Neujahrsvorsätze
Ich gehe dieses Jahr Joggen, höre auf mit dem Rauchen, werde mich selbst finden und verwirklichen, das wird mein Jahr. Ja, es ist wieder die Zeit, in der einem jede und jeder ein gutes Neues wünscht.
Ich gehe dieses Jahr Joggen, höre auf mit dem Rauchen, werde mich selbst finden und verwirklichen, das wird mein Jahr. Ja, es ist wieder die Zeit, in der einem jede und jeder ein gutes Neues wünscht.

Und zu den doch meist geheuchelten Neujahrswünschen gesellen sich dann auch immer gerne hochgestochene Vorsätze. Persönlich habe ich dies nie ganz verstanden. Aber trotzdem werden sie stets zum Jahreswechsel mit viel Enthusiasmus aus der staubigen Schublade der Selbstoptimierung gezogen. Ein Ritual, so beständig wie die Jahreszeiten. Der Sommer bringt Wärme, der Winter Schnee und der Januar den Fitnessstudios eine Flut von neuen Mitgliedschaften, welche dann spätestens ab Februar bei den meisten Abonnentinnen und Abonnenten in Vergessenheit geraten. Kurz gesagt: Es werden wahrscheinlich nie so viele Menschen belogen wie am Silvesterabend. Aber halb so schlimm, denn meist belügt man ja nur sich selbst.
Weshalb das Ganze?
Und so sind die ersten Tage eines jeden neuen Jahres eine unglaublich magische Zeit. Sie fühlen sich an, als sei alles möglich. Man steht quasi vor einem weissen Blatt Papier. Die eigene Geschichte kann neu geschrieben werden. Und diese soll nun zur ganz persönlichen Erfolgsstory werden. Genau deshalb hat man sich am Silvesterabend beim sechsten Glas Champagner und mit einer kleinen Brandwunde vom Bleigiessen die wunderbaren Vorsätze gemacht. Doch haben die so gut gemeinten Intentionen etwa die Lebensdauer des Feuerwerks am Nachthimmel. Sie sind meist ein Märchen, welches die Gebrüder Grimm nicht hätten besser schreiben können.
Doch weshalb nur machen wir uns Jahr für Jahr wieder diese Vorsätze? Ich denke, die Antwort ist simpel: Sie fühlen sich einfach gut an. Wir glauben uns selbst, dass wir über Jahre angeeignete, ungeliebte Verhaltensweisen einfach ändern können. Die Zielsetzungen geben uns zudem für ein paar Wochen das Gefühl, dass wir unser Leben doch ganz gut im Griff haben. Doch verfliegt diese Empfindung meist etwa gleich schnell wie der Kater der Silvesternacht. Zugegeben, auch dieser hält jedes Jahr ein paar Tage länger an.
Ein Antrieb zur Verbesserung
Klingt alles eigentlich sehr negativ. Doch sind Neujahrsvorsätze keineswegs etwas Stupides. Nur sollten diese in der Realität beheimatet sein. Ich werde beispielsweise in diesem Leben sicher kein Langstreckenläufer mehr, aber den Bergli-stutz ohne Kreislaufkollaps erklimmen zu können, klingt doch realistisch. So bringen uns realistische gesetzte Ziel stets voran. Und genau das ist das Gute an den Vorsätzen der Silvesternacht. Sie geben den Antrieb, uns zu verbessern, und wenn sie zudem erreichbar sind, bringen sie uns die so befriedigenden Erfolgsmomente. Persönlich hoffe ich für jede und jeden, dass sie so viele noch so weltfremde Pläne und Intentionen der Silvesternacht umsetzen können. Doch falls alle gesetzten Ziele, zumindest in meinem Freundeskreis, erreicht werden, werden wir Ende des Jahres von Bodybuilderinnen, Bodybuildern, Professorinnen, Professoren und trockenen Alkoholikerinnen und Alkoholikern umgeben sein. Gegönnt sei es natürlich allen.
Ich selbst werde, so wie ich mich kenne, nächstes Jahr keuchend mit einer Zigarette in der Hand am Berglistutz anzutreffen sein und mir nach Luft schnappend sagen, dass ich beginne zu Joggen und aufhöre zu rauchen, denn spätestens das nächste wird mein Jahr.
Yves Weibel

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