×

Zwei Glarner schnipseln ein Büsibuch, aber ohne Jööö

Aus 25 alten Katzenbüchern haben Marcel Moser und Claudio Landolt ein neues Buch gemacht. Die Glarner Autoren vermitteln in ihrer Kunst, was die Katze ohne Kitsch und Jöö ist.

Südostschweiz
24.05.23 - 04:30 Uhr
Kultur
Bereit für die Lesung: Marcel Moser und Claudio Landolt bereiten sich mit Hellraumprojektor und Theremin auf ihre Buchvernissage vor.
Bereit für die Lesung: Marcel Moser und Claudio Landolt bereiten sich mit Hellraumprojektor und Theremin auf ihre Buchvernissage vor.
Bild Sasi Subramaniam

von Denise Aepli

Wenn Claudio Landolt nicht fürs SRF als Musikredaktor tätig ist, musiziert und schreibt er. Er experimentiert auch gerne mit Wörtern und hat auch ein Lieblingswort. Es wechselt aber ständig: «Jetzt gerade ist mein Lieblingswort ‹Büsi›. Die Bezeichnung ist eigentlich viel zu witzig für das, was ein Büsi ist. Das Wort Büsi ist eine absolute Verkitschung und wird dem Wesen der Katze nicht gerecht.» Das Unheimliche und das Unbändige einer Katze, die durch die Welt wandelt wie ein mystisches Wesen – das hat der 39-Jährige versucht lyrisch auszudrücken, als er für das Buch «Circa 244 Knochen» Texte seziert und neu zusammengesetzt hat.

Was Claudio Landolt mit den Texten machte, tat Marcel Moser mit den Bildern aus denselben Büchern. Das Visuelle reizt ihn, er fotografiert, zeichnet, schneidet und klebt. Zu Hause hat der 44-jährige Unternehmer eines Bike- und Wanderwegbau-Betriebes viele Magazine und Bildbände, aus denen er immer wieder neue Collagen, zum Teil auch mit eigenen Fotografien und Zeichnungen, kreiert hat.

Ja kein Kitsch: Marcel Moser hat nur schwarz-weisse Katzenfotos benutzt, damit die Katze nicht zu niedlich wird und andere Seiten der Katzen sichtbar werden.
Ja kein Kitsch: Marcel Moser hat nur schwarz-weisse Katzenfotos benutzt, damit die Katze nicht zu niedlich wird und andere Seiten der Katzen sichtbar werden.
Collage Marcel Moser

Statt Bilder im Internet zu suchen und digital zusammenzusetzen, bevorzugt Moser Bücher und Schere: «Das Spannende ist die Beschränkung auf wenige Bilder und der Reiz, mit den Händen etwas Neues zu erschaffen und Bilder aus ihrem ursprünglichen Kontext zu nehmen.»

Bei den Katzencollagen hat er nur schwarz-weisse Katzenbilder ausgewählt: «Durch das Schwarz-Weisse wird die Katze nicht kitschig oder verniedlicht.» Moser präsentiert ein paar Collagen an der Buchvernissage mit dem Hellraumprojektor: «Bei künstlerischen Tätigkeiten setze ich gerne auf analoge Werkzeuge, da ich mich in meinem Arbeitsleben viel mit digitalen Hilfsmitteln auseinandersetzen muss.»

Ein nächtliches Hirngespinst

Kurz nach der Veröffentlichung seines ersten Buches über die Vertonung des Vorderglärnischs entdeckte Claudio Landolt in einem lokalen Antiquariat 25 Katzenbücher: «Ich war auf seltsame Weise angetan von dieser wohlsortierten und ergiebigen Katzenbuch-Sammlung», sagt Landolt. Er mutmasst, dass alle 25 Bücher die gleiche Vorbesitzerin oder den gleichen Vorbesitzer gehabt hätten. In der Nacht darauf hinterliess er sich im Halbschlaf eine Notiz auf dem Handy. «Das mache ich oft. Meine Ideen entstehen vielfach mitten in der Nacht. Häufig sind diese Notizen am nächsten Morgen nicht mehr viel wert, aber diese hat etwas in mir ausgelöst. Darum bin ich zurück ins Antiquariat und habe mir die Bücher gekauft.»

«Katze mit der rosa Zunge, putzt sich rau und dumm das Fell, sie schaut auf und blickt in Augen, die sie nicht gelesen hat.»

Auszug aus «Circa 244 Knochen» von Claudio Landolt und Marcel Moser

«Katz-Ups» lautete die Notiz, was ein Wortspiel aus «Katze» und «Cut-Ups» ist. Das ist eine literarische Textform, bei der Texte wie bei einer Collage neu zusammengestellt oder auch auf andere Weise verändert werden.

Kätzische Arroganz

Ihr Buch «Circa 244 Knochen» ist am 12. Mai beim Luzerner Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienen. Silberne Buchstaben auf weissem Velours zieren den Umschlag des Buches. «Der Umschlag ist einer silbergestromten Perserkatze nachempfunden», sagt Landolt. So habe das Buch die kätzische Arroganz bekommen, die er sich für dessen Inhalt gewünscht habe.

«In ihrem grossen Egoismus liegt der grosse Charme der Katz. Nach ihr die Sintflut ungezügelt leben Katzen Weigerung.»

Auszug aus «Circa 244 Knochen»

Dass dieses Projekt auch funktioniert hätte, wenn Landolt im Brockenhaus zum Beispiel Bücher über Holzstühle gefunden hätte, glauben sie nicht. «Wie die Welt auf Katzen schaut und was Katzen mit uns machen, löst schon etwas anderes aus als ein Stuhl», sagt Claudio Landolt. Marcel Moser ergänzt: «Egal, wo man hinschaut, überall wimmelt es von Katzenbildern und Katzenvideos. Katzen sind unser Zeitgeist.» Für Raubkatzen hat Claudio Landolt mehr übrig als für Katzentassen: «Dass dieses wilde Tier so verniedlicht und verplüscht wird, ist ziemlich grotesk. Den Anblick einer Maus im Mund einer Katze finde ich weniger befremdend, als wenn jemand aus einem Katzenkopf-Teetässchen trinkt.»

Bist du ein Katzenmensch?

Ich bin total der Katzenmensch.
50%
Ich mag Katzen, aber sie mögen mich nicht.
Ich dulde Katzen.
8%
Nein, ich mag viel lieber Hunde.
42%
Ich mag keine Tiere.
12 Stimmen

Der sezierte Text

Die Texte der 25 Katzenbücher hat Landolt durchgelesen, aber ohne sich skurrile Katzenfakten zu merken: «Ich suchte nach Sätzen und Texten, die etwas in mir bewegten», sagt Landolt, der daraufhin die Texte in ihre Einzelteile zerlegte oder sich auf die Jagd nach einem gewissen Wortklang machte. Hinter manchen Gedichten steckt auch ein Konzept, wie beispielsweise aus einem Text über eine Katzengeburt: «Ich habe alle Nomen aus einem längeren Text über die Katzengeburt markiert, dann alphabetisiert und letztlich wieder mit meiner Schreibmaschine abgetippt.»

Weniger konzeptionell sind Claudio Landolts Gedichte, wenn er sich am Klang orientiert oder wenn seine Gedichte beispielsweise ein Bild vertexten. Seine Lieblingskatze im Buch ist ein «schwarzer kleiner Knäuel», wie er ihn nennt. Bei der Vertextung des Bildes erinnerte ihn die Katze an einen bekannten Rockstar: «Ursprünglich war auf dem Bild eine Katze zu sehen, die durch eine Scheune streift, aber mit einem Gang, der mich an Mick Jagger erinnerte.» Deswegen «jaggert» die Katze im Gedicht:

Könnte Claudio Landolt ein Wort für das Büsi erfinden, bliebe er doch beim Wort Katze. «Das Wort Katze ist kratzig und kantig. Das ist nicht einfach nur plüschig.» An der Vernissage mit dabei ist auch eine elektronische «Tischkatze»: Während Marcel Moser auf dem Hellraumprojektor Katzenbilder auflegt und Claudio Landolt seine Gedichte vorliest, spielt Landolt zwischendurch ein Theremin, das in einem weissen Plüschfell steckt und stark an eine Katze erinnert.

Freitag, 26. Mai, 19 Uhr: Vernissage und Buchvorstellung im «Wortreich». 21 Uhr Lesung im «Tunnel» Glarus. Die Veranstaltungen ergänzen sich, können aber auch einzeln besucht werden.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR