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Schreckensjahre in Samnaun: Eine Bijouterie wird in zwei Jahren mehrmals ausgeräumt

Zwischen 2016 und 2018 durchlebte eine Samnauner Bijouterie eine Horrorzeit. Immer und immer wieder wurde in das gleiche Geschäft eingebrochen – oder es wurde gar überfallen. 

Patrick
Kuoni
12.07.24 - 16:00 Uhr
Graubünden

Samnaun ist die einzige zollfreie Zone der Schweiz. Exklusiver Schmuck, Kosmetik und Bekleidung, Lebensmittel, Tabak und Spirituosen gibt es zu guten Preisen. Auch der Treibstoff ist hier günstiger. Die Grenznähe hat aber auch negative Auswirkungen. Dies bekommt insbesondere eine Bijouterie zu spüren: Innerhalb von rund zwei Jahren kommt es am gleichen Ort zu vier Raubüberfällen oder Einbrüchen. Ein Rückblick auf eine Zeit, in der Täter aus verschiedenen Ländern in Samnaun auf Beutezug waren. 

Die Taten und wie sie endeten 

3. April 2018: Kurz vor 12 Uhr betreten fünf maskierte Täter eine Bijouterie und räumen diverse Uhren mit einem Gesamtwert von über einer Million Franken aus den Vitrinen. Sie flüchten daraufhin in einem dunklen Renault Megane, den sie einige Tage zuvor in Österreich gestohlen haben. Das Auto wird später zwischen Samnaun Dorf und dem Grenzübergang Spiss aufgefunden. Bereits einen Tag später ist für vier der fünf Männer die Flucht beendet. Dies dank der Meldung einer Frau, die auf einem Parkplatz in Samnaun Dorf verdächtige Personen in einem Fahrzeug gemeldet hat. Die ausgerückten Polizeikräfte können zwar im Wageninneren keine Personen finden. Beim Blick in den Kofferraum erleben die Polizisten aber eine Überraschung: In diesem befinden sich drei Männer. Ein vierter ist bereits zuvor bei einer Kontrollstelle verhaftet worden. 

18. Mai 2018: Nicht schon wieder, dürften sich die Verantwortlichen derselben Bijouterie gesagt haben. Nur rund eineinhalb Monate nach dem ersten Raub verüben drei Täter einen Einbruch. Um 3.15 Uhr nachts versuchen die Männer, sich gewaltsam Zutritt zur Bijoutrie zu verschaffen. Die Täterschaft flüchtet allerdings ohne Beute, weil die Alarmanlage aktiviert ist und eine Sirene ausgelöst wird. Trotzdem: Der Sachschaden beträgt über 10’000 Franken. 

16. August 2018: Aller schlechten Dinge sind drei. Kurz nach 4 Uhr geht bei der Kantonspolizei Graubünden ein Alarm ein. Dieses Mal hat die Täterschaft mit einem Geländefahrzeug die Eingangstür eingerammt. Drei vermummte Personen dringen ins Geschäft ein und flüchten mit Schmuck und Uhren im Wert von mehreren Hunderttausend Franken in einem Mercedes-Benz. Bereits am Tag danach nimmt die Polizei drei Täter im Alter von 18, 22 und 24 Jahren fest. Das Deliktsgut wird dann im September praktisch vollständig von einer Wanderin in einem Wald in Samnaun gefunden. Die drei Franzosen werden von der Polizei auch als Täter des Einbruchs vom 18. Mai ausgemacht. Auch wenn ein Grossteil der Beute aufgetaucht ist, fehlt gemäss der Kantonspolizei Graubünden einzelnes Deliktgut weiterhin. 

Bereits im September 2016 war die Bijouterie Opfer eines Einbruches geworden. Kurz vor 3 Uhr entwenden Unbekannte Uhren im Wert von einigen Hunderttausend Franken. 

Unsere Redaktion hat bei der Kantonspolizei Graubünden nachgefragt, bei welchen der Verbrechen noch Täter gesucht werden. Die Polizei möchte aber nicht einzeln zu den Vorfällen Stellung nehmen und schreibt ganz allgemein: «Es konnten verschiedene Festnahmen vorgenommen werden, nach weiteren Personen wird weiterhin gefahndet.» 

Weitere Einbrüche in Samnaun

Samnaun bleibt, was Einbrüche und Überfälle angeht, gefährdet. Am 3. Oktober 2019 kommt es zu einem weiteren Vorfall. Betroffen ist aber dieses Mal nicht das Geschäft wie mehrmals im Jahr zuvor. Sonst ähnelt der Fall aber sehr den letzten Taten in Samnaun. Die unbekannte Täterschaft rammt laut Mitteilung der Kantonspolizei Graubünden in der Nacht auf Freitag gegen 4.30 Uhr die Eingangstür des Geschäfts. Entwendet werden einige Dutzend Uhren im Gesamtwert von über einer halben Million Franken. Die Täter fliehen mit einem zuvor gestohlenen Auto, lassen dieses aber bereits nach wenigen Kilometern wieder stehen. Im Oktober des vergangenen Jahres kommt es ausserdem zu einem weiteren Einbruch in eine Bijouterie. Die Täterschaft verschafft sich gewaltsam Zutritt. Dabei werden mehrere hochwertige Armbanduhren mit einem Gesamtwert von mehreren 10’000 Franken gestohlen. Die Polizei kommunizierte damals aus «ermittlungstaktischen Gründen» nicht aktiv. 

Die Bilder ähneln sich: Im Oktober 2019 fahren Täter in Samnaun in den Eingang eines Geschäftes. 
Die Bilder ähneln sich: Im Oktober 2019 fahren Täter in Samnaun in den Eingang eines Geschäftes. 
Bild Kantonspolizei Graubünden

Polizei reagiert 

Auf die Frage, wie die Kantonspolizei Graubünden auf die Häufung reagiert hat, hält Andri Müller, Chef des Ermittlungsdienstes, kurz und knapp fest: «Eine Massnahme ist die hohe Polizeipräsenz im Einsatzraum als fortlaufende Prävention. Zu taktischen Massnahmen können wir keine Angaben machen.» Die Polizei erklärt sich die Häufung der Ereignisse einerseits damit, dass sich Samnaun in Grenznähe befindet. Anderseits sei die Bijouterie-Dichte in Samnaun überdurchschnittlich hoch. «So kommt es auch in anderen Luxus-Kurorten häufiger zu ähnlichen Delikten.» Abschliessend hält Müller fest: «Die Täter waren gut organisiert und kamen aus verschiedenen Ländern.»

Täter teilweise schon verurteilt

Die Täter des Raubes vom April 2018 wurden im Februar 2020 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Konkret wurden die drei Serben sowie der Bosnier zu Haftstrafen zwischen 43 und 45 Monaten verdonnert. Ausserdem wurden alle für zehn Jahre des Landes verwiesen. Verurteilt wurden sie wegen Raub, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung sowie wegen der Fälschung von Ausweisen. Zum Stand anderer Gerichtsprozesse war aufgrund von Ferienabwesenheiten beim Regionalgericht Engiadina Bassa/Val Müstair nichts in Erfahrung zu bringen.

Die Serie
In unregelmässigen Abständen blickt unsere Redaktion in die Vergangenheit und erzählt die Geschichten von spektakulären oder speziellen Kriminalfällen aus dem Kanton Graubünden. 

Das war einer von mehreren Teilen unserer Kriminalfälle-Serie. Alle weiteren Teile findet ihr hier:

 


 

Patrick Kuoni ist Redaktor bei Südostschweiz Print/Online. Er berichtet über Geschehnisse aus dem Kanton Graubünden. Der Schwerpunkt seiner Berichterstattung liegt auf den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Tourismus. Wenn er nicht an einer Geschichte schreibt, ist er als einer der Tagesverantwortlichen für die Zeitung «Südostschweiz» tätig. Patrick Kuoni ist in Igis (heutige Gemeinde Landquart) aufgewachsen und seit April 2018 fester Teil der Medienfamilie Südostschweiz.

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