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«Daily Soap»: Seifenspender sind auch nur Menschen

«Daily Soap» ist ein tragikomisches Buch über menschliche Befindlichkeit während der Pandemie. Allerdings kommt der Mensch in den Zeichnungen kaum vor; im Zentrum stehen vielmehr alltägliche Dinge, die meist achtlos benutzt werden - wie der Seifenspender.

Agentur
sda
07.06.21 - 11:00 Uhr
Kultur

«Seifenspender sind sensible Wesen, die in Zuständen sozialer Isolation, geistiger sowie körperlicher Unterforderung häufig depressive Verhaltensmuster entwickeln», erklärt die Ostschweizer Künstlerin Pascale Osterwalder gegenüber Keystone-SDA. Sie muss es wissen. Bereits Jahre vor der Pandemie hat die 42-jährige Grafikerin, Illustratorin und Filmanimatorin damit begonnen, sich mit dem Eigenleben von Alltagsgegenständen zu beschäftigen, vornehmlich Seifenspendern.

Dass diese Plastikflaschen mit den Flüssigseife speienden Köpfchen während der Pandemie so fleissig benutzt wurden wie nie zuvor, hat sie erneut in den Fokus der Künstlerin gerückt. In Form pointierter Cartoons hat sie deren Freuden und Leiden im «Falter» veröffentlicht, der Wochenzeitung Wiens, wo sie selber lebt. Nun sind ihre Forschungen an lebenden Seifenspendern in einem leinengebundenen Buch erschienen, das man nur als Kleinod, Schatz oder Must-have bezeichnen kann.

Melancholie und Wortwitz

Melancholisch und mit ebenso viel Wortwitz wie zeichnerischer Finesse gewährt «Daily Soap» Einblicke ins Leben und Tiefblicke in die Seele eines Seifenspenders. «Ich bin ein Spender. Ein Wohltäter. Eine Institution für die öffentliche Hand», meint dieser anfänglich selbstbewusst. Dass sein Preis im Laden reduziert wird, gibt ihm einen ersten Dämpfer. Dass er, einmal gekauft, dauernd auf den Kopf geschlagen wird, macht ihn kaputt. Und irgendwann fühlt er sich leer, lehnt sich an den Wasserhahn und seufzt: «Ich bin erschöpft.»

Der Seifenspender ist nicht allein. In Osterwalders Buch umarmen sich depressive WC-Enten und eine misshandelte Zahnpastatube begeht im Müllsack Suizid. Nicht unbedingt die Geschichten, die man in der Corona-bedingten Pandemie oder im partiellen Rückblick auf sie braucht? Doch. Denn der weiche, fast zärtliche Strich der Künstlerin weckt beim Betrachten ihrer Bilder Mitgefühl - etwas, dessen Wichtigkeit vielen erst in den letzten Monaten richtig bewusst geworden ist.

Pascale Osterwalders Bilderbuch macht nicht nur empathisch, sondern auch süchtig. Es hat etwas Tröstliches, weil zwischen den Dramen der belebten Dinge auch Freude Platz hat, etwa das genüssliche Schaumbad des Seifenspenders in der Spüle oder sein doppeldeutiges Geständnis «Ich mache mir Sorgen um meine Liquidität» nach häufigem Gebrauch. Wer nicht genug bekommen kann, findet auf der Website der Künstlerin das Making-of und vergnüglich animierte Kurzfilme aus ihrer Wunderwelt der beseelten Dinge.*

*Dieser Text von Tina Uhlmann, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

www.elaxa.ch

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