Quilten mit Herz: Eine Churerin mit besonderem Hobby
Ein Besuch im hauseigenen Quiltatelier von Tina Fasciati: Eine Oase der Kreativität und Handwerkskunst
Ein Besuch im hauseigenen Quiltatelier von Tina Fasciati: Eine Oase der Kreativität und Handwerkskunst
von Jasmin Klucker
Hier oben hat man eine wunderschöne Aussicht über die ganze Stadt Chur. Hinter viel Beton verbirgt sich jedoch mehr als nur ein Haus für eine sechsköpfige Familie. Die aufgeschlossene 48-jährige Tina Fasciati hat sich in den eigenen vier Wänden einen Traum erfüllt: eine eigene Oase, in der ihre Leidenschaft fürs Quilten eine Traditionelle Nähtechnik, einen Platz gefunden hat.
Hier dürfen Stoffe liegen bleiben und Nadeln auf unzähligen Nadelkissen darauf warten, weiter verwendet zu werden. Es ist ein Ort, an dem sie sich voll und ganz ihrer Leidenschaft widmen kann. Sie hofft darauf, dass sich nach der Veranstaltung «Quilting in Public» vom vergangenen Samstag mehr Menschen treffen, um gemeinsam zu Quilten. «Es würde mich riesig freuen, meine Leidenschaft in Zukunft mit anderen teilen zu können.»
Ihr Wissen ist gross; vieles hat sie schon als Kind von ihrer Mutter gelernt, gemeinsam haben sie die ganzen Ferien lang gequiltet. Schon damals wusste sie, dass diese Arbeit sie nie mehr loslassen würde.
30 mittelgrosse bis grosse Kunstwerke
In den Jahren danach wurde die Zeit knapper, die Kinder kamen zur Welt und die Familie stand im Mittelpunkt. Doch auch mit dem Baby auf dem Arm gelang es ihr, sich selbst neue Dinge beizubringen. Ihr Hunger, neue Formen und Stiche zu erlernen, war riesig.
So hat Tina Fasciati ihr gesamtes Wissen mit unzähligen Videos und Büchern selbst erlernt. Bis heute zieren 30 mittelgrosse bis grosse Kunstwerke aus Stoff ihr Zuhause. Dazu kommen unzählige kleine Projekte wie Kissenbezüge, Bücherkissen, Tischläufer, Taschen und Miniquilts. «Irgendwie findet man immer wieder eine neue Nähanleitung, die man ausprobieren möchte.»
Neben ihr liegen unzählige Stoffe, die bereits zugeschnitten sind. «Ursprünglich wurden nur Stoffreste für Quilts verwendet, dies hat sich im Laufe der Jahre jedoch geändert.» Doch auch in ihren Regalen schlummern alte Stoffe, die eine Geschichte erzählen. Viele weisse und blaue Hemden ihres Mannes sind darunter. Mit diesen hat sie bereits mehrereQuilts fertiggestellt, von denen einer draussen im Gang einen Platz gefunden hat, die vielen zusammengenähten Patchworkteile fein säuberlich aneinandergereiht. Mit viel Liebe zum Detail verschmelzen die Stoffe, obwohl jeder einen anderen Farbton hat, wunderbar ineinander. «Es werden immer mehr Quilts; verkaufen kann man sie aber kaum, da Material und Zeit das Produkt zu teuer machen würden.» So werden sie selbst gebraucht. Die vierfache Mutter hat jedoch schon unzählige Ideen, wie sie mit anderen Quiltbegeisterten Bedürftige unterstützen könnte, sei es als Decke über den Knien für Rollstuhlfahrer oder Babydecken, die die Kleinen wärmen und ihnen Freude ins Gesicht zaubern.
«Einfach geradeaus»
Eine solche Decke holt sie aus einem Stapel Quilts hervor. «Es ist eigentlich ganz einfach», sagt sie. «Das sind alles ganz simple Stiche, meistens näht man einfach geradeaus.» Auf den Stoffdreiecken sind lustige Figuren abgebildet, daneben Tiere, die auf einer Wiese weiden. Ein solcher Quilt kann nicht nur als Decke verwendet werden, die Kinder können darauf die Muster und Farben entdecken.
Tina Fasciati erzählt von den Ferien, die sie letztes Jahr gemeinsam mit ihrer Mutter unternommen hat. Es waren Quiltferien in Amerika, dort wo das Handwerk schon früh einen grossen Stellenwert hatte; die Amische Bewegung hat diese Kunst bekannt gemacht. Sie holt aus ihrem grossen Bücherregal ein Buch hervor, in dem ein Foto abgebildet ist, auf dem unzählige ältere Frauen in traditioneller Kleidung zu sehen sind, die alle um einen Tisch stehen und am gleichen Quilt nähen. Und das alles von Hand. «In den Ferien haben wir Märkte, Ausstellungen, Stoffläden und Lesungen von Frauen besucht, die in dieser Szene bekannt sind.» Doch bei einem Buch ist es nicht geblieben; sie holt aus einer Schublade ein Stoffpaket hervor, jeder Stoff bereits zugeschnitten, gewellte Ecken zieren ihn, die Muster perfekt aufeinander abgestimmt. «Solch wunderbar aufeinander abgestimmte Stoffe kann man in diesen Läden kaufen», erzählt Tina Fasciati mit einem breiten Lächeln im Gesicht. «Wann fängst du mit diesen Stoffen an?». «Dieses Projekt darf noch ein wenig warten, vorher müssen noch andere beendet werden.» Neben der grossen Bernina-Nähmaschine, die deutlich grösser ist als diejenige, die wir wahrscheinlich vom Handarbeitskurs kennen, liegt bereits ein Quilt, der darauf wartet, fertiggestellt zu werden. «Bei einer solchen Deckengrösse ist es viel einfacher, mit dieser Quiltmaschine zu arbeiten. Sie hat einen viel grösseren Durchlass als eine normale Haushaltsmaschine und man muss beim Quilten viel weniger mit dem Stoff «kämpfen», erklärt die Künstlerin.
Doch längst nicht alles näht sie mit dieser Maschine; immer wieder gibt es Projekte, und Arbeitsschritte die sie von Hand näht. Gerade ist sie dabei, einen fast fertigen Quilt von Hand zu säumen. Das macht sie immer so; so wird er schön gleichmässig, und sie kann die letzten Stunden damit geniessen, bis sie ein fertiges Kunstwerk in den Händen hält.
Stoffe werden zu Geschichten
Woraus besteht ein solcher Quilt überhaupt? «Ein Quilt ist ein mehrschichtiges Textil, das traditionell aus zwei oder mehr Lagen Stoff oder Fasern besteht. In der Regel werden drei Lagen, einschliesslich einer Füllung, verwendet. Diese Lagen umfassen traditionell ein Quilt-Top (die Vorderseite), eine Schicht aus Vlies oder Wattierung und eine Rückseite (Backing), die mit Steppstichen (von Hand oder mit einer Nähmaschine) zusammengehalten werden. Dabei werden die drei Lagen auf der Vorderseite des Stoffes mit Steppstichen verbunden und nicht nur an den Rändern vernäht, um den Stoff zu verstärken. Stepp- oder Quiltmuster können ein dekoratives Element sein. Für das Quilt-Top kann ein einziges Stück Stoff verwendet werden (sogenannter «Whole-Cloth Quilt»), aber meistens besteht das Quilt-Top aus kleineren zusammengenähten Stoffstücken, einem Patchwork. Das Muster und die Farbe der einzelnen Stoffstücke ergeben das Patchworkdesign. Bei einem solchen Design sind einem keine Grenzen gesetzt», lacht Tina Fasciati. «Das beste Beispiel dafür ist meine erste Arbeit; dort habe ich meine Startnummern vom Engadiner Ski-Marathon der letzten zehn Jahre genommen und eine Decke daraus gemacht.» Stoffe werden zu Geschichten oder andersherum. Leider gibt es heute keine Stoff-Startnummern mehr, also wird es bei dieser Decke bleiben. In Zukunft wünscht sich die leidenschaftliche junge Frau, dass sie ihr Wissen und die Liebe zum Quilten in Kursen weitergeben kann. «Bei mir sind alle willkommen; ich habe sogar einfache Maschinen, die für Kinder geeignet sind.» Der Beweis: ein kleines Deckchen für den Plüschhasen ihrer Tochter, das die Tochter im Alter von fünf Jahren selbst genäht hat. Tina Fasciati ist stolz darauf; das sieht man ihr deutlich an.
Auch in Zukunft werden hinter diesen Betonmauern oberhalb von Chur farbenfrohe Kunstwerke entstehen, die alle ihre eigene Geschichte erzählen.
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Bereits Abonnent? Dann schnell einloggen.