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Ein neues Leben für eine alte Dame: Einblicke in spezielle RhB-Lokomotiven

Die Stiftung «Grün & Chrom» setzt sich dafür ein, dass die weltweit einzigartige Loksammlung der Rhätischen Bahn erhalten bleibt. Hier ein Einblick in ganz besondere Loks.

Bündner Woche
21.07.24 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit
«BoBo I» heissen die Lokomotiven, die diesen Sommer den Nostalgiezug zwischen Davos und Filisur ziehen.
«BoBo I» heissen die Lokomotiven, die diesen Sommer den Nostalgiezug zwischen Davos und Filisur ziehen.
Andri Dürst

von Andri Dürst

Tilmann Laubes Augen leuchten, als er am Bahnhof von Davos Platz dem Rangieren der Lokomotive zuschaut. Es ist nämlich nicht irgendeine Lok, sondern eine ganz besondere. «BoBo I» wird sie von Bahnfreundinnen und -freunden genannt, die offizielle Bezeichnung lautet «Ge 4/4 I». Weil die bekannten Krokodilloks der Rhätischen Bahn derzeit nicht eingesetzt werden können, zieht nun jeweils eine solche «BoBo I» den Nostalgiezug zweimal täglich von Davos nach Filisur und zurück. Denn nicht nur die Waggons, auch die Lok ist nostalgisch. «Die erste ‹BoBo I› für die RhB wurde 1947 ausgeliefert. Sie war damals eine technische Sensation», sprudelt es so aus Tilmann Laube heraus. «Die ‹BoBo I› gehörte zu den ersten laufachslosen Drehgestelllokomotiven der Schweiz. Oder einfacher ausgedrückt: Alle vier Achsen besitzen einen einzelnen Motor.» Bis zur Entwicklung dieses Typs hat sich der Bau von Elektroloks noch stark an den Dampfloks orientiert. Dies änderte dann eben mit der «BoBo I», bei der die Herstellerin, die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM), erstmals auf eine Art Wagenkasten-Prinzip setzte. 

Nicht mehr alles original

Doch weg von den trockenen Fakten, hin zu praktischeren: Beobachtet man die «BoBo I» beim Rangieren, hört man ein leichtes Quietschen und ein dumpfes Brummen. Auffällig ist aber ein helles «Klick Klack» beim Anfahren. «Das ist der Stufenschalter», erklärt Tilmann Laube. «Der ist immer noch original, wie auch die Motoren, die Transformatoren, die elektromechanische Steuerungstechnik, die Drehgestelle, der Lokkasten und das Dach.» Allerdings wurden die Führerstände Ende der 80er-/ Anfang der 90er-Jahre umgebaut, sodass die Fronten deutlich anders aussehen als ursprünglich. Im selben Zeitraum wurden die Fahrzeuge auch umlackiert, von Grün auf Rot.

Viel Herzblut dabei

Wir steigen nun in den offenen Aussichtswagen, der sich in der Mitte des Zugs befindet. Von hier aus kann man während der Fahrt die Lok besonders gut sehen, wenn sie in die Kurven liegt. Noch aber stehen wir still, und wir haben Zeit, um eingehender über Tilmann Laubes Projekt zu sprechen. Er ist nämlich Präsident der Stiftung «Grün & Chrom», die im vergangenen Jahr gegründet wurde. Hauptbeweggrund dafür war – wie könnte es anders sein – die «BoBo I». «Ein Herzensprojekt», wie er ergänzt. «Schon lange existiert bei einigen Bahnfans der Wunsch, man könnte eine Lok dieser Serie wieder in den Originalzustand zurückbauen und mit grüner Lackierung sowie Chrombeschriftung als Nostalgielok verkehren lassen», blickt er zurück. Da das Projekt bei einem anderen historischen Verein nicht so recht zum Laufen kam, gründete er zusammen mit fünf Mitstreitern und einer Mitstreiterin eine eigene Organisation. «Es ist beeindruckend, wie viel Expertise meine Stiftungratskollegin und -kollegen mitbringen. Alle sind mit grossem Einsatz und viel Herzblut dabei», freut sich der Bahnfan. Die steuerbefreite Stiftung «Grün & Chrom» finanziert sich hauptsächlich über Gönnerstiftungen, doch auch Privatspenden seien willkommen, erklärt er. Der Name der Stiftung sei auch schnell gefunden gewesen: «Grün» wegen der grünen Lackierung, und «Chrom», weil die älteren RhB-Loks einst über hübsche, erhabene Chrombuchstaben an den Aussenwänden verfügten. 

Eine von Tilmann Laubes Lieblingsloks: Die Nummer 605 mit dem Namen «Silvretta».
Eine von Tilmann Laubes Lieblingsloks: Die Nummer 605 mit dem Namen «Silvretta».
Bild zVg

Doch der Rückbau einer «BoBo I» ist nicht das einzige Projekt der Stiftung. Vom gleichen Typ soll eine weitere Lok im heutigen Zustand erhalten werden. Das Gleiche will die Stiftung auch bei den «Ge 6/6 II» umsetzen. Einer Serie, die aus den 50er- und 60-Jahren stammt und vor allem für Güterzüge beschafft worden, derzeit aber ausser Betrieb ist. Auch bei diesem Typ soll eine Lok in ihren Originalzustand versetzt werden und eine mit dem heutigen Erscheinungsbild weiterverkehren. Das ganze ist aber recht kostspielig: Tilmann Laube erklärt, dass für den Umbau der einen «Ge 6/6 II» mit dreifenstriger Stirnfront etwa 1,4 Millionen Franken notwendig seien.


Erstes Projekt bereits abgeschlossen

Während diese Projekte vorerst nur Pläne sind, ist ein weiteres Vorhaben der Stiftung bereits umgesetzt: Eine bis vor Kurzem rote Lokomotive verkehrt seit April wieder im grünen Kleid. Und auch die Chrombuchstaben trägt die Lok wieder mit Stolz. Es handelt sich dabei um eine «BoBo II», einem heute noch im Einsatz stehenden Loktyp aus den 70er- und 80er-Jahren. «Es war fast unglaublich, wie schnell wir dieses Projekt umsetzen konnten – innerhalb von etwa sechs Wochen war bereits alles erledigt. Dabei durften wir stets auf eine ehrliche und grosszügige Unterstützung der RhB zählen», erklärt ein äusserst zufriedener Präsident. Das Ergebnis – es handelt sich um Lok Nummer 611 mit dem Namen «Landquart» – sei phänomenal, betont Tilmann Laube. Einzig bei den Lampen müsse man noch nachjustieren, denn derzeit seien noch eckige im Einsatz und nicht runde, wie sie ursprünglich montiert waren. «Hier haben wir das grosse Glück, dass ein Lokführer aus Klosters beim damaligen Umbau der Lampen die alten Fassungen aus dem Altmetall gerettet und aufbewahrt hat. So können wir diese wieder verwenden und müssen nur die Leuchtmittel wechseln», erzählt er. Dass die Rückverwandlung der «Landquart» eine feine Sache ist, zeigen die Reaktionen der Bahnfans. «Beim ‹Rollout› am 12. April hatten viele Anwesende Augenwasser, als sie die Lok erstmals sahen. Und als wir sie kürzlich beim Welterbetag in Bergün präsentierten, wurde das Polieren der Chrombuchstaben zu einer beliebten Attraktion.» Die grüne Ge 4/4 II 611 ist nun fast täglich auf dem RhB-Stammnetz vor dem berühmten Glacier-Express oder vor Güterzügen unterwegs.

So sah die «BoBo I» – die Lok, die dieses Jahr den Nostalgiezug in Davos zieht – einst aus. Die Stiftung möchte ein Exemplar wieder so zurückbauen.
So sah die «BoBo I» – die Lok, die dieses Jahr den Nostalgiezug in Davos zieht – einst aus. Die Stiftung möchte ein Exemplar wieder so zurückbauen.
zVg
Seit April verkehrt wieder eine «BoBo II» in Grün und mit Chrombuchstaben auf dem RhB-Netz.
Seit April verkehrt wieder eine «BoBo II» in Grün und mit Chrombuchstaben auf dem RhB-Netz.
zVg

Das besondere an der RhB sei, dass sie eine weltweit einmalige Sammlung von einsatzfähigen Triebfahrzeugen besitze. Aus praktisch jeder Serie ist noch mindestens ein Exemplar vorhanden – von der ersten Dampf- über die erste Elektrolok bis hin zum modernen Triebzug. «Deshalb ist es so wichtig, dass wir dieses kulturelle Erbe erhalten», unterstreicht Tilmann Laube die Bedeutung der Stiftung «Grün & Chrom».


Viel Herzblut dabei

Mittlerweile ist unser offener Aussichtswagen bis auf den letzten Platz besetzt. Punkt 10.18 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Er fährt flott vorbei am Landwasser Richtung Frauenkirch. Schnell haben wir auch Glaris erreicht. Kurz vor der Station Monstein fahren wir in den ersten Tunnel. «Die ‹BoBo I› kann man hier gut riechen. Das wäre doch mal ein gutes Parfüm», lacht der Bahnfan. Doch woher kommt seine Faszination für die Eisenbahn? Tilmann Laube kann aus seiner eigenen Warte sagen: «Es sind Kindheitserinnerungen, die wieder aufkommen. Denn so habe ich die RhB kennengelernt: mit ihren alten Lokomotiven.» Vor fast 50 Jahren sei er via Landeck erstmals nach Graubünden gekommen und habe da, in Scuol, seine erste Fahrt mit der RhB gemacht. Das Bähnler-Gen hat er aber auch vererbt bekommen. «Mein Grossvater war Dampflokführer bei den Königlich Sächsische Staatseisenbahnen.» Kein Wunder, fährt TilmannLaube nicht nur gerne mit Zügen, nein, er ist auch begeisterter Modellbauer. 

Unterdessen hat unser Zug die Zügenschlucht durchquert und ist in Wiesen eingetroffen. «Kürzlich wurde hier das Glockensignal wieder in Betrieb genommen. Nun läutet es wie früher, wenn ein Zug in Monstein oder Filisur losfährt», weiss er zu berichten. Filisur, das ist auch unser Ziel. Von hier aus fährt der in Zürich Wohnhafte via Albula nach Samedan, wo er sein Feriendomizil hat. Bevor wir aber unsere Anschlusszüge betreten, schauen wir noch ein wenig der «BoBo I» beim Rangieren zu. «Klick Klack», tönt es wieder. Und Tilmann Laubes Augen leuchten erneut.

Weitere Informationen findet ihr hier.

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