund um die Vereidigung des Demokraten zu neuen gewaltsamen Protesten kommen könnte. Bis zur Amtseinführung Bidens am Kapitol sollen bis zu 15 000 Soldaten der Nationalgarde eingesetzt werden, um die übrigen Sicherheitskräfte zu unterstützen.

Die Demokraten hatten diese Woche auch versucht, Trumps sofortige Absetzung über einen Zusatzartikel der Verfassung zu erreichen. Artikel 25 erlaubt es, den Präsidenten für unfähig zu erklären, «die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben». Vizepräsident Mike Pence, der dies gemeinsam mit Mitgliedern des Kabinetts hätte anstossen müssen, lehnte einen solchen Schritt am Dienstagabend (Ortszeit) aber offiziell ab. Pence erklärte, ein solches Vorgehen sei weder im Interesse der Nation noch im Einklang mit der Verfassung und würde einen «schrecklichen Präzedenzfall» schaffen.

In einer aussergewöhnlichen politischen Stellungnahme verurteilte der Generalstab der US-Streitkräfte die Erstürmung des Kapitols. «Die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht geben niemandem das Recht zu Gewalt, Aufruhr und Aufstand», schrieben US-Generalstabschef Mark Milley und seine Kollegen aus der US-Militärführung gemeinsam. Jeder Akt, der sich gegen die verfassungsrechtlichen Abläufe richte, sei «nicht nur gegen unsere Traditionen, Werte, und unseren Eid - es ist gegen das Gesetz». Der Generalstab erinnerte das Militär daran, dass es dem Gesetz verpflichtet sei und die Verfassung verteidige.

Trump hatte seine Anhänger bei einer Kundgebung am Mittwoch vergangener Woche damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Aufgebrachte Trump-Anhänger drangen daraufhin während einer Sitzung des Kongresses ins Kapitol ein und richteten dort Chaos und Zerstörung an. Fünf Menschen kamen ums Leben, darunter ein Polizist. Der beispiellose Gewaltausbruch im politischen Zentrum der USA löste weltweit Schockwellen aus.

Trump kritisiert am Dienstag, das Amtsenthebungsverfahren sei Fortsetzung einer politischen «Hexenjagd». Mit Blick auf seine Rede unmittelbar vor dem Gewaltausbruch sagte er: «Sie wurde analysiert, und die Leute fanden, dass das, was ich gesagt habe, völlig angemessen war.»

Am Dienstag hatten auch einzelne republikanische Abgeordnete angekündigt, für eine Amtsenthebung zu stimmen. Unter ihnen: die hochrangige republikanische Abgeordnete Liz Cheney, Tochter des früheren US-Vizepräsidenten Dick Cheney. Trump habe den «Mob», der das Kapitol stürmte, zusammengetrommelt und die Attacke ausgelöst, erklärte sie. Nie habe es einen «grösseren Verrat» eines Präsidenten an seinem Amt und an seinem Eid auf die Verfassung gegeben.

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