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Oper des «Schwarzen Mozart» am Theater St. Gallen

Mit der Schweizer Erstaufführung von «Der anonyme Liebhaber» startet das Theater St. Gallen am Samstag in die Opernsaison. Das Theater rückt People of Color und Rassismusfragen gleich mehrfach ins Scheinwerferlicht.

Agentur
sda
16.09.22 - 14:11 Uhr
Kultur

Das Theater St. Gallen ist im Wandel. Jan Henric Bogen, designierter Gesamtverantwortlicher Direktor, hat die Neuausrichtung mit den drei Kernwerten Partizipation, Diversität und Nachhaltigkeit beschrieben.

Seit der Saison 2021/2022 ist Bogen bereits Operndirektor am Theater St. Gallen. Für die aktuelle Saison hat er für das Musiktheater das Motto «Gemeinsam anders sein» ausgerufen.

Zwei Stücke setzen sich explizit mit dem Thema Rassismus auseinander. Die Oper «The Time of Our Singing» (Premiere im März 2023) von Kris Defoort und Peter van Kraaij erzählt vor dem Hintergrund der Rassentrennung im Nachkriegsamerika vom Leben einer Familie mit einer schwarzen Mutter und einem weissen Vater.

Mozart-Zeitgenosse

In die Saison startet das Musiktheater am 17. September mit «Der anonyme Liebhaber» von Joseph Bologne, einer Rarität aus dem 18. Jahrhundert. Der Chevalier de Saint-Georges gilt als einer der wenigen bekannten schwarzen Komponisten der Musikgeschichte.

Der 1745 auf Guadeloupe als Sohn eines französischen Plantagenbesitzers und einer senegalesischen Sklavin geborene Joseph Bologne kam als Siebenjähriger mit seinen Eltern nach Paris. In Frankreich gelang es ihm trotz zahlreicher Widerstände, zum gefeierten Star der Musikwelt des Ancien Régime aufzusteigen.

Der «schwarze Mozart» war Geigenvirtuose, Dirigent und Komponist, galt aber auch als bester Fechter Europas. Im Zuge der französischen Revolution verlor er an Ansehen. Er wurde als angeblicher Verräter verhaftet und entging nur knapp der Hinrichtung. Nach seinem Tod 1799 geriet Bologne rasch in Vergessenheit.

In «Der anonyme Liebhaber» ist der junger Adlige Joseph ist heimlich in seine beste Freundin verliebt. Er traut sich aber nicht, ihr seine Liebe zu gestehen. Stattdessen schickt er ihr Briefe und Gedichte und überhäuft sie mit extravaganten Geschenken.

Die Uraufführung erlebte das Werk 1780 in La Raincy bei Paris. Die Oper kommt nun zum ersten Mal wieder in einem europäischen Theater auf die Bühne. Der britisch-nigerianische Regisseur Femi Elufowoju jr verknüpft in seiner Inszenierung die romantische Opernhandlung mit der Geschichte des Komponisten, für den es im 18. Jahrhundert als Person of Color unmöglich war, eine weisse Europäerin zu heiraten.

Aushängeschilder

Femi Elufowoju jr ist einer der wenigen Opernregisseure of Color in Europa. «Es ist wichtig, diese Arbeit mit einem schwarzen Regisseur und Dialogautor zu machen», sagte der Operndirektor gegenüber dem Kulturmagazin «Saiten». Aber Aushängeschilder reichten nicht, man müsse am Bewusstsein arbeiten. Und natürlich bleibe die künstlerische Qualität zentral.

Die Titelrolle singt der amerikanische Tenor Joshua Stewart. Seine Karriere hat ihn in Opernhäuser in der ganzen Welt geführt. Daneben ist Stewart mit grossem Erfolg auch als Jazzsänger unterwegs.

Die musikalische Leitung hat der amerikanische Dirigent Kazem Abdullah - ebenfalls ein Artist of Color. Er war unter anderem als Assistent an der Metropolitan Opera in New York tätig. Als Dirigent liegt sein Interesse neben dem klassischen Repertoire bei der Neuen Musik.

www.theatersg.ch

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