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PUK-Bericht: «Unrechtmässiger Eingriff in die persönliche Freiheit»

Die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) äussert sich zu den Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit dem Baukartell-Whistleblower Adam Quadroni. Sie kommt zum Schluss: Vereinzelte Einsätze hätten womöglich gar nie so stattfinden dürfen und waren zudem unverhältnismässig. Die Hintergründe.

26.11.19 - 15:57 Uhr
Politik

Ein unkooperativer Polizeikommandant, fehlende oder lückenhafte Rapportierungen und eine mangelhafte Führungsverantwortung: Die Mitglieder der ersten parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) des Kantons Graubünden wählten am Dienstag an der Pressekonferenz im Churer Grossratsgebäude eine deutliche Sprache. Mit den Polizeieinsätzen wurde teils unrechtmässig und unverhältnismässig in Adam Quadronis persönliche Freiheit eingegriffen.

Aber der Reihe nach

Adam Quadroni ist der Mann, der den Bündner Baukartellskandal ins Rollen gebracht hat. Jahrelang nimmt Quadroni selbst mit seiner Firma an Sitzungen teil, an denen Aufträge unter den Kartellteilnehmern vergeben werden. Als Quadroni aussteigt und das Kartell auffliegen lässt, beginnen sich wirtschaftliche und familiäre Probleme zuzuspitzen.

Infolge der angespannten familiären Situation kommt es zwischen Dezember 2016 und Dezember 2017 zu drei Polizeieinsätzen der Kantonspolizei Graubünden. 

Diese drei Einsätze waren Gegenstand des 270 Seiten starken Teilberichts der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), der anlässlich einer Pressekonferenz im Churer Grossratssaal vorgestellt wurde.

Kaum Dokumentation, keine Überprüfung

«Die PUK hat in ihrem Bericht Mängel festgestellt. Konkret wurden Einsätze oder Rücksprachen lückenhaft, verspätet oder gar nicht rapportiert. Zudem stellten wir Mängel in der Führungsverantwortung fest. So wurden Informationen, die weitgehend von einem Polizisten erstellt wurden, nicht weiter überprüft und als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen verwendet», sagte PUK-Mitglied Walter Grass. 

Im Brennpunkt stand der Einsatz von Mitte Juni 2017, für den die Gefahr eines angeblichen Suizids oder eines erweiterten Suizids der Grund war. Quadroni wurde von Polizeigrenadieren überwältigt, gefesselt und mit verbundenen Augen in eine psychiatrische Klinik gebracht. Über den Grad der dabei angewandten Gewalt gehen die Meinungen der Akteure auseinander. Involviert in diesen Einsatz waren neben der Kantonspolizei im Vorfeld die Kesb, der Bezirksarzt und der Sozialdienst. 

Grundlage für diesen Polizeieinsatz war eine Risikobeurteilung eines einzelnen Polizisten, der Quadroni als gewalttätige und hochgefährliche Person einstufte. Für diese Beurteilung war der Polizist allerdings weder qualifiziert noch befugt, und die nächsthöhere Führungsebene winkte die Angaben ohne jegliche Kontrolle durch. 

Es wäre anders gekommen

«Die PUK geht davon aus, dass wenn die Kontrollen funktioniert hätten, der Fall anders hätte abgewickelt werden können», ergänzte Walter Grass. Schliesslich fand die Kommission keine Beweise für eine Gewalttätigkeit von Quadroni. Die Risikobeurteilung des Postenchefs vor Ort war Grundlage für die weiteren Einsätze, die mit einer geprüften Risikobeurteilung anders oder allenfalls gar nicht stattgefunden hätten. 

Mit Betrachtung dieser Umstände kommt die Untersuchungskommission zum Schluss, dass die Polizei teilweise «unrechtmässig und unverhältnismässig in die persönliche Freiheit von Adam Quadroni eingegriffen hat», sagte PUK-Vizepräsidentin Beatrice Baselgia.

Bei all der Kritik gibt der Bericht in einem wichtigen Punkt Entwarnung. Die PUK fand keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitglieder des Baukartells die Behörden im Vorgehen gegen Quadroni instrumentalisiert hätten.

Polizeikommandant in der Kritik

Walter Schlegel, dem Kommandanten der Kantonspolizei Graubünden, wirft die PUK vor, die Gesamtführungsverantwortung zu wenig wahrgenommen zu haben. Er habe sich ungenügend und unkritisch mit dem Umgang der Kantonspolizei mit Quadroni auseinandergesetzt. Mit Erstaunen habe die PUK festgestellt, dass sich der Kommandant nicht eingehend mit dem Fall befasst habe, hiess es am Dienstag an der Medienorientierung in Chur.

Walter Grass von der PUK sagt weiter, dass «der unbefriedigende Eindruck entstanden ist, dem Kommandanten widerstrebe eine aktive Unterstützung der Untersuchung. Das ist angesichts der Tragweite der Vorgänge unverständlich».

Im Zusammenhang mit der Verhaftung steht aber nicht nur die Polizei in der Kritik. Der Bezirksarzt war nach Meinung der Kommission nicht mehr in der Lage, eine unbefangene und unabhängige Beurteilung vorzunehmen. Die Kesb wird kritisiert, weil sie trotz wiederholten Einbezugs zu keinem Zeitpunkt ein formelles Verfahren über die Familie Quadroni eröffnet hatte.

Bedrohungsmanagement einführen

Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse macht die PUK am Schluss eine Reihe von Vorschlägen und Empfehlungen. Angeregt wird die Einführung eines kantonalen Bedrohungsmanagements, weitere Themen betreffen die Dokumentation des Handelns in der Verwaltung und die Führungsverantwortung bei der Kantonspolizei.

Gegenüber Radio Südostschweiz erläuterte Walter Grass das weitere Vorgehen: «In erster Linie ist die Regierung dazu aufgefordert, die Empfehlungen umzusetzen. In der Dezembersession wird der Bericht weiter dem Grossen Rat des Kantons Graubünden vorgelegt.» 

Bereits am Mittwoch geht es in der Thematik weiter. Die Bündner Kantonsregierung kündigte eine Medienorientierung an, an der die Untersuchungsresultate eines externen Fachmanns zu den Ereignissen rund um Adam Quadroni präsentiert werden. Inhaltlich handelt es sich um eine vergleichbare Untersuchung zum soeben vorgestellten PUK-Bericht. Die morgige Untersuchung wurde aber von der Kantonsregierung und nicht vom Parlament in Auftrag gegeben.

Die Arbeit der fünfköpfigen und ersten Bündner PUK überhaupt ist mit der Publikation des ersten Teilberichts nicht beendet. Sie wird später im Zusammenhang mit den Kartellabsprachen berichten, wie sich die Amtsstellen und Verantwortlichen im Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement verhalten haben. Wann diese Arbeit abgeschlossen sein wird, steht noch nicht fest. (bae/sda)

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Ich finde das eine Sauerei,was mit diesem Herrn Quadroni passiert ist in Graubünden.Da wird über Jahre der Steuerzahler beschissen und da geht man auf den Aufklärer los.Auch der übermässige Einsatz der Polizei gibt zu denken.Sind wir in der Schweiz, bald soweit wie Verhältnisse in Südamerika .usw.

Der PUK sei gedankt, dass Sie korrekt und schonungslos Mängel bei der Kapo aufgedeckt hat. Nun stellt sich aber die Frage nach fälligen Konsequenzen. Der unkooperative Polizeikommandant muss sofort freigestellt werden. Was meint der eigentlich, er sei ein unantastbarer König? In einer Untersuchung des Kantons hat er als Angestellter des Kantons mitzuwirken und nicht die Aussage zu verweigern. Nichts anderes erwartet die Polizei auch, wenn sie Vernehmungen durchführt. Diese Aussageverweigerung ist eine bodenlose Frechheit und lässt erahnen, dass er in dieser Angelegenheit Dreck am Stecken hat. Darum sind hier Konsequenzen unausweichlich. Doch auch bei seinen Vorgesetzten muss der Hebel angesetzt werden. Wie kann es sein, dass diese dem unantastbaren König einfach freie Hand lassen und nicht eingreifen? Auch dass Rapportierungen fehlen ist ein Armutszeugnis sondergleichen für die Polizei. Die Polizei erwartet vom Bürger rechtskonformes Verhalten. Genau das erwartet der Bürger auch von der Polizei. Rapportieren gehört zu einer Pflichttätigkeit jedes Polizisten. Ich bin mir fast sicher, dass der Polizei immer bewusst war, dass sie gegen Quadroni nicht korrekt vorgeht, darum hat sie auch nichts rapportiert. Denn so kann man ihr schlecht einen Beweis für ein falsches Verhalten nachweisen. Ein abgekartetes Spiel bei der Polizei. Dieser Saustall gehört endlich mal aufgeräumt. Anstatt die Bürger ständig mit Geschwindigkeitskontrollen zu drangsalieren, soll sie lieber zuerst vor ihrer Haustüre wischen und ihre Hausaufgaben machen. Ich habe so einen Hals!

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