Ein Kanton aus lauter Kästchen
Gerade erst feierte Davos einen Bundstag in Erinnerung an die Gründung des Freistaats der drei Bünde. Am Freitagabend liess Erwin Dirnberger eintauchen in 500 Jahre Geschichte.
Gerade erst feierte Davos einen Bundstag in Erinnerung an die Gründung des Freistaats der drei Bünde. Am Freitagabend liess Erwin Dirnberger eintauchen in 500 Jahre Geschichte.

Wenn es einem schlecht gehe, brauche man etwas, um sich daran festzuhalten, erklärte Dirnberger, als er die Bühne des Kulturplatzes mit seinem tragbaren Setzkasten auf dem Rücken betrat. Das seien dann Mythen, wie jene von Benedikt Fontana und seines Heldentods während der Calvenschlacht. Als Wanderkrämer lamentierte er: «Nichts ist mehr wie früher.» Neuerdings gebe es überall Schildchen «Betteln und Hausieren verboten», und zog ein Muster aus einer der Schubladen. Doch der Unternehmer wusste sich zu helfen. «Das kann man abschrauben und einige Häuser weiter wieder verkaufen.» Damit war der Ton gesetzt, und Dirnberger tauchte ein in 500 Jahre Geschichte vom ersten Bundstag bis heute. Der Kanton sei wie sein Setzkasten, fand er. Er habe zahlreiche und unterschiedlich grosse Schubladen. Jede von ihnen habe ihre eigene Agenda und die grösseren auch eine lautere Stimme. So führte Dirnberger auf vergnügliche Weise durch den grossen Rahmen der Geschichte und fand in den Kästchen das immer Passende, um sie auf lokale Begebenheiten herunterzubrechen. Er berichtete vom Adel, dessen Vorrechte man doch eben genommen habe, und nun füge jede grössere Familie wieder ein «von» vor dem Namen zu. Er machte die Frustration eines ausländischen Gesandten spürbar, der bei seinen Anliegen nun nicht mehr mit einem Landesherren, sondern unzähligen lokalen Gerichtsgemeinden zu tun hatte. Gerne bediente sich Dirnberger auch der Beurteilung des Kantons und seiner Bewohner durch Fremde. Da wurden sie mit Wilden im zentralen Afrika verglichen oder die Bündnerin als robust, arbeitsam, aber auch schwerfällig beschrieben. Unterdessen organisierte sich der Kanton neu, aus Gerichtsgemeinden wurden Kreise, die Bevölkerung verliess in der Not die Heimat, und fast gleichzeitig wurde Graubünden als Ort der Träume entdeckt. Aus den Bündnern werden Sympathieträger schlechthin. Lebenslustig und kontaktfreudig, lauten nun die beschreibenden Attribute. Wenn es einem gut geht, braucht man keine Mythen», sagte Dirnberger nun. Doch ein jeder sehe das wohl auf seine ganz eigene Art.
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