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Frisch von der Leber

Die Tage werden kürzer, die Bergspitzen sind leicht gezuckert und in den meisten Wohnungen brennt kein Licht mehr. Die Zugvögel, auch Saisonniers genannt, ziehen gegen Süden oder natürlich nach Südostasien. Alles nur, um in knapp zweienhalb Monaten wieder zurückzukehren. 

Davoser
Zeitung
29.09.24 - 07:00 Uhr
Leben & Freizeit
Bald herrscht in Davos wieder die meditative Ruhe der Zwischensaison.
Bald herrscht in Davos wieder die meditative Ruhe der Zwischensaison.
wey
Bald stellen die Bahnen den Sommerbetrieb ein, die Bikes und Wanderschuhe werden in den Keller gebracht und die Übergangsjacken rausgeholt. Immer mehr Gastronomiebetriebe hängen die Schilder mit dem Vermerk auf die Betriebsferien an die Tür. Und in den Bars und Restaurants sieht man für zwei Monate dieselben zwanzig Nasen. Genau, in Davos steht die Zwischensaison vor der Tür. Wieder mal wird die kleine Bergstadt vom Sportmekka zum verschlafenen Kaff.

Es gibt auch Schlimmeres

Als gebürtiger St. Galler hörte ich oft Geschichten und Legenden über diese Zeit in den Bergen. Doch keiner konnte sie bestätigen oder widerlegen. Wie auch? Ist ja keine Sau da, die etwas darüber erzählen könnte. Doch habe ich diese Zeit schätzen, ja lieben gelernt. Während in den Städten alle in Dirndl und Lederhosen zu irgendwelchen Oktoberfesten ziehen, an Tischen mit einem Plastiktischtuch mit dem bekannten blau-weissen Print sitzen und sich eine lauwarme Mass nach der anderen gönnen, herrscht in ­Davos eine schon fast meditative Ruhe.

Und man kann mir glauben, ich kenne das schlimmste aller Feste im Oktober nur zu gut: die OLMA. Und so bin ich nicht unglücklich, den Herbst seit Jahren in der Bündner Bergwelt zu verbringen. Wer mir nicht glaubt, darf gerne Mal an einem Wochenende oder am «Coiffeusen-und-Fussballer-Mäntig» in eine der Degustationshallen stehen. Und glauben sie mir, Sie werden froh sein, wenn sie in Landquart wieder die mehr oder weniger schönen Züge der Rhätischen Bahn sehen. Auch wenn diese gefühlt die gesamte Zwischensaison durch das Prättigau benötigen, um wieder nach Davos zu kommen.

Die Vorfreude überwiegt

So sehr ich meine Ostschweizer Heimat auch liebe, der Herbst in ­Davos ist tausendmal schöner und angenehmer. Und ist es nicht das Schönste, wenn wieder alle im Freundeskreis Zeit füreinander ­haben und sich, vorausgesetzt niemand ist in Südostasien, treffen können.

Doch was wäre die Zwischensaison ohne die Vorfreude auf den Winter. Ich freue mich jetzt schon auf das Lächeln des Sportartikel-Fachverkäufers, wenn ich meine Skier das erste Mal zum Service bringe. Natürlich werden die Angestellten auch bezahlt, um zu lächeln, aber nichtsdestotrotz erfreut es mich immer aufs Neue. Und wer hat es nicht, das Kribbeln, wenn Frau Holle wieder an ihre Arbeit geht und es die ersten richtigen Schneefälle gibt? Die Frage, wann man das erste Mal auf den Berg kann, wird auf einmal omnipräsent. Und wenn dann die erste Bahn den Betrieb aufnimmt, sich aus der Talstation zieht, ist es, als ob sich ein schlafender Riese langsam wieder ins Leben zurück kämpft. Und dann dauert es nicht mehr lange, und die kleine, verschlafene Bergstadt wird wieder zur Alpenmetropole. Und dann, ja spätestens dann, wünsche ich mir nichts sehnlicher zurück, als die ­magische Zwischensaison.

Yves Weibel

Yves Weibel.
Yves Weibel.
zVg
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