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Künstlerische Reflexionen zur Abfallproblematik im Museum Tinguely

Immer mehr Kunstschaffende und Museen widmen sich der planetarischen Krise - auch das Museum Tinguely. Das Museum mit dem Hauskünstler, der einst aus Abfall Kunst machte, zeigt nun künstlerischen Auseinandersetzungen mit den globalen Abfallproblemen.

Agentur
sda
13.09.22 - 14:39 Uhr
Kultur

Das Werk mit dem vieldeutigen Titel «Jet d'OH!» sorgt im schönen Park von dem Museum Tinguely für Schreckmomente: Ein unscheinbarer Abfalleimer steht am Rande eines Wegs. Der Basler Künstler Eric Hattan hat ihm aber eine störrische Eigenschaft verliehen: In unregelmässigen Abständen spuckt er das, was in ihm entsorgt wurde, wieder aus. «Der Eimer gibt uns etwas zurück, was wir nicht unbedingt wollen», sagt der Künstler dazu.

Dieser Satz ist sinnbildlich für die Ausstellung im Museum. Sie trägt den erklärerischen Titel «Territories of Waste. Über die Wiederkehr des Verdrängten.»

Es geht also um Abfall und um das, was er in und mit der Welt anrichtet. Um Abfall, der exportiert wird und als soziales Problem wieder zurückschlägt. Um Abfall, der in die Gewässer gelangt und zum Beispiel über die Nahrung wieder zurückkommt.

Politisch aufgeladene Ausstellung

Damit ist schon einmal klar, dass es sich um eine politisch aufgeladene Kunstausstellung handelt, welche die Grenze zur Reportage oftmals ganz bewusst überschreitet. Zu sehen und zu erleben sind 27 künstlerische Positionen, die aufwühlen, irritieren, ausgesprochen lehrreich oder auch amüsant sind und die überraschend ästhetisch ansprechend daherkommen.

Zu letzteren gehört zum Beispiel die Installation «An Ecosystem of Excess» von Pinar Yoldas. Die in den USA lebende Künstlerin hat aus Plastikabfällen im Meer neue schöne und leuchtende Organismen oder Mutationen erschaffen, die sie in grossen Reagenzgläsern zur Schau stellt.

Andere Künstlerinnen und Künstler, wie etwa Anca Benera und Arnold Estefan, haben regelrechte Forschungsarbeiten betrieben, die sie im Museum nun unter dem Titel «The Last Particles» in einem Labor präsentieren. Sie haben im Sand der Strände der Normandie Metallpartikel aufgefunden und extrahiert, die Überbleibsel der Invasion der Alliierten im Zweiten Weltkrieg sind.

Hintersinnige Überraschungen

So hintersinnig überraschend sind viele der Arbeiten, die das Museum Tinguely zeigt. Eric Hattan hat alle nicht organischen Abfälle, die im Museum während eines Jahres anfielen, zu einer grossen Skulptur aufgeschichtet. Und die New Yorker Aktionskünstlerin Mierle Laderman Ukeles hat das Kunstschaffen als das Produzieren stetig neuer Dinge grundsätzlich hinterfragt und kurzum ihre tägliche Reinigungs- und Care-Arbeit zur Kunst erklärt.

Die Sonderausstellung lädt nicht zuletzt auch zu einem Gang durch die Sammlungsräume ein. Zu Tinguelys «Mengele Totentanz», für das der Künstler Abfälle und verkohlte Reste eines niedergebrannten Bauernhauses zu eine schauerlichen Installation vereinigt hat.

Oder zu «Rotozaza II», der grossen Flaschenzertrümmerer-Maschine, die Tinguely bereits 1967 für den «Zweiten Weltkongress über Kommunikation in einer sich verändernden Welt» geschaffen hat. Diese Kommunikation wird nun im Museum Tinguely bis am 8. Januar 2023 weitergeführt.

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