Verhexen mit Charme
Samira aus Davos tritt an der Khur Pride als Dragqueen auf und kann so ihr Hobby erstmals in ihrem Heimatkanton ausleben.
Samira aus Davos tritt an der Khur Pride als Dragqueen auf und kann so ihr Hobby erstmals in ihrem Heimatkanton ausleben.
Von Andri Dürst
Anfangs habe sie gezweifelt, ob sie die Anfrage, an der «Khur Pride» aufzutreten, wirklich annehmen wolle, blickt Samira zurück. Denn das Verhältnis zu ihrem Heimatkanton Graubünden sei nicht gerade einfach, meint die 25-Jährige. «Nic von der «Khur Pride» meinte aber, dass er gerne Bündner Acts mit dabei hätte. Definitiv überzeugte er mich dann, als er meinte: ‹Stell dir vor, du wärst noch ganz jung und im Publikum, dann wärst du sicherlich auch froh, andere queere Menschen aus der Region auf der Bühne zu sehen›.»
Bisexuell – nicht alle verstehen das
Aufgewachsen ist Samira in Davos. Ein Ort, der nicht gerade für eine queere Gesellschaft bekannt ist. «In meiner Jugendzeit habe ich mich deshalb auch nie richtig wohlgefühlt», blickt sie zurück. In diese Zeit fällt auch der erste Berührungspunkt mit dem Thema Queer. «In der Schule ging auf einmal das Gerücht herum, dass ich lesbisch sei. Als mich eine Schulkameradin darauf ansprach, war ich im ersten Moment baff – denn wirklich intensiv hatte ich mir dazu noch keine Gedanken gemacht.» Sie merkte mit der Zeit dann, dass sie bei Begegnungen mit hübschen Männern und Frauen gleichermassen ein Kribbeln hatte. «Irgendwann stiess ich dann auf den Begriff «Bisexuell». Als ich mich mehr damit beschäftigte, konnte ich mich sehr gut damit identifizieren und merkte, dass ich bei Weitem nicht alleine bin.» Im Umfeld aber sei sie aber auch auf Unverständnis gestossen. «Einige Leute verstanden nicht, wieso man zwei Geschlechter anziehend finden kann», erinnert sich Samira. Im Grossen und Ganzen hätten aber die ersten Menschen, bei denen sie sich outete, positiv reagiert.
So richtig wohl fühlte sie sich aber erst, als sie nach der Lehre in den Kanton Zürich zog. «Dort konnte ich von null auf neu starten – dort ist auch alles anonymer.» Mittlerweile hat sie viele queere Menschen in ihrem Freundeskreis – «ein kunterbunter Haufen», wie sie sagt. «Dort fühle ich mich auch wirklich frei und akzeptiert.» Mittlerweile bezeichnet sie sich auch eher als pansexuell statt bisexuell. «Der Unterschied besteht darin, dass die geschlechtliche Identität der Person, von der man sich angezogen fühlt, keine Rolle spielt.» Trotz vieler neuer Freiheiten: Auch in der scheinbar gesellschaftsliberalen Limmatstadt erlebte Samira schon queerfeindliche Äusserungen. So etwa an ihrem Arbeitsplatz, als eine junge Kundin nach einem Gespräch mit ihr plötzlich allen queeren Menschen den Tod wünschte.
Umso wichtiger findet Samira darum, dass es eine Veranstaltung wie die «Khur Pride» gibt. Pride-Erfahrung hat sie bereits aus Zürich, wo sie schon einige Male teilnahm. Vor den Organisatorinnen und Organisatoren dieser Anlässe – insbesondere denjenigen, die sich bereits vor vielen Jahren dafür einsetzten – hat sie viel Ehrfurcht. «Wir als queere Gemeinschaft haben ihnen sehr viel zu verdanken.»
Eine Kunstform ohne Regeln
Doch nicht nur die queere Gemeinschaft ist Samira wichtig geworden: Auch die Drag-Szene ist mittlerweile ein wichtiger Teil ihres Lebens. Den Weg dorthin fand sie über die US-amerikanische Reality-Show «Rupaul's Drag Race». In jeder Staffel wird dort Amerikas nächster «Drag-Superstar» gesucht. So befasste sie sich je länger je mehr mit dieser Gemeinschaft. Entsprechend entstand auch der Wunsch, selber aufzutreten. «Anfangs fragte ich mich, ob ich dafür aber zum Dragking werden muss, sprich, in die Rolle eines Mannes schlüpfen muss», so die junge Künstlerin. Dank eines Auftritts von Pandora Nox, der Gewinnerin der ersten Staffel des Deutschen «Rupaul's Drag Race»-Ablegers, wusste sie: Nein, das muss sie nicht. «Pandora Nox ist auch eine Cis-Frau und tritt als Dragqueen auf», erklärt Samira. So stand für sie fest: «Das will ich auch.» Denn Drag sei eine Kunstform ohne starre Regeln, bei der ein Geschlecht extravagant präsentiert werden soll. «Es geht um das Ausleben von Kreativität.» Bei ihr fliessen dabei viele Elemente aus der Hexenwelt mit ein – ebenfalls etwas, wofür sich die Wahl-Zürcherin sehr interessiert. Kein Wunder also, nennt sie sich als Künstlerin «Sam the Witch». So wird auch ihr Auftritt an der «Khur Pride» ein Mix aus beiden Welten werden – und ein starkes Zeichen für die queere Gemeinschaft in Graubünden.
Die Drag Performance von Sam the Witch findet im Rahmen der «Khur Pride» vom 1. Juni, um 19.45 Uhr im Stadtpark statt.
Drag ist nicht gleich trans
Immer mal wieder gibt es Missverständnisse bei den Begriffen «Drag» und «Trans». Eine Dragqueen oder ein Dragking muss nicht zwingend eine Transperson sein; es kann auch eine Cis-Frau oder ein Cis-Mann (also eine Person, die sich mit ihrem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht identifiziert) Drag betreiben. Die Verwandlung in das andere Geschlecht ist somit nur eine Kunstform und hat nichts mit dem Geschlecht, mit dem man sich identifiziert, zu tun.
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