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Wer schweigt, verliert: Medien brauchen endlich echte Aufarbeitung

Der Meinungsbeitrag von Joachim Braun in der Südostschweiz zur neuen Dialogkultur im Lokaljournalismus trifft einen wunden Punkt: Ja, Redaktionen wollen heute näher an die Leserinnen und Leser heran. Doch was nützt der schönste Dialog, wenn er auf einem Trümmerfeld aus Misstrauen aufgebaut ist?

Während der Corona-Pandemie wurde Kritik nicht nur ignoriert, sondern auch öffentlich gebrandmarkt. Journalisten wie Andrea Masüger hetzten in ihrer publizistischen Machtposition gegen Ungeimpfte, als wären sie Aussätzige. Diese Aussagen stehen noch immer unkommentiert im Raum. Es gab keine Distanzierung, keine Entschuldigung, keine Aufarbeitung. Wie lange noch?

Nun wird in Chemnitz diskutiert, ob „der andere auch Recht haben kann”. Ein hehrer Ansatz - aber für viele kommt er zu spät. Wer jahrelang in moralischer Überlegenheit gesendet hat, verliert Glaubwürdigkeit, wenn er plötzlich zuhören will. Vertrauen lässt sich nicht wie ein verlorener Regenschirm zurückfordern - es muss jeden Tag neu verdient werden.

Deshalb braucht es mehr als Bürgerpanels und PR-Events. Es braucht ehrliche Selbstkritik, sichtbare Konsequenzen und den Mut, eigenes Fehlverhalten einzugestehen. Wer sich diesem Schritt verweigert, darf sich nicht wundern, wenn Leserinnen abwandern - nicht zur AfD, sondern ins innere Exil des Misstrauens.

Wer die Öffentlichkeit jahrelang bevormundet hat, kann nicht erwarten, durch ein paar Diskussionsrunden wieder Glaubwürdigkeit zu gewinnen.

Julius Candinas
17.06.25 - 15:13 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
Zum Artikel:
Joachim Braun, Suedostschweiz 17.6.2025
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Herr Candinas, Sie schreiben: „Während der Corona-Pandemie wurde Kritik ignoriert ...” Da bin ich anderer Meinung. Die Zeitungen waren voll von Kommentaren von Impf- und Massnahmengegnern. Sie wurden gelesen und gehört. Es gab Demonstrationen in der ganzen Schweiz. Aufgrund von Referenden der Skeptiker gab es sogar noch drei Abstimmungen zum Thema (13. Juni 2021, 28. November 2021, 18. Juni 2023). Jedes Mal hat das Volk mit überwältigender Mehrheit (> 60 %) den Massnahmen des Bundes zugestimmt.
Die letzte Abstimmung zum Thema Impfen in der Schweiz fand am 9. Juni 2024 statt. Dabei wurde über die „Stopp-Impfpflicht-Initiative” abgestimmt. Die Initiative wurde mit 73,7 % Nein-Stimmen und in allen Kantonen deutlich abgelehnt.
Den Skeptikern wurden unzählige Möglichkeiten geboten, ihre Argumente zu präsentieren. Nun wollte die Schweizer Bevölkerung jedoch nicht alles umsetzen, was die Skeptiker vorschlugen.
Ich bin überzeugt, dass Herr Masüger mit seinen Beiträgen die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung wiedergegeben hat.

Herr Candinas schreibt einen ausserordentlich guten Leser-Kommentar. Ab 2020 wurde die Menschheit geradezu lawinenartig mit der "richtigen Meinung" überrollt. Journalistinnen und Ärzte hatten Angst, entgegenzuhalten und haben die Leitmeinung übernommen. Denn was "alle" sagen, muss ja wohl richtig sein (?). Es geht dabei nicht mehr darum, wie gefährlich ein Virus ist, sondern ob man jederzeit das Recht haben soll, Kritik an einer eigentlichen Hysterie anzubringen. Viele Menschen übernehmen völlig unkritisch die Hauptmeinung der Medien und der Gesellschaft. Wenn Zeitungen und Fernsehsender gegen eine bestimmte Menschengruppe hetzen, wird es gefährlich, weil die Mehrheit der Bevölkerung dieser Hetze tatsächlich zustimmt.
Machen es die Medien heute besser? Nein! Im Nahostkrieg gibt es ebenfalls nur eine Meinung: Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung und der Iran ist böse. Viele Leute glauben das , obwohl es ja nichts mit Selbstvereidigung zu tun hat, wenn man eine riesige Zahl von Zivilisten im Libanon, im Gazastreifen oder im Iran tötet. Der Journalismus getraut sich auch nicht auszusprechen, dass Israel sich nicht an die festgelegten Grenzen von 1947 gehalten hat und fremdes Gebiet (der Palästinenser) seit Jahrzehnten besetzt und "verwaltet". Ausserdem hat man sich im Jahr 2003 auch darauf versteift, dass der Irak Massenvernichtungswaffen besitzen würde, was sich im Nachhinein als falsch erwies. Und jetzt versteifen wir uns darauf, dass der Iran kurz davor sein soll, Atomwaffen zu besitzen. Wissen wir das wirklich? Dass Pakistan, Indien und Nordkorea auch Atomwaffen haben, ist offenbar egal - nur der Iran ist böse!
Also, Journalistinnen und Journalisten: Beleuchtet endlich alle Seiten und hört auf, uns mit der "richtigen Meinung" zuzumüllen!