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Hinter dem Zauberberg

Das Davoser Kulturleben vor 100 Jahren hängt mit dem Kurkontext zusammen. Beim Spazieren durch die Literaturlandschaft Davos begegnet man schnell einem der produktivsten Autoren seiner Zeit.

Davoser
Zeitung
28.07.24 - 17:00 Uhr
Kultur
Fredi Herschel alias «Klabund».
Fredi Herschel alias «Klabund».
zVg
Der umtriebige, atemlos schreibende TB-kranke Alfred Herschel, genannt Klabund, hatte in der Pension Stolzenfels beim Ehepaar Pöschel seine zweite Heimat.

Fredi Herschel hätte eigentlich wie sein Vater Apotheker werden sollen. Schon als Schüler war er oft krank. Ab dem 17. Lebensjahr häufen sich Kur­aufenthalte am Gardasee, im Tessin, in Arosa, in Davos – und immer wieder in Davos. Während seines ersten, acht-monatigen Aufenthalts im Landwassertal schrieb er im Februar und März 1916 die Erzählung «Die Krankheit». Das schmale Werk erzählt vom morbiden und zugleich ausgelassenen Milieu der Sanatoriumswelt:

«Davos lag in der Abenddämmerung wie eine amerikanische Stadt am Rande der Rocky Mountains … am Rande der Welt … Wie improvisiert, zum Abbruch jederzeit bereit, waren die großen Sanatorien und Hotels mit ihren funkelnden Liegehallen da und dort und kreuz und quer im Tal und an den Berglehnen errichtet. Obgleich sie selten über vier Stockwerke zählten, schienen sie mit den himmelauf kletternden Lichtern der Liegehallen Wolkenkratzer.

Ernste Deutsche, flüchtige Italiener, be­häbige Holländer, zwitschernde Brasilianer, duftende Französinnen, dunkle Russen wandelten im gleichmäßig getragenen Kurschritt des Kranken über die Promenade. Von der Post am Kurhaus und den ­glitzernden Läden vorbei bis zum Grand-Hotel Belvedere und wieder zurück.»

(Quelle: Die Krankheit. Eine Erzählung. Reiss, Berlin, 1917)

Klabund stilisierte sich zeitlebens zu einer Mischung aus provokantem Kla-bautermann und herumirrendem Vaga-bund. Mit spielerischer Leichtigkeit kämpfte er zum Beispiel auch mit pointierten Gedichten und der Organisation von vergnüglichen Veranstaltungen gegen die Schwindsucht an. Einem strengen Sanatoriumsregime ordnete er sich dabei nicht unter. Seine lungenkranke Frau Brunhilde Irene Heberle hatte er in Davos kennengelernt; er verlor sie 1918 nach einer Frühgeburt. Klabunds Leben endete wegen einer Lungenentzündung am 14. August 1928 in der Pension Stolzenfels in Davos Dorf – an seiner Seite Carola Neher, die durch Klabunds Märchenspiel «Der Kreidekeis» zum Bühnenstar geworden war.

Das vom Kulturplatz verlegte und dort und bei Schuler Bücher erhältliche Buch «Promenaden – ein literarischer Spaziergang durch Davos», bietet weitere 12 Autorenportraits mit Audiolink zum Eintauchen in die Werke.

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